Das Deliktsrecht (Recht der unerlaubten Handlung) regelt den Ausgleich für Schäden, die eine Person einer anderen widerrechtlich zufügt. Wichtig ist hier insbesondere die Norm des § 823 BGB, da diese in fast jeder Klausur und auch im Examen geprüft werden muss. Der Folgende Artikel verschafft einen ausführlichen Überblick über das Prüfungsschema und die Voraussetzungen von § 823 Abs. 1 BGB sowie § 823 Abs. 2 BGB.
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I. Allgemeines zu § 823 Abs. 1 BGB

§ 823 Abs. 1 BGB:

Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

Das Deliktsrecht (Recht der unerlaubten Handlung) regelt somit den Ausgleich für Schäden die eine Person einer anderen widerrechtlich zufügt.

Beispiel: B fährt beim Einparken unachtsam gegen das stehende Auto des A. Für die Reparatur des Autos entstehen Kosten in Höhe von 1.500 €.


§ 823 BGB

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A hat wegen der widerrechtlichen Eigentumsschädigung einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 1 BGB gegen B.

1. § 823 BGB Schema: Recht der unerlaubten Handlung

Das Schema des § 823 BGB ist die Grundlage für eine ordnungsgemäße und übersichtliche Prüfung.

Prüfungsschema, § 823 Abs. 1 BGB:

  • I. Haftungsbegründender Tatbestand
    • 1. Rechtsgutverletzung
    • 2. Verletzungshandlung
    • 3. Haftungsbegründende Kausalität
  • II. Rechtswidrigkeit
  • III. Verschulden
  • IV. Schadensersatz
    • 1. Schaden
    • 2. Haftungsausfüllende Kausalität

Im Folgenden sollen die einzelnen Tatbestandsmerkmale des Schema genauer beleuchtet werden.

1. Rechtsgutverletzung, § 823 Abs. 1 BGB

Das Gesetz unterscheidet in § 823 Abs. 1 BGB zwischen Rechtsgütern und Rechten.
Rechtsgüter sind Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit, also fest mit der Person verbunden. Zu den Rechten zählen das Eigentum und die sonstige Rechte.

a) Leben

Definition: Verletzung des Lebens bedeutet die Tötung eines Menschen beziehungsweise Vernichtung der psychischen Existenz.

Zur Geltung von Schadensersatzansprüchen sind nur bestimmte mittelbar Geschädigte berechtigt, § 844 BGB.


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b) Körper

Definition: Verletzung des Körpers ist jeder äußere Eingriff in die körperliche Unversehrtheit.

Hierbei ist zu beachten, dass eine Einwilligung möglich ist. Problematisch ist auch, ob die ärztliche Heilbehandlung eine Körperverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB darstellt. Die Rechtsgutverletzung wird dabei zunächst bejaht und später im Rahmen der Rechtswidrigkeit und der möglichen Einwilligung ausführlich diskutiert, als Argument nennt der BGH das Selbstbestimmungsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG.


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c) Gesundheit

Definition: Unter Verletzung der Gesundheit ist jede Störung der inneren Lebensvorgänge  zu verstehen.

Von diesem Rechtsgut wird auch der noch nicht geborene Mensch umfasst.


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d) Freiheit

Definition: Verletzung der Freiheit stellt die Beeinträchtigung der körperlichen Bewegungsfreiheit dar.

Jedoch begründet nicht jede Beeinträchtigung der Willens- und Entschlussfreiheit eine Schadensersatzpflicht.


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e) Eigentum

Definition: Das Eigentum ist verletzt, wenn jemand die dem Eigentümer durch § 903 BGB zustehenden Befugnisse beeinträchtigt.

Hier runter fallen: Wegnehmen, Zerstören, dauernd oder zeitweilig Entziehen, Gebrauchsbeeinträchtigung und vertragswidrige Verwendung.


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f) sonstige Rechte

Schließlich werden auch noch die sonstigen Rechte von § 823 Abs. 1 BGB geschützt. Hier runter fallen unteranderem das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und das allgemeine Persönlichkeitsrecht.


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aa) Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb

Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb erfasst alles, was den wirtschaftlichen Wert des Unternehmens ausmacht, auch Kundenstamm und Ruf. Der Eingriff muss betriebsbezogen sein, sich also unmittelbar gegen das Unternehmen richten. Zudem ist das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb streng subsidiär.

Tipp: Möchtest du mehr zum eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB wissen, dann lese hier weiter.
bb) Allgemeines Persönlichkeitsrecht

Unter dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ist das grundsätzliche und umfassende Recht eines Menschen auf Achtung und Entfaltung der eigenen Persönlichkeit zu verstehen. Es schützt vor beleidigenden Werturteilen und unwahren Tatsachenbehauptungen sowie Eingriffen in die Privatsphäre.

Tipp: Für weitere Ausführungen zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB empfehlen wir diesen Artikel.

2. Verletzungshandlung, § 823 Abs. 1 BGB

Die Verletzungshandlung des Anspruchsgegners kann ein pflichtwidriges Tun oder Unterlassen sein. Jemand muss durch seine Handlung eines der in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsgüter oder Rechte eines anderen verletzt haben. Dabei muss im Rahmen des Unterlassens auch die Garantenpflicht diskutiert und bejaht werden, um eine Verletzungshandlung anzunehmen.

Definition: als Handlung ist jedes menschliche Verhalten zu verstehen, sofern es vom Willen beherrschbar ist.

Jede Handlung scheidet aus, bei der eine Bewusstseinskontrolle und deshalb eine Willenslenkung nicht möglich ist. Dies ist zum Beispiel bei Bewusstlosigkeit, Schlaf und Reflexen der Fall.

Tipp: Zu weiteren Ausführungen bezüglich der Verletzungshandlung und der Rechtsgutverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB schau dir dieses kostenlose Video an.

3. Haftungsbegründende Kausalität, § 823 Abs. 1 BGB

Das Verhalten (auch Unterlassen) des Anspruchsgegners muss die Rechtsgutverletzung in zurechenbarer Weise verursacht haben.

Definition: Als Haftungsbegründende Kausalität bezeichnet man den Ursachenzusammenhang zwischen der pflichtwidrigen Handlung und der Rechtsgutverletzung.

Beispiel: Der Schlag mit der Faust muss ursächlich für den Bruch der Nase sein. Oder der Wurf mit dem Stein muss ursächlich für die zerbrochene Nase sein.

Tipp: Für speziellere Ausführungen zur Kausalität und objektiven Zurechnung des § 823 Abs. 1 BGB empfehlen wir dieses Video.

Die Kausalität teilt sich in Äquivalenztheorie, Adäquanztheorie (Schutzzweck der Norm) und Zurechenbarkeit auf. Im Schutzzweck der Norm sind auch die sogenannten „Herausforderungsfälle“ angesiedelt.

Tipp: Zur haftungsbegründenden Kausalität und den Herausforderungsfällen lies hier weiter!

4. Rechtswidrigkeit, § 823 Abs. 1 BGB

Rechtswidrigkeit im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB meint eine widerrechtliche (Vereltzungs-)Handlung durch einen Schädiger.

Problematisch ist die Anknüpfung der Rechtswidrigkeit:

    • Lehre vom Erfolgsunrecht: Rechtswidrigkeit durch Rechtsgutverletzung indiziert. Führt das Verhalten zu einer Rechtsgutverletzung, muss die Rechtswidrigkeit nicht mehr positiv festgestellt werden. Ausnahme: Rechtfertigungsgründe
    • Lehre vom Handlungsunrecht: Rechtswidrigkeit ist immer für den Einzelfall festzustellen. Es muss positiv festgestellt werden, dass der Schädiger die ihm obliegende Sorgfaltspflicht verletzt hat.

Wenn feststeht, dass die Rechtsgutverletzung dem Schädiger zurechenbar ist, dann wird die Rechtswidrigkeit indiziert.

Rechtfertigungsgründe:


§ 823 BGB

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Auch die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag kann ein Rechtfertigungsgrund sein sowie auch die Einwilligung des Geschädigten die Rechtswidrigkeit der Handlung entfallen lassen kann.

5. Verschulden, § 823 Abs. 1 BGB

Nach § 823 Abs. 1 BGB haftet, wer vorsätzlich oder fahrlässig handelt.


§ 823 BGB

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Schuldhaft kann somit nur derjenige handeln, der auch verschuldensfähig (deliktsfähig) ist. Nach § 827 S. 1 BGB handelt daher nicht verantwortlich, wer im Zustand der Bewusstlosigkeit oder im Zustand krankhafter Geistesstörung einem anderen einen Schaden zufügt.

§ 828 BGB regelt die Deliktsfähigkeit bei Minderjährigen.


§ 823 BGB

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Tipp: schau dir auch dieses Video zur Rechtswidrigkeit und Verschulden im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB an.

6. Schadensersatz, § 823 Abs. 1 BGB: Schaden und haftungsausfüllende Kausalität

Letztlich muss der haftungsausfüllende Tatbestand geprüft werden. Diesen bildet ein ersatzfähiger Schaden und die haftungsausfüllende Kausalität.

Definition: Ein Schaden ist jede unfreiwillige Beeinträchtigung vermögenswerter und ideeller Interessen.

Ein Vermögensschaden liegt vor, wenn der Vergleich der tatsächlichen mit der hypothetischen Gesamtvermögenslage ergibt, dass der Geschädigte einen in Geld messbaren Nachteil erlangt hat.

Nach dem Kommerzialisierungsgedanken haben zunächst alle Güter einen in Geld messbaren Wert. Dabei kommt es erheblich auf die Verkehrsauffassung an.


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Der Schaden wird nach der Differenzhypothese berechnet. Das Vorliegen eines Schadens ist durch den Vergleich der tatsächlichen Lage mit der hypothetischen Lage ohne schädigende Ereignisse zu ermitteln.


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Grundprinzipien der Differenzhypothese:

  • Grundsatz der Totalreparation: nicht nur die unmittelbar entstandenen Schäden sondern auch die Folgeschäden sind zu ersetzten
  • Bereicherungsverbot: Der Geschädigte soll nicht besser gestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stehen würde. Er muss sich Vorteile grundsätzlich anrechnen lassen.

Des Weiteren muss der Schaden dem Schädiger auch zurechenbar sein. Dies bestimmte sich nach der haftungsausfüllenden Kausalität.

Merke: Der Schaden ist zurechenbar, wenn er gerade deshalb entstanden ist, weil der Schädiger ein Rechtsgut des Geschädigten verletzt hat. An einem zurechenbaren Schaden fehlt es, wenn sich lediglich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht hat.

Arten und Umfang des Schadensersatzes: 


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Tipp: klicke hier um ein Video zu weiteren Ausführungen des Schadens und der Rechtsfolgen bei § 823 Abs. 1 BGB anzuschauen.

II. § 823 Abs. 2 BGB

§ 823 Abs. 2 BGB:

Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Schadensersatzpflichtig macht sich auch derjenige, der rechtswidrig und schuldhaft gegen ein Schutzgesetz verstößt und so einen Schaden verursacht.


§ 823 BGB

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1. Schema, § 823 Abs. 2 BGB

Das Prüfungsschema des § 823 Abs. 2 BGB unterscheidet sich wesentlich vom Schema des § 823 Abs. 1 BGB.

Prüfungsschema, § 823 Abs. 2 BGB:

  • I. Tatbestand
    • 1. Schutzgesetz
    • 2. Verstoß gegen ein Schutzgesetz
  • II. Rechtswidrigkeit
  • III. Schaden

2. Voraussetzungen, § 823 Abs. 2 BGB

Die Voraussetzungen des Prüfungsschemas des § 823 Abs. 2 BGB werden nun im Einzelnen beleuchtet.

Definition: Ein Schutzgesetz ist jede Rechtsnorm, die zumindest auch Individualrechtsgüter und Interessen schützen soll.


§ 823 BGB

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Beispiele: verbotene Eigenmacht, Pflichten im Straßenverkehr, Hausfriedensbruch, Unfallflucht, Körperverletzung, Halten gefährlicher Tiere

Der Schädiger muss gegen ein Schutzgesetz verstoßen haben.

  • Verbotsnormen: Schädiger nimmt eine verbotene Handlung vor oder führt einen rechtlich missbilligten Erfolg herbei
  • Gebotsnorm: Schädiger unterlässt eine gebotene Handlung

Die Verletzung eines Schutzgesetztes führt jedoch nur zu einer Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB, wenn der konkrete Schadensfall vom Schutzbereich der Norm umfasst ist.

Durch die Erfüllung des Tatbestandes der Schutznorm wird zugleich die Rechtswidrigkeit indiziert. Dieser entfällt (wie oben bei § 823 Abs. 1 BGB) bei Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes.

Zudem muss der Schädiger die Schutzgesetzverletzung zu verschulden haben.


§ 823 BGB

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Nach § 823 Abs. 2 BGB ist der kausal durch die Schutzgesetzverletzung verursachte Schaden zu ersetzten, wobei der konkrete Schaden vom sachlichen Schutzbereich der Norm umfasst sein muss.

Tipp: Für weitergehende Ausführungen zu § 823 Abs. 2 BGB schau dir dieses Video an.



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