Interessenkonflikt

Überblick

Definition

Interessenkonflikte im medizinischen Kontext beschreiben Situationen, in denen die Fähigkeit ärztlichem Personals, im besten Interesse der Patient*innen zu handeln, durch eine externe Beziehung zu einer Person, einer Gruppe oder einem Unternehmen beeinflusst wird.

Zugrundeliegende ethische Grundsätze

• Vertrauen: Das Wohl der Patient*innen ist dem ärztlichen Personal und/oder der Institution anvertraut; ein Interessenkonflikt verletzt das Vertrauen, indem er die Interessen einer anderen Partei über die Interessen der Patient*innen stellt.
• Ehrlichkeit gegenüber Patient*innen: die Ehrlichkeit/Treue einer Person zu einer anderen

Wie Interessenkonflikte entstehen

Ein Interessenkonflikt entsteht am häufigsten in der Medizin, wenn Ärzt*innen das Potenzial für einen finanziellen Gewinn sehen. Der Konflikt kann auftreten durch:

• Eine Beziehung (entweder persönlich oder beruflich) zu Arzneimittel- oder Medizinproduktherstellern:
  • Entwicklung oder Erfindung von neue Medikamenten oder Medizinprodukten
  • Investition in Arzneimittel- oder Biotechnologieunternehmen oder bestimmte Behandlungseinrichtungen durch Ärzt*innen
• Besitz der Test- oder Behandlungseinheit
• Beteiligung an von der Industrie geförderter Forschung:
  • Forschung erfordert Finanzierung: Die Finanzierungsquelle kann zu Verzerrungen innerhalb der Studie führen.
  • Forschungsaktivitäten beeinflusst durch die Vergütung von Arbeitgeber*innen oder Industriesponsor*innen
  • Entschädigung der Ärzt*innen für die Aufnahme von Patient*innen in klinische Studien → Auswirkung auf die Teilnahmebereitschaft der Patient*innen

Beispiele für äußere Einflüsse

Viele äußere Einflüsse können einen Interessenkonflikt darstellen, einschließlich des Potenzials für:

• Finanzieller Gewinn (am häufigsten):
  • 43 % der Forschenden haben Geschenke, freiwillige Finanzierung und/oder Beratungshonorare erhalten.
  • Fast 33 % der Forschenden haben persönliche finanzielle Verbindungen zu Sponsor*innen aus der Industrie.
• Berufliche Anerkennung und Förderung
• Erfolgreiche Akquisition von Forschungsgeldern: 23 – 28 % der wissenschaftlichen Forscher*innen haben Fördermittel aus der Industrie erhalten.
• Wissensdurst (zulasten der Patient*innen)
• Politische Implikationen (z.B. persönliche Werte, Zugehörigkeit, politische Agenda)

Positionen, in denen Interessenkonflikte auftreten können

• Ärzt*innen/Einzelforschende, insbesondere bei:
  • Langjährige Beziehungen zu Pharmaunternehmen
  • Bedeutende finanzielle Beziehungen zu den beteiligten Parteien
• Personen mit Beteiligung an der klinischen Forschung
• Herausgeber und Gutachter von Zeitschriften
• Fakultätsmitglieder, Kurator*innen und Lehrstuhlinhabende

Folgen von Interessenkonflikten

Die Folgen von Interessenkonflikten können erhebliche Auswirkungen sowohl auf die Patient*innenversorgung als auch auf die Forschungsergebnisse haben.

Medizinische Versorgung und medizinische Ausbildung

• Verschreibung neuerer und/oder teurerer Medikamente, Geräte oder Verfahren ohne klaren Vorteil gegenüber älteren/generischen Alternativen:
  • Ggf. unbeabsichtigt von ärztlicher Seite und das Ergebnis einer hochwirksamen Marketing-/Beeinflussungsaktivität auf unbewusster Ebene
• Überweisung an spezifische Test- oder Behandlungszentren (möglicherweise nicht die beste Option für die Betroffenen):
  • Studien zeigen, dass mehr Tests angeordnet werden, wenn Ärzt*innen oder die Praxis das Labor oder die Bildgebungsgeräte besitzen.
• Voreingenommene Ausbildung von Medizinstudierenden und Assistenzärzt*innen

Forschung

Interessenkonflikte können Folgendes zur Folge haben:

• Verzerrte Studienergebnisse zugunsten des Sponsorprodukts
• Studiendesigns mit Begünstigung positiver Schlussfolgerungen
• Veröffentlichungsverzögerungen
• Rohdaten- und Interpretationsmanipulation:
  • Datenlöschung, Zurückhaltung und/oder Optimierung
  • Kompromisse bei der internen Validität (z.B. nicht berücksichtigte Störfaktoren, unzureichende Kontrolle anderer Variablen)

Lösungen, Offenlegungen, Limitierung und Finanzierung

• Limitierung: Einschränkung der Verbindungen zur Industrie von Seiten der Forschenden:
  • Limitierung der unbewussten Voreingenommenheit bei der Verschreibung/Bezugnahme von Mustern
  • Zusammenarbeit mit unparteiischen Institutionen (z.B. Universitäten oder Regierungsbehörden)
  • Vorzug der Förderung aus Hochschul- oder staatlichen Zuschüssen anstatt uneingeschränkten Industriespenden
• Offenlegungen: Forschende sind verpflichtet, Sponsoren und/oder finanzielle Verbindungen offenzulegen:
  • Umfasst alle Präsentationen, Kurse und/oder Manuskripte der Veröffentlichung
  • Verschiedene Zeitschriften haben unterschiedliche Richtlinien in Bezug auf externe Verbindungen (einige lehnen Arbeiten von Autor*innen mit potenziell widersprüchlichen Interessen ab).
  • Offenlegen der Finanzierungsquellen vor der Veröffentlichung
• Bedeutung:
  • Möglichkeit der Leser*innen/Lernenden potenzielle Verzerrungen zu erkennen und zu bewerten
  • Berücksichtigung aller potenziellen Verzerrungen