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Bild: “Balance (균형)” von Seongbin Im. Lizenz: CC BY-SA 2.0 Das Bild wurde zurechtgeschnitten.
Das Wesen des chemischen Gleichgewichts
Definition des chemischen Gleichgewichts
Das chemische Gleichgewicht ist der Zustand eines chemischen Systems, bei welchem eine konstante Konzentration an Produkten und Edukten vorliegt. Die Reaktionen, welche in homogenen Lösungen ablaufen, scheinen zum Stillstand gekommen zu sein, da sich keine Konzentrationsänderungen der beteiligten Stoffe feststellen lässt. Der Stoffumsatz findet nur noch auf Teilchenebene statt, daher wird es auch dynamisches Gleichgewicht genannt.
Für jede Reaktion entspricht die Lage des Gleichgewichts unter bestimmten Umweltbedingungen einer Naturkonstante.
Diese Form der Reaktion ist auch unter dem Namen reversible Reaktion bekannt, da sie in beide Richtungen und gleichzeitig abläuft. Aus diesem Umstand ergibt sich auch, dass in den Reaktionsgleichungen für den Reaktionstyp der Gleichgewichtsreaktionen immer ein Doppelpfeil zu finden ist. Reversible Reaktionen können jedoch nur dann ablaufen, wenn keiner der Reaktionspartner das System verlässt.
Beispiele für Gleichgewichtsreaktionen
- Reines Wasser: H2O dissoziiert in H+ und OH–. Im puren Wasser liegt ein Gleichgewicht zwischen dem H2O und den dissoziierten Ionen vor, welches deutlich auf der Seite des H20 liegt. Daraus resultiert auch der pH-Wert 7.
- Löst man Glucose bei Raumtemperatur in Wasser, so entsteht ein stabiles Konzentrationsverhältnis: 63 % β-Glucose und 37 % α-Glucose.
Voraussetzungen des chemischen Gleichgewichts
- Geschlossenes oder abgeschlossenes System: Reversible Reaktionen können nur dann ablaufen, wenn keiner der beteiligten Stoffe entweichen kann.
- Umkehrbare (reversible) Reaktion: Wenn die Reaktion begonnen hat und die ersten Produkte entstanden sind, schließt sich sofort und unmittelbar die Rückreaktion an, sodass die Produkte wieder in ihre Ausgangsstoffe zerlegt werden. Durch das Hin- und Herpendeln der Reaktionen gleichen sich die Reaktionsgeschwindigkeiten der Reaktionspartner an, bis nach einer gewissen Zeit ein konstantes Verhältnis dieser entstanden ist.
Merkmale des chemischen Gleichgewichts
- Hin- und Rückreaktion laufen parallel ab, dynamisches Gleichgewicht
- Identische Reaktionsgeschwindigkeit [VHin = VRück]
- Von beiden Seiten einstellbar
- Ausgangsstoffe und Reaktionsprodukte liegen gleichzeitig und in festem Konzentrationsverhältnis vor
- Unvollständiger Stoffumsatz
- Stoffumwandlung nur noch auf Teilchenebene feststellbar aufgrund der gleichbleibenden Stoffkonzentrationen
- Es gilt: CRP/ CAS = konstant
- Katalysatoren beeinflussen die Lage des Gleichgewichts nicht
- Katalysatoren verkürzen die Einstellzeit des Gleichgewichts
Die Einstellung des chemischen Gleichgewichts
Um die Einstellung eines Gleichgewichtes bei einer Reaktion erläutern zu können, sollte Ihnen die Bedeutung hinter dem Wort Reaktionsgeschwindigkeit bewusst sein.
Bei der Reaktionsgeschwindigkeit handelt es sich um die Änderung der Stoffkonzentration in einer bestimmten Zeit. Laufen die Hin- und Rückreaktionen gleichzeitig ab, was typisch für die Gleichgewichtsreaktion ist, so gilt:
A + B ⇔ C + D
VHin = k1 • cA • cB
VRück = k2 • cC • cD
[k = Proportionalitätsfaktor, c = Konzentration]
Und somit gilt Folgendes im chemischen Gleichgewicht:
VHin = VRück, sowie k1 • cA • cB = k2 • cC • cD
Liegt nun eine Reaktion vor, welche in einem geschlossenen System unvollständig abläuft, und darüber hinaus noch umkehrbar ist (Gleichgewichtsreaktion), so hat die Reaktion anfänglich eine hohe Reaktionsgeschwindigkeit, da die Konzentration der Ausgangsstoffe hoch ist. Allmählich verringert sich die Reaktionsgeschwindigkeit der Hinreaktion, da die Stoffkonzentrationen der Edukte stetig abnimmt, während die Rückreaktion an Geschwindigkeit gewinnt, da die Stoffkonzentration der Produkte im Laufe der Reaktion zunimmt.
Dieser Vorgang pendelt so lange hin und her, bis ein Zustand erreicht wird, in dem genauso viele Produkte wie Edukte gebildet werden. In diesem Zustand sind die Geschwindigkeiten der Hin- und Rückreaktion gleich groß, daher scheint die Reaktion zum Stillstand gekommen zu sein. Makroskopisch betrachtet lassen sich keine Änderungen mehr feststellen, die chemischen Umwandlungen finden nur noch auf Teilchenebene statt.
Die Lage des chemischen Gleichgewichtes ist für jede Reaktion spezifisch und gleicht einer Naturkonstante, d.h. man kann sie nicht verändern. Man kann jedoch mit Hilfe von Katalysatoren die Einstellzeit des Gleichgewichts verkürzen.
Diese Einstellzeit ist ebenfalls für jede Reaktion spezifisch, jedoch nur bei konstanten Temperaturverhältnissen. Das Verkürzen der Einstellzeit lässt sich damit erklären, dass die Katalysatoren unter anderem die Fähigkeit besitzen, im aktivierten Zustand mehr „wirksame Zusammenstöße“ zu verursachen, sodass die chemische Reaktion beschleunigt wird.
Das Massenwirkungsgesetz
Das Massenwirkungsgesetz oder kurz das MWG bietet das mathematische Handwerkszeug, um die Lage des chemischen Gleichgewichtes quantitativ beschreiben zu können.
Reagieren mehr als 50 % der Ausgangsstoffe zu Produkten, so liegt das Gleichgewicht eher auf der rechten Seite im Gesamtbild und man spricht von einem rechts liegenden Gleichgewicht.
Voraussetzungen des Massenwirkungsgesetzes
- Geschlossenes oder abgeschlossenes System
- Eingestelltes Gleichgewicht
Berechnung des Massenwirkungsgesetzes
k = Gleichgewichts- oder Massenwirkungskonstante
c = Stoffkonzentration
A, B, C, D = Reaktionspartner bzw. deren Stoffkonzentrationen
a, b, c, d = Stöchiometrische Zahlen, sind der Reaktionsgleichung zu entnehmen
Erläuterung des Massenwirkungsgesetzes
Eine Kernaussage des MWG ist, dass das Verhältnis k der multiplizierten Produktkonzentrationen zu den multiplizierten Eduktkonzentrationen für bestimmte Reaktionen zu festgelegten Bedingungen konstant ist. Daher nennt man den Quotienten K dieser Gleichung auch Gleichgewichts– oder Massenwirkungskonstante.
Allerdings ist zu beachten, dass das MWG nur in verdünnten Lösungen eine strenge Gültigkeit hat. Bei stärker konzentrierten Lösungen ergeben sich durch die Wechselwirkungen zwischen den Teilchen Abweichungen. Beispielsweise können sich die OH-Ionen in starken Basen nicht bewegen, da nicht ausreichend Lösungsmittel für die Ionen vorhanden ist. Das lässt darauf schließen, dass je nach Konzentration die Lage des Gleichgewichts schwankt. Laut dem MWG wird aber gefordert, dass sich im Gleichgewicht immer dieselben Konzentrationen einstellen, weshalb man als „Referenz“ immer verdünnte Lösungen nimmt.
Darüber hinaus hängt die Lage des Gleichgewichts von der Temperatur und gegebenenfalls von den Druckverhältnissen ab. Dazu erhalten Sie weitere Erläuterungen unter dem Punkt „Störungen des chemischen Gleichgewichts“.
Eine große Bedeutung hat die berechnete Gleichgewichtskonstante Kc für eine weitere Berechnung. Auf Grundlage des Wertes von Kc kann die umgesetzte Menge an Edukten beziehungsweise die Ausbeute an Reaktionsprodukten errechnet werden. Kc lässt sich auch aus experimentellen Werten ermitteln.
Störung bzw. Beeinflussung des Gleichgewichtes
Wird ein chemisches Gleichgewicht gestört, dann kommt es zu einer Beschleunigung der Reaktion, welche die Störung wieder behebt bzw. rückgängig macht. Diese Regel ist auch als Prinzip des kleinsten Zwanges oder Prinzip von Le Chatelier bekannt. Mit dem „Zwang“ ist die Störung des Gleichgewichts gemeint, welche dazu führt, dass die Reaktion durch eine Beschleunigung kompensiert werden muss.
Übt man auf ein System im Gleichgewicht einen Zwang aus, so verschiebt sich das System so in Richtung auf eine neue Gleichgewichtslage, dass die Wirkung des Zwangs minimal wird, also am kleinsten ist.
(Formulierung des Gesetzes des kleinsten Zwanges von Le Chatelier)
Diese Störung kann durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden. Wie im vorangegangenen Punkt bereits erwähnt, kann die Lage des Gleichgewichtes durch die Abweichung von Temperatur- und Druckverhältnissen verändert werden. Neben diesen Punkten haben aber ebenso die beteiligten Stoffmengen einen Einfluss.
Um die Art und Weise der ausgelösten Veränderungen durch die verschiedenen Faktoren korrekt darlegen zu können, werden diese nun getrennt voneinander beleuchtet.
Energiezufuhr
Eine Energiezufuhr, z.B. durch Erhitzen, löst eine verstärkte Reaktion „bergauf“ aus. Das bedeutet, dass es zur gesteigerten Eduktbildung bei Reaktionen kommt, welche eigentlich unter „normalen“ Bedingungen vermehrt Produkte bilden und dort ihre Energie speichern.
Das heißt, dass eine Temperaturerhöhung die endotherme Reaktion fördert und dass der Wert Gleichgewichtskonstante sinkt. Analog dazu verhält es sich bei der Energieabnahme bzw. der Temperaturverringerung: Die Lage des Gleichgewichts verschiebt sich verstärkt in Richtung der Produkte und die exotherme Reaktion wird gefördert.
Änderung der Stoffmengen
Es kommt zum Zwecke der „Rettung“ zu folgenden Reaktionen bei Zugabe oder Wegnahme von Reaktionspartnern: [Reaktion: A + B → C + D ]
- Hinzufügen von den Ausgangsstoffen A oder B → gesteigerte Bildung der Reaktionsprodukte C und D
- Zugabe der Produkte C oder D → erhöhte Bildung der Edukte A und B
- Wegnahme von A oder B → verstärktes Entstehen von A oder B
- Wegnahme von C oder D → erhöhte Produktbildung (C, D)
Die Konzentrationserhöhung eines Stoffes fordert dessen Verbrauch und eine Verringerung der Konzentration fördert dessen Nachbildung.
Durch eine Zugabe von Säuren, Basen oder auch Fällungsmitteln kann die Konzentration der Reaktionspartner jedoch auch gestört werden. In einem solchen Fall laufen dann häufig parallel zwei gekoppelte Gleichgewichtsreaktionen ab.
Veränderung der Druckverhältnisse
Handelt es sich bei den beteiligten Stoffen einer Gleichgewichtsreaktion im geschlossenen System um Gase, so kommt es bei einer Änderung des Drucks zu einer Lageveränderung des chemischen Gleichgewichts. Haben die Reaktionspartner einen anderen Aggregatzustand als gasförmig, wird das Gleichgewicht nicht beeinflusst oder verändert. Das hat den Hintergrund, dass die Volumenänderungen bei Reaktionen mit nicht gasförmigen Stoffen so gering ist, dass die Abhängigkeit der Gleichgewichtslage vom Druck zu vernachlässigen ist.
Kommt es zu einer Druckerhöhung bei Reaktionen, welche unter Volumenabnahme erfolgen, verschiebt sich das chemische Gleichgewicht zugunsten der Produkte. Die Drucksteigerung bei einer Reaktion, die unter Volumenzunahme abläuft, führt hingegen zu einer Lageveränderung des Gleichgewichts in Richtung der Ausgangsstoffe.
Eine Abnahme des Drucks fördert die Reaktion, die unter Volumenzunahme erfolgt.
Beliebte Prüfungsfragen zum chemischen Gleichgewicht
Die Antworten befinden sich unterhalb der Quellenangabe.
1. Vervollständigen Sie den folgenden Satzbeginn: Im chemischen Gleichgewicht…
- …laufen die Reaktionen in heterogenen Lösungen ab.
- ….liegen genauso viele Edukte wie Produkte vor.
- …laufen die Hin- und die Rückreaktion zeitlich versetzt ab.
- …ist die Reaktion zum Stillstand gekommen, was bedeutet, dass kein Stoffumsatz mehr stattfindet.
- …laufen die Hin- und die Rückreaktion mit gleicher Geschwindigkeit ab.
2. Welche Aussage ist bezüglich des Massenwirkungsgesetzes korrekt?
- Das MWG dient der quantitativen Beschreibung der Lage des chemischen Gleichgewichtes.
- Zwingende Voraussetzung für die Gültigkeit des MWGs sind ein eingestelltes Gleichgewicht sowie ein offenes System.
- Die stöchiometrischen Zahlen sind bei der Berechnung zu vernachlässigen, da deren Auswirkung zu minimal auf die Lage des Gleichgewichtes sind.
- Das MWG hat nur bei reinen, unverdünnten Lösungen strenge Gültigkeit.
- Mittels der Gleichgewichtskonstante KC lässt sich die Reaktionsgeschwindigkeit ermitteln.
3. Das chemische Gleichgewicht kann durch verschiedene Faktoren gestört werden. Welcher der folgenden Äußerungen können Sie diesbezüglich nicht zustimmen?
- Eine Temperaturerhöhung fördert die endotherme Reaktion und lässt den Wert der Gleichgewichtskonstanten sinken.
- Fügt man einer Reaktion, welche sich im Gleichgewicht befindet, zusätzlich Ausgangsstoffe hinzu, kommt es zu einer vermehrten Bildung von Reaktionsprodukten.
- Entnimmt man einer Reaktion in diesem Zustand Ausgangsstoffe, erhöht man die Bildung bzw. die Ausbeute an Produkten.
- Eine Abnahme des Drucks fördert die Reaktion, die unter Volumenzunahme erfolgt.
- Erhöht man den Druck bei Reaktionen, die unter Volumenabnahme reagieren, verschiebt sich die Gleichgewichtslage in Richtung der Produkte.
Quellen
Mark Buchta, Andreas Sönnichsen (Hrsg.): Das Physikum, Urban & Fischer, 2. Auflage 2010
Prof. Dr. Erhard Kemnitz, Dr. Rüdiger Simon (Hrsg.): Duden – Basiswissen Schule Chemie, Dudenverlag, 3. Auflage 2011
Lösungen: Reaktionsgeschwindigkeit und chemisches Gleichgewicht via hw.grehoen-design.de
Chemisches Gleichgewicht via chemie.de
Chemisches Gleichgewicht via seilnacht.com
Das Prinzip von Le Chatelier: Gleichgewichte lassen sich verschieben via chemieunterricht.de
Lösungen zu den Prüfungsfragen: 1E, 2A, 3C
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