
Bild: “Murder!” von Bastian Greshake. Lizenz: CC BY-SA 2.0
1. Der Straftatbestand des Mordes gemäß §§ 212, 211 StGB
Geschütztes Rechtsgut des § 211 StGB ist das menschliche Leben. Somit kommt als Tatobjekt auch nur ein anderer Mensch in Betracht – ein Suizid ist mithin straflos.
2. Die Prüfungsreihenfolge der Tötungsdelikte
Tötung auf Verlangen/ §§ 212, 216 StGB
Mord/ §§ 212, 211 StGB
Totschlag/ § 212 StGB
II. Erfolgsqualifizierte Tötungsdelikte
Raub mit Todesfolge/ § 251 StGB
Körperverletzung mit Todesfolge/ § 227 StGB
3. Das Verhältnis von Mord und Totschlag
Selbst heute noch ist das Verhältnis von Mord und Totschlag stark umstritten: Gemäß der Rechtsprechung/BGH sind der Totschlag nach § 212 StGB und der Mord nach § 211 StGB jeweils selbstständige Tatbestände (vgl. BGHSt 1, 370; 6, 330; 22, 377; 30, 105).
Entsprechend der heute überwiegend vertretenen Ansicht (herrschende Lehre im Schrifttum) stellt der Mord nach § 211 StGB eine unselbstständige Qualifikation des Totschlags nach § 212 StGB dar (vgl. Schönke/ Schröder-Eser, vor §§ 211 ff., Rn. 5), so dass § 212 StGB im Obersatz immer mit zu nennen ist.
Dieser Streit hat immense Auswirkungen auf die Mordmerkmale. Nach der Rechtsprechung/BGH sind sie strafbegründender Natur, was bei den Mordmerkmalen der 1. und 3. Gruppe Auswirkungen für den Teilnehmer hat.
Die herrschende Lehre wendet aufgrund der strafschärfenden Wirkung der Mordmerkmale für den Teilnehmer § 28 Abs. 2 StGB an, die Rechtsprechung/BGH dagegen § 28 Abs. 1 StGB (vgl. Joecks, § 211, Rn. 6).
Wir haben der Problematik einen eigenen Beitrag gewidmet, der der Sie diesbezüglich gut auf die Klaue vorbereitet.
4. Der Beginn und das Ende des strafrechtlichen Lebensschutzes
Das strafrechtliche Menschsein beginnt mit dem Eintritt der Eröffnungswehen (vgl. MüKo-Schneider, vor § 211, Rn. 63; BGHSt 2, 194). Das menschliche Leben endet mit dem sog. Gesamthirntod, d.h. dem Ausfall von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm (vgl. Schönke/ Schröder-Eser, vor §§ 211 ff., Rn. 9).
5. Die einzelnen Mordmerkmale
Im Folgenden sollen kurz die einzelnen Mordmerkmale vorgestellt werden. Für Details lesen Sie bitte diesen Beitrag.
I. Heimtücke
Heimtücke definiert sich als das bewußte Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers in feindseliger Willensrichtung (vgl. BGHSt 2, 251; 11, 139). Die Literatur verlangt darüber hinaus zusätzlich noch einen besonders verwerflichen Vertrauensbruch (vgl. Schönke/ Schröder-Eser, § 211, Rn. 26).
Arglos ist, wer sich keines Angriffs von Seiten des Täters versieht. Wehrlos ist, wer infolge der Arglosigkeit zu einer Verteidigung außerstande bzw. in seinen Verteidigungsmöglichkeiten stark eingeschränkt ist. Arg- und Wehrlosigkeit müssen zusammentreffen, d. h. zwingend kumulativ vorliegen.
II. Grausam
Grausam tötet der Täter, der dem Opfer besonders starke Schmerzen körperlicher oder seelischer Art aus gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung zufügt, die über das zur Tötung erforderliche Maß in Dauer und Intensität hinausgehen.
III. Gemeingefährliches Mittel
Gemeingefährlich ist ein Tatmittel, das der Täter in der konkreten Tatsituation nicht sicher zu beherrschen vermag (vgl. LK-Jähnke, § 211, Rn. 57).
Eine Pistole ist aufgrund ihres begrenzten Wirkungskreises typischerweise beherrschbar und mithin nicht abstrakt gemeingefährlich. Daher liegt im Ergebnis kein Handeln mit einem gemeingefährlichen Mittel vor.
Ja, hier sollte ein gemeingefährliches Mittel bejaht werden (vgl. MüKo-Schneider, § 211, Rn. 104).
Ebenso begründen Brände und Explosionen eine Gemeingefahr (vgl. Schönke/ Schröder-Eser, § 211, Rn. 29).
IV. Mordlust
Mordlust bedeutet eine unnatürliche Freude an der Vernichtung eines Menschenlebens (vgl. Joecks, § 211, Rn. 11).
V. Zur Befriedigung des Geschlechtstriebes
Dieses Merkmal liegt vor, wenn sich der Täter durch die Tötung geschlechtliche Befriedigung verschaffen will (vgl. Joecks, § 211, Rn. 12).
VI. Habgier
Die Habgier zeichnet sich durch ein unnatürliches Gewinnstreben um jeden Preis – auch um den eines Menschenlebens – aus (vgl. Schönke/ Schröder-Eser, § 211, Rn. 17).
VII. Niedrige Beweggründe
Ein Beweggrund ist niedrig, wenn er sittlich auf tiefster Stufe steht, besonders verwerflich und geradezu verachtenswert ist (vgl. BGHSt 2, 63; 3, 133, 333).
VIII. Ermöglichungsabsicht
Hier dient die Tötung der Begehung weiteren kriminellen Unrechts.
IX. Verdeckungsabsicht
Bei der Verdeckungsabsicht erfolgte die Vernichtung eines Menschenlebens, um die eigene oder auch eine fremde Bestrafung zu vereiteln (vgl. BGHSt 7, 290).
7. Der Deliktsaufbau in der Prüfung
I. Tatbestandsmäßigkeit
1. Objektiver Tatbestand
a.) Tatobjekt: Anderer Mensch
b.) Tathandlung: Töten
c.) Kausalität zwischen Tathandlung und Taterfolg im Sinne einer conditio sine qua non
d.) Objektive Zurechnung
e.) Objektive Mordmerkmale des § 211 StGB/ tatbezogene Mordmerkmale
aa.) Heimtücke
bb.) Grausam
cc.) Mit gemeingefährlichen Mitteln
2. Subjektiver Tatbestand
a.) Vorsatz bzgl. der Verursachung des Todes eines anderen Menschen
b.) Vorsatz bzgl. der objektiven tatbezogenen Mordmerkmale
c.) Mordmerkmale der 3. Gruppe/ täterbezogene Mordmerkmale
– Um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken
d.) Mordmerkmale der 1. Gruppe/ täterbezogene Mordmerkmale
aa.) Mordlust
bb.) Zur Befriedigung des Geschlechtstriebes
cc.) Habgier
dd.) Sonstige niedrige Beweggründe
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
IV. Strafzumessungsgesichtspunkte
– Grds. lebenslange Freiheitsstrafe.
8. Fazit:
Wie man nun sieht, setzt die Beherrschung des § 211 StGB sichere und fundierte Kenntnisse voraus. Mit diesen lassen sich anschließend mögliche Stolpersteine in der Klausur umschiffen.
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