Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter

Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter

Im Zivilrecht gibt es Rechtskonstruktionen, die sich nicht auf den ersten Blick aus dem Gesetz ableiten lassen. Eine dieser Konstruktionen ist der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (VSzD). Da man den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nicht aus dem Gesetz erkennen kann, ist es umso wichtiger, dessen typische Fälle zu kennen.
Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
Lecturio Redaktion

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23.02.2024

Inhalt

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I. Hintergrund des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter

Wie der Name erahnen lässt, geht es bei dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter um die Ansprüche eines Dritten. Genauer gesagt, um Schadensersatzansprüche eines Dritten.

Diese sind durch zwei Umstände eingeschränkt:

  1. Verträge gelten grundsätzlich nur zwischen den Vertragsparteien, sog. Relativität der Schuldverhältnisse.
  2. Der deliktische Schadensersatzanspruch schützt keine reinen Vermögensschäden.

Dazu kommt erschwerend hinzu, dass der deliktische Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB eine für den Geschädigten ungünstigere Beweisregel enthält: während bei den vertraglichen Schadensersatzansprüchen das Verschulden vermutet wird, muss es bei § 823 Abs. 1 BGB nachgewiesen werden.

Das ergibt sich aus dem Wortlaut des § 280 Abs. 1 BGB im Vergleich zum § 823 Abs. 1 BGB:

§ 280 Abs. 1 BGB:

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

§ 823 BGB:

(2)Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

Diese beiden Umstände führen zu der Misere, dass der Dritte bei Schadensersatz ziemlich schlecht da steht, sobald er keine Vertragsbeziehung zu dem Schädiger hat. Um diesen „Effekt“ abzumildern, wurde das Konstrukt des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter geschaffen.

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Bei der dogmatischen Herleitung gibt es mehrere Meinungen. Die Rechtsprechung leitet den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter aus den Regelungen zum Vertrag zugunsten Dritter in §§ 328 ff. BGB ab. Letztlich ist diese Konstruktion wohl ein reines Billigkeitsinstrument.

Vertrag mit Schutzwirkung
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II. Voraussetzungen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter

1. Leistungsnähe des Dritten

Der Dritte muss zunächst eine gewisse Leistungsnähe haben.

Das ist nach der Rechtsprechung immer dann der Fall, wenn der Dritte bestimmungsgemäß mit der Leistung in Berührung kommt und den Gefahren des Vertrages ebenso ausgesetzt ist wie der Gläubiger selbst.

Bsp.: Mietet eine Mutter mit ihrem kleinen Sohn ein Hotelzimmer, so kommt der Sohn mit dem defekten Balkongeländer ebenso in Berührung wie seine Mutter als Vertragspartnerin.

2. Gläubigernähe

Der Gläubiger muss zudem ein Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Vertrag haben. Nach früherer Rechtsprechung war dies zu bejahen, wenn der Gläubiger für das „Wohl und Wehe“ des Dritten (mit-)verantwortlich ist. Dieses Kriterium wurde inzwischen erweitert.

Die Gläubigernähe des Dritten liegt auch dann schon vor, wenn ein besonderes Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung besteht, etwa weil die Leistung des Schuldners auch dem Dritten zugutekommen soll.

Gläubigernähe
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Eine „Musterlösung“ gibt es hier nicht. Bei der Gläubigernähe kommt es ganz besonders auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls an.

3. Erkennbarkeit für den Schuldner

Dieses Einbeziehungsinteresse des Gläubigers müsste für den Schuldner auch erkennbar sein. Es kann ihm nämlich nicht zugemutet werden, dass sein Haftungsrisiko aus dem Vertrag mit dem Gläubiger auf einen ihm unbekannten und nicht ermittelbaren Personenkreis erweitert wird.

Erkennbarkeit für den Schuldner
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4. Schutzbedürftigkeit des Dritten

Schließlich müsste der Dritte auch besonders schutzbedürftig sein, um in den Vertrag mit einbezogen werden zu können. Dies ist dann zu bejahen, wenn er selbst keine gleichwertigen Ansprüche gegen den Schuldner hat.

Gleichwertige Ansprüche sind nur vertragliche Ansprüche gegen den Schuldner, nicht jedoch der deliktische Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB. Denn dieser ist für den Geschädigten oftmals in mehrerlei Hinsicht unbefriedigend (siehe oben).

III. Rechtsfolgen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter

Liegen die Voraussetzungen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vor, so hat der Dritte gegen den Schuldner einen Anspruch auf Schadensersatz.

Gemeint ist damit der Schadensersatzanspruch neben der Leistung. Ein Schadensersatz statt der Leistung kommt deshalb nicht in Betracht, weil der Dritte keinen primären Leistungsanspruch gegen den Schuldner hat [Klassiker: BGHZ 66, 51].

Rechtsfolgen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
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Simon Veiser

Simon Veiser beschäftigt sich seit 2010 nicht nur theoretisch mit IT Service Management und ITIL, sondern auch als leidenschaftlicher Berater und Trainer. In unterschiedlichsten Projekten definierte, implementierte und optimierte er erfolgreiche IT Service Management Systeme. Dabei unterstützte er das organisatorische Change Management als zentralen Erfolgsfaktor in IT-Projekten. Simon Veiser ist ausgebildeter Trainer (CompTIA CTT+) und absolvierte die Zertifizierungen zum ITIL v3 Expert und ITIL 4 Managing Professional.

Dr. Frank Stummer

Dr. Frank Stummer ist Gründer und CEO der Digital Forensics GmbH und seit vielen Jahren insbesondere im Bereich der forensischen Netzwerkverkehrsanalyse tätig. Er ist Mitgründer mehrerer Unternehmen im Hochtechnologiebereich, u.a. der ipoque GmbH und der Adyton Systems AG, die beide von einem Konzern akquiriert wurden, sowie der Rhebo GmbH, einem Unternehmen für IT-Sicherheit und Netzwerküberwachung im Bereich Industrie 4.0 und IoT. Zuvor arbeitete er als Unternehmensberater für internationale Großkonzerne. Frank Stummer studierte Betriebswirtschaft an der TU Bergakademie Freiberg und promovierte am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.

Sobair Barak

Sobair Barak hat einen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert und hat sich anschließend an der Harvard Business School weitergebildet. Heute ist er in einer Management-Position tätig und hat bereits diverse berufliche Auszeichnungen erhalten. Es ist seine persönliche Mission, in seinen Kursen besonders praxisrelevantes Wissen zu vermitteln, welches im täglichen Arbeits- und Geschäftsalltag von Nutzen ist.

Wolfgang A. Erharter

Wolfgang A. Erharter ist Managementtrainer, Organisationsberater, Musiker und Buchautor. Er begleitet seit über 15 Jahren Unternehmen, Führungskräfte und Start-ups. Daneben hält er Vorträge auf Kongressen und Vorlesungen in MBA-Programmen. 2012 ist sein Buch „Kreativität gibt es nicht“ erschienen, in dem er mit gängigen Mythen aufräumt und seine „Logik des Schaffens“ darlegt. Seine Vorträge gestaltet er musikalisch mit seiner Geige.

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Holger Wöltje ist Diplom-Ingenieur (BA) für Informationstechnik und mehrfacher Bestseller-Autor. Seit 1996 hat er über 15.800 Anwendern in Seminaren und Work-shops geholfen, die moderne Technik produktiver einzusetzen. Seit 2001 ist Holger Wöltje selbstständiger Berater und Vortragsredner. Er unterstützt die Mitarbeiter von mittelständischen Firmen und Fortune-Global-500- sowie DAX-30-Unternehmen dabei, ihren Arbeitsstil zu optimieren und zeigt Outlook-, OneNote- und SharePoint-Nutzern, wie sie ihre Termine, Aufgaben und E-Mails in den Griff bekommen, alle wichtigen Infos immer elektronisch parat haben, im Team effektiv zusammenarbeiten, mit moderner Technik produktiver arbeiten und mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen.

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Frank Eilers ist Keynote Speaker zu den Zukunftsthemen Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Er betreibt seit mehreren Jahren den Podcast „Arbeitsphilosophen“ und übersetzt komplexe Zukunftsthemen für ein breites Publikum. Als ehemaliger Stand-up Comedian bringt Eilers eine ordentliche Portion Humor und Lockerheit mit. 2017 wurde er für seine Arbeit mit dem Coaching Award ausgezeichnet.

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Yasmin Kardi ist zertifizierter Scrum Master, Product Owner und Agile Coach und berät neben ihrer Rolle als Product Owner Teams und das höhere Management zu den Themen agile Methoden, Design Thinking, OKR, Scrum, hybrides Projektmanagement und Change Management.. Zu ihrer Kernkompetenz gehört es u.a. internationale Projekte auszusteuern, die sich vor allem auf Produkt-, Business Model Innovation und dem Aufbau von Sales-Strategien fokussieren.

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Leon Chaudhari ist ein gefragter Marketingexperte, Inhaber mehrerer Unternehmen im Kreativ- und E-Learning-Bereich und Trainer für Marketingagenturen, KMUs und Personal Brands. Er unterstützt seine Kunden vor allem in den Bereichen digitales Marketing, Unternehmensgründung, Kundenakquise, Automatisierung und Chat Bot Programmierung. Seit nun bereits sechs Jahren unterrichtet er online und gründete im Jahr 2017 die „MyTeachingHero“ Akademie.

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Als akkreditierter Trainer für PRINCE2® und weitere international anerkannte Methoden im Projekt- und Portfoliomanagement gibt Andreas Ellenberger seit Jahren sein Methodenwissen mit viel Bezug zur praktischen Umsetzung weiter. In seinen Präsenztrainings geht er konkret auf die Situation der Teilnehmer ein und erarbeitet gemeinsam Lösungsansätze für die eigene Praxis auf Basis der Theorie, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Da ihm dies am Herzen liegt, steht er für Telefoncoachings und Prüfungen einzelner Unterlagen bzgl. der Anwendung gern zur Verfügung.

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Zach Davis ist studierter Betriebswirt und Experte für Zeitintelligenz und Zukunftsfähigkeit. Als Unternehmens-Coach hat er einen tiefen Einblick in über 80 verschiedene Branchen erhalten. Er wurde 2011 als Vortragsredner des Jahres ausgezeichnet und ist bis heute als Speaker gefragt. Außerdem ist Zach Davis Autor von acht Büchern und Gründer des Trainingsinstituts Peoplebuilding.

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Wladislaw Jachtchenko ist mehrfach ausgezeichneter Experte, TOP-Speaker in Europa und gefragter Business Coach. Er hält Vorträge, trainiert und coacht seit 2007 Politiker, Führungskräfte und Mitarbeiter namhafter Unternehmen wie Allianz, BMW, Pro7, Westwing, 3M und viele andere – sowohl offline in Präsenztrainings als auch online in seiner Argumentorik Online-Akademie mit bereits über 52.000 Teilnehmern. Er vermittelt seinen Kunden nicht nur Tools professioneller Rhetorik, sondern auch effektive Überzeugungstechniken, Methoden für erfolgreiches Verhandeln, professionelles Konfliktmanagement und Techniken für effektives Leadership.

Alexander Plath

Alexander Plath ist seit über 30 Jahren im Verkauf und Vertrieb aktiv und hat in dieser Zeit alle Stationen vom Verkäufer bis zum Direktor Vertrieb Ausland und Mediensprecher eines multinationalen Unternehmens durchlaufen. Seit mehr als 20 Jahren coacht er Führungskräfte und Verkäufer*innen und ist ein gefragter Trainer und Referent im In- und Ausland, der vor allem mit hoher Praxisnähe, Humor und Begeisterung überzeugt.