
Bild von DDP
Inhaltsverzeichnis
- Allgemeines zum Mord, § 211 StGB
- Schema: Mord, § 211 StGB
- Die Mordmerkmale im Überblick, § 211 StGB
- I. Täterbezogene Mordmerkmale: Gruppe 1
- II. Tatbezogene Mordmerkmale: Gruppe 2
- III. Täterbezogene Mordmerkmale: Gruppe 3
- In unserem kostenlosen eBook finden Sie die einzelnen Irrtümer anhand geeigneter Beispielfälle Schritt für Schritt erläutert:✔ Irrtümer auf Tatbestandsebene✔ Irrtümer auf Ebene der Rechtswidrigkeit✔ Irrtümer auf Ebene der Schuld✔ Irrtümer über persönliche Strafausschließungsgründe
Allgemeines zum Mord, § 211 StGB
Geschütztes Rechtsgut des § 211 StGB ist das menschliche Leben. Somit kommt als Tatobjekt auch nur ein anderer Mensch in Betracht – ein Suizid ist mithin straflos.
Das strafrechtliche Menschsein beginnt mit dem Eintritt der Eröffnungswehen (vgl. BGHSt 2, 194). Das menschliche Leben endet mit dem sog. Gesamthirntod, d.h. dem Ausfall von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm.
Schema: Mord, § 211 StGB
- I. Tatbestandsmäßigkeit
- 1. Objektiver Tatbestand
- a) Tatobjekt: Anderer Mensch
- b) Tathandlung: Töten
- c) Kausalität und objektive Zurechnung
- d) tatbezogene Mordmerkmale (2. Gruppe): Heimtücke, Grausam und Mit gemeingefährlichen Mitteln
- 2. Subjektiver Tatbestand
- a) Vorsatz bzgl. der Verursachung des Todes eines anderen Menschen
- b) Vorsatz bzgl. der tatbezogenen Mordmerkmale
- c) täterbezogene Mordmerkmale (3. Gruppe): Um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken
- d) täterbezogene Mordmerkmal (1.Gruppe): Mordlust, Zur Befriedigung des Geschlechtstriebes, Habgier und sonstige niedrige Beweggründe
- II. Rechtswidrigkeit und Schuld
Die Mordmerkmale im Überblick, § 211 StGB
Die Mordmerkmale des § 211 Abs. 2 StGB sind in drei Gruppen einzuordnen. Dies ergibt sich bereits aus der Aufteilung im Gesetz und ist relevant für den Prüfungsaufbau und die Anwendbarkeit des § 28 StGB. § 211 Abs. 2 StGB:
Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.
- Die Mordmerkmale der ersten Gruppe umfassen Merkmale mit einem verwerflichen Beweggrund.
- Die Mordmerkmale der zweite Gruppe beziehen sich auf die verwerfliche Begehungsweise.
- DieMordmerkmale der dritten Gruppe beziehen sich auf den verwerflichen Zweck.
Dabei ist bereits erkennbar, dass sich die Mordmerkmale (§ 211 StGB) der ersten und dritten Gruppe mit täterbezogenen Mordmerkmalen auseinandersetzen, die Mordmerkmale der zweiten Gruppe mit tatbezogenen Mordmerkmalen.
Bei den Mordmerkmalen (§ 211 StGB) der ersten und dritten Gruppe geht es dementsprechend um persönliche Mordmerkmale, die im Prüfungsaufbau im subjektiven Tatbestand zu verorten sind.
Bei den Mordmerkmalen (§ 211 StGB) der zweiten Gruppe handelt es sich um objektive Tatbestandsmerkmale, die die Art und Weise der Begehung näher beschreiben, im objektiven Tatbestand zu prüfen sind und vom Vorsatz umfasst sein müssen (S-O-S Merksatz).
I. Täterbezogene Mordmerkmale: Gruppe 1
1. Mordmerkmal: Mordlust
Es muss sich als eine grundsätzliche Missachtung des höchsten Rechtsguts Leben darstellen und dolus directus 1. Grades vorliegen. Typisch ist ein Handeln aus Langeweile, Mutwillen, Angeberei oder zum „sportlichen Vergnügen“ – entscheidend ist, dass ohne einen Tatanlass getötet wird.
2. Mordmerkmal: Zur Befriedigung des Geschlechtstriebs
Maßgeblich ist, dass das Opfer gerade die Person ist, auf die sich das sexuelle Ziel richtet.
Es gibt also im Ergebnis zwei Fallgruppen:
- Der Täter tötet das Opfer, um sich durch den Tötungsakt als solchen oder nach erfolgter Tötung an der Leiche des Opfers sexuelle Befriedigung zu verschaffen.
- Der Täter nimmt bei einer Vergewaltigung mit Eventualvorsatz den Tod des Opfers billigend in Kauf. Die sexuelle Befriedigung muss jedoch das Hauptmotiv des Täters sein.
3. Mordmerkmal: Habgier
Der einzige Tatantrieb ist die Erlangung eines wirtschaftlichen Vorteils. Keine Habgier liegt vor, wenn ein Zueignungsvorsatz erst nach der Tötung gefasst wird.
Streitig ist, ob auch derjenige aus Habgier tötet, der nur sein Vermögen bewahren will.
- Nach einer Auffassung liegt Habgier nur bei dem Täter vor, der durch die Tötung einen Vermögenszuwachs erstrebt, die „Verteidigung“ des bisherigen Vermögenszustandes reicht nicht aus. Aufwendungen zu sparen, ist nicht so verwerflich wie eine Tötung zur Gewinnerzielung, da eher eine defensive Motivation vorliegt.
- Die herrschende Meinung unterscheidet nicht zwischen dem Täter, der sein Vermögen vermehren will und demjenigen, der bloß Aufwendungen sparen will. Habgier liegt also auch dann vor, wenn der Schuldner seinen Gläubiger tötet um nicht mehr zur Erfüllung in Anspruch genommen zu werden.
- Als Argument zieht die h. M. den Vergleich zur Bereicherungsabsicht aus § 263 StGB heran: Bei dieser ist als Vermögensvorteil auch die Ersparnis von Aufwendungen umfasst, Habgier ist jedoch eine übersteigerte Form der Bereicherungsabsicht, deshalb müsse dort mindestens das Gleiche gelten. Gerade im Fall einer Tötung sind materielle Motive besonders verwerflich. Auch besteht bei genauer Betrachtung kein wirklicher Unterschied zwischen den Alternativen: Beide Male geht der Täter aus eigensüchtigen Motiven, wegen der Vermehrung oder Entlastung seines Vermögens, „über Leichen“.
4. Mordmerkmal: Sonstige niedrige Beweggründe
Dies muss sich aus einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren, für die Motive des Täters entscheidenden Faktoren ergeben. Solche Faktoren sind die Umstände der Tat, die Lebensverhältnisse des Täters oder ein etwaiges Missverhältnis zwischen Anlass und Zweck. Der Maßstab für die allgemein sittliche Wertung sind die Wertvorstellungen und Anschauungen der BRD.
Subjektiv muss der Täter Bewusstsein bezüglich der Umstände gehabt haben, die die Niedrigkeit seiner Beweggründe ausmachen; er selbst muss sie allerdings nicht als niedrig eingestuft haben. Die sonstigen niedrigen Beweggründe sind der Oberbegriff und die Generalklausel für alle Mordmerkmale der ersten und dritten Gruppe des Mordtatbestandes.
Charakteristisch sind zwei Fallgruppen:
- Die Tat erscheint nicht mehr als eine verständliche Reaktion auf die Situation, so bei übertriebenem Neid, Rache oder Wut, ggf. sogar bei Eifersucht, wenn der Täter das Opfer tötet, damit es kein anderer haben kann. Ein Handeln aus Verzweiflung oder „normaler“ Eigensucht ist jedoch kein niedriger Beweggrund.
- Der Täter setzt aus krasser Eigensucht die Tötung zur Erreichung eines Ziels ein – er instrumentalisiert das Leben anderer Menschen.
Problematisch können die Blutrache und Ehrenmordfälle sein:
- Ehrenmord: Die Rechtsprechung nahm früher Rücksicht auf die besonderen Wertvorstellungen des jeweiligen Kulturkreises des Täters. Heute sind jedoch nur noch die Wertvorstellungen der BRD relevant. Ausnahmsweise können niedrige Beweggründe nur dann noch verneint werden, wenn sich der Täter bei der Tat nicht der Umstände bewusst war, welche maßgeblich für die Niedrigkeit seiner Beweggründe sind.
- Blutrache: Wenn die Blutrache Vergeltung an jemandem ist, der selbst schuldig die Tötung eines anderen verursacht hat, dann kann das Mordmerkmal in ganz bestimmten Fällen verneint werden. Insbesondere bei einem Verlust von nahestehenden Angehörigen durch eine Gewalttat sind Tötungen, die aus Rache motiviert sind, nicht ohne weiteres ein Mord aus niedrigen Beweggründen, da die Motive des Täters in dessen Belastungssituation nicht grundsätzlich „niedrig“ sind.
II. Tatbezogene Mordmerkmale: Gruppe 2
1. Mordmerkmal: Heimtücke
a) Definitionen zur Heimtücke
Für das Mordmerkmal der Heimtücke sollten mehrere Definitionen auswendig gelernt werden:
b) Restriktive Auslegung der Heimtücke
Da auf Mord eine lebenslange Freiheitsstrafe (§ 211 Abs. 1 StGB) steht und das Mordmerkmal der Heimtücke oftmals einschlägig ist, ist das Mordmerkmal restriktiv auszulegen (Heimtückerestriktion).
- Lehre vom Vertrauensbruch: Nach einer Ansicht handelt der Täter nur dann mit Heimtücke, wenn er ein bestehendes Vertrauen des Opfers in seine Person gebrochen hat. Dazu müssen sich Täter und Opfer zumindest kennen. Hiergegen spricht aber, dass die Heimtücke bei dieser Auslegung nur dann zustande kommen könnte, wenn überhaupt ein Vertrauensverhältnis bestanden hat. Diese Ansicht kommt folglich zumindest in Fällen von Auftragsmorden und Heckenschützenfällen zu fragwürdigen Ergebnissen.
- Lehre von der negativen / positiven Typenkorrektur: Nach der Lehre von der Typenkorrektur liegt ein Mord nur dann vor, wenn die Tat bei Betrachtung der Gesamtumstände besonders verwerflich (positive Typenkorrektur) erscheint, bzw. es liegt kein Mord vor, wenn die Tat als nicht besonders verwerflich (negative Typenkorrektur) erscheint. Dagegen spricht die Unbestimmtheit und der damit einhergehende Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG.
- Lehre von der feindseligen Willensrichtung (h.M.): Nach dieser Ansicht erfüllt der Täter nur dann das Mordmerkmal der Heimtücke, wenn er das Opfer gegen dessen Willen tötet. Hierbei geht es vorwiegend um die Abgrenzung zur Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB). Damit verbleibt eine Einschränkung der Heimtücke auf der Rechtsfolgenseite nach § 49 Abs. 1 StGB.
c) Allgemeines zur Heimtücke
Allgemein soll das Mordmerkmal der Heimtücke ein Handeln des Täters bestrafen, welches für das Opfer deshalb besonders gefährlich ist, weil es vom Täter in einer hilflosen Lage überrascht wird und sich deshalb des Angriffs nicht oder nur schwer erwehren kann.
Die Fähigkeit zur Arglosigkeit ist in manchen Fällen umstritten. So beispielsweise bei Schlafenden, Bewusstlosen oder kleinen Kindern. Letzteren wird die Fähigkeit zum Argwohn ab einem Alter von drei Jahren zugestanden. Schlafende sind als arglos anzusehen, weil sie sich bewusst und ohne sich eines Angriffs zu versehen in den Schlafzustand begeben haben. Er „nimmt seine Arglosigkeit dann mit in den Schlaf“. Bewusstlose hingegen begeben sich unfreiwillig in diese Situation, sodass sie nicht als arglos angesehen werden (h.M).
2. Mordmerkmal: Grausamkeit
Die Qualen/Schmerzen müssen dabei über das für die Tötung als solche erforderliche Maß hinausgehen. Dieser Umstand muss auch vom Vorsatz des Täters umfasst sein.
Bezüglich des Maßes des Erforderlichen ist ein objektiver Maßstab anzusetzen. Der Tatplan darf bei der Beurteilung folglich nicht mit einbezogen werden. Es darf keine Rolle spielen, ob der Täter aus seiner Sicht eine mildere Tötungsvariante hätte wählen können.
3. Mordmerkmal: Gemeingefährliche Mittel
Ausreichend ist hierbei eine abstrakte Gefährlichkeit in der konkreten Situation. Es müssen also keine Dritte am Tatort anwesend sein, es geht bei diesem Mordmerkmal um die Schaffung einer objektiv nicht beherrschbaren Gefahr für andere und das billigende in Kauf nehmen dieser Gefährdung.
Maßgeblich ist die Rücksichtslosigkeit des Täters. Dabei reicht es nicht aus, dass der Täter nur eine bereits vorhandene gemeingefährliche Situation zur Tat ausnutzt: Er muss sie selbst, aktiv und mit Tötungsvorsatz herbeigeführt haben.
III. Täterbezogene Mordmerkmale: Gruppe 3
1. Mordmerkmal: Ermöglichungsabsicht
Ob das Mordmerkmal verwirklicht ist, hängt nicht davon ab, ob der Täter die Tötung als notwendiges Mittel zur Ermöglichung sieht. Es reicht aus, dass sich der Täter für die zum Tod führende Handlung entscheidet, um so die andere Tat schneller oder leichter begehen zu können. Im Hinblick auf die Tötung selbst genügt also bereits dolus eventualis, nur bezüglich der Ermöglichung muss dolus directus ersten Grades vorliegen.
Dabei ist es gleichgültig, ob eine Tat des Täters selbst oder die eines Dritten ermöglicht werden soll. Die andere Tat muss noch nicht ins Versuchsstadium gelangt sein, sie darf jedoch auch noch nicht beendet sein. Sie muss auch nicht begangen werden. Möglich ist hier auch ein Mord durch Unterlassen. Dies ist dann der Fall, wenn der Täter das Opfer deshalb sterben lässt, weil er das Opfer für eine Behinderung einer anderen Tat sieht.
2. Mordmerkmal: Verdeckungsabsicht
Dabei muss es dem Täter entweder darauf ankommen, die Aufdeckung der Straftat in einem die Strafverfolgung sicherstellenden Umfang, oder die Aufdeckung der Täterschaft als solche zu verhindern.
Die Verdeckungsabsicht und dolus eventualis bezüglich der Tötung schließen sich nicht gegenseitig aus. Das Mordmerkmal ist nicht erst erfüllt, wenn der Verdeckungserfolg gerade durch den Tod des Opfers herbeigeführt wird. Vielmehr genügt es, wenn der Täter die Tötungshandlung als notwendiges Verdeckungsmittel ansieht.
Vertiefungsvideo mit RA Stefan Koslowski:
Mord (§211 StGB) Grundlagen, Verhältnis von Mord und Totschlag, Aufbaufragen.
Gut erklärt? Hier findest Du das komplette Video-Repetitorium, das zu Dir passt.
Schreiben Sie einen Kommentar
2 Gedanken zu „Der Mord, § 211 StGB: Schema und Mordmerkmale“
Unter welches Mordmerkmal fällt denn :‘ der Tod auf Verlangen?‘ Im Fokus steht der Suizid des Opfers, welches ihn einfordert. Suizid ist straffrei. Da ich in der Ausführung der Person, die den Auftrag dann auszuführt , jedoch keines der 9 Mordmerkmale erkennen kann, müsste es dann nicht unter Paragraph 212 (Totschlag) fallen?
Wir empfehlen dir diesbezüglich unseren Artikel zu „Tötung auf Verlangen, § 216 StGB“ zu lesen (https://www.lecturio.de/magazin/%C2%A7%C2%A7-212-216-stgb-toetung/). Falls du dann noch Fragen hast, melde dich gerne nochmals!