
Bild: “Forex Money for Exchange in Currency Bank” von epSos.de. Lizenz: CC BY 2.0
Inhaltsverzeichnis
- I. Die Nichtleistungskondiktion, § 812 BGB
- II. Eingriffskondiktion, §§ 812 Abs. 1 S. 1, 951, 816 BGB
- III. Verwendungskondiktion § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB
- IV. Rückgriffskondiktion § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB
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I. Die Nichtleistungskondiktion, § 812 BGB
Der Absatz 1 des § 812 BGB lautet:
Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
1. Allgemeines zur Nichtleistungskondiktion (§ 812 BGB)
Das heißt, die Bereicherung darf nicht durch die Leistung eines anderen vermittelt worden sein. Es muss sich hierbei nicht zwangsläufig um eine Leistung des Bereicherungsgläubigers handeln – auch ein Dritter kann geleistet haben. In einem Drei-Personen-Verhältnis ist also vorrangig immer nach einer Leistungsbeziehung zu suchen.
Beispiel: Der minderjährige A leiht sich von B einen Laptop. A übereignet den Laptop an den gutgläubigen C gem. §§ 932 Abs. 1, 929 S.1 BGB. B möchte den Laptop nun von C zurückbekommen gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB. C hat den Laptop aber nicht auf sonstiger Weise, sondern durch Leistung des A erlangt.
2. Prüfungsschema: Nichtleistungskondiktion, § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB
Die Nichtleistungskondiktion aus § 812 BGB folgt grundsätzlich folgendem Schema:
- Etwas erlangt = jeder vermögenswerte Vorteil
- In sonstiger Weise z.B. durch Eingriff, Rückgriff oder Verwendung
- Ohne Rechtsgrund = Nichtbestehen einer Verpflichtung zur Leistung
- Auf dessen Kosten = Eingriff in den Zuweisungsgehalt
3. Systematik der Nichtleistungskondiktion
Bei den Nichtleistungskondiktionen (§ 812 BGB) ist zu unterscheiden zwischen der Eingriffskondiktion der Verwendungskondiktion und der Rückgriffskondiktion.
II. Eingriffskondiktion, §§ 812 Abs. 1 S. 1, 951, 816 BGB
Auch innerhalb der Eingriffskondiktionen muss eine Differenzierung vorgenommen werden:
- Allgemeine Eingriffskondiktion, § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB
- Spezielle Eingriffskondiktion, § 951 BGB
- Verfügung eines Nichtberechtigten, § 816 BGB (Sonderfall der Eingriffskondiktion)
1. Allgemeine Eingriffskondiktion, § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB
Durch die allgemeine Eingriffskondiktion sollen somit Wertverschiebungen ausgeglichen werden.
Prüfungsaufbau: allgemeine Eingriffskondiktion, § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB
a) Bereicherungsschuldner hat etwas erlangt = jede vermögenswerte Rechtsposition
b) Eingriff (= in sonstiger Weise)
Der Eingriff besteht in einer Handlung des Bereicherungsschuldners, durch welche in die Rechtsgüter bzw. Rechtsposition eines anderen (des Bereicherungsgläubigers), die diesem von der Rechtsordnung zur ausschließlichen Verfügung und wirtschaftlichen Verwertung zugewiesen sind, eingegriffen wird.
Es wird also in den Zuweisungsgehalt eines fremden Rechts oder Vermögenswertes eingegriffen (Lehre vom Zuweisungsgehalt, heute h.M.).
Rechte mit Zuweisungsgehalt sind unzweifelhaft alle absoluten Rechte wie Eigentum und Pfandrechte, jedoch auch Immaterialgüterrechte wie Urheberrechte, Markenrechte, Patentrechte, Geschmacksmusterrechte.
c) Auf Kosten des Bereicherungsgläubigers
Früher wurde Stoffgleichheit gefordert, d.h. die beim Bereicherten eingetretene Vermögensmehrung sollte der Vermögensminderung beim Bereicherungsgläubiger entsprechen und auf ein und demselben Vorgang beruhen. Dann wäre aber z.B. kein Schutz bei Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines anderen möglich.
Aus diesem Grund wird heute angenommen, dass grundsätzlich jeder Eingriff in eine subjektive Rechtsposition, soweit sie kommerziell verwertbar ist, auf Kosten des Bereicherungsgläubigers geschieht.
Bsp.: APR, Namensrecht (§ 12 BGB), Recht am eigenen Bild (§ 22 KUG)
d) Ohne rechtlichen Grund
Es darf weder eine Einwilligung des vom Eingriff Betroffenen vorliegen noch ein sonstiger Behaltensgrund (z.B. § 932 BGB).
e) Rechtsfolgen
Nach §§ 812 Abs. 1 S. 1, 818 ff. BGB ist die Herausgabe, ggf. Wertersatz zu leisten.
2. Spezielle Eingriffskondiktion, § 951 BGB
Ein Sonderfall der Eingriffskondiktion ist die Herausgabepflicht wegen gesetzlichem Eigentumserwerb gem. § 951 BGB.
Der Eigentümer eine Sache verliert hierbei gem. §§ 946 ff. BGB sein Eigentum, weil ein Nichtberechtigter die Sache bei sich oder einem anderen einbaut, sie mit etwas untrennbar vermischt, oder in sonstiger Weise verarbeitet. Für diesen gesetzlichen Eigentumsverlust soll § 951 BGB entschädigen.
3. Verfügung eines Nichtberechtigten, § 816 BGB
Absatz 1 des § 816 BGB lautet:
Trifft ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand eine Verfügung, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, so ist er dem Berechtigten zur Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten verpflichtet. Erfolgt die Verfügung unentgeltlich, so trifft die gleiche Verpflichtung denjenigen, welcher auf Grund der Verfügung unmittelbar einen rechtlichen Vorteil erlangt.
Allerdings gilt hier die Subsidiarität gegenüber der Leistungskondiktion gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ausnahmsweise nicht. Zwischen dieser und § 816 BGB kann Anspruchskonkurrenz bestehen, d.h. beide sind nebeneinander anwendbar.
Der § 816 BGB spaltet sich seinerseits wieder in drei Varianten auf:
- Entgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten, § 816 Abs. 1 S. 1 BGB
- Unentgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten, § 816 Abs. 1 S. 2 BGB
- Leistung an einen Nichtberechtigten, § 816 Abs. 2 BGB
a) Prüfungsschema: § 816 Abs. 1 S. 1 BGB
- Wirksame Verfügung: Die dingliche Rechtslage wird durch Rechtsgeschäft verändert. z.B. Übereignung gem. §§ 932 Abs. 1, 929 S.1 BGB
- Eines Nichtberechtigten: Der Verfügende ist weder Rechtsinhaber (z.B. Eigentümer) noch sonst zur Verfügung ermächtigt (z.B. gem. § 185 BGB).
- Entgeltlichkeit der Verfügung
- Rechtsfolge: Herausgabe des Veräußerungserlöses aber Kondiktionsfestigkeit des gutgläubigen Erwerbs.
b) Prüfungsschema: § 816 Abs. 1 S. 2 BGB
Für die Punkte 1. und 2. kann auf § 816 Abs. 1 S. 1 BGB verwiesen werden.
3. Unentgeltlichkeit der Verfügung
Umstritten ist hierbei, ob eine rechtsgrundlose Leistung (z.B. weil zwischen V und B zugrunde liegender Kaufvertrag unwirksam ist gem. § 108 Abs. 1 BGB) einer unentgeltlichen gleichzustellen ist:
- Nach der Einheitskondiktionenlehre wird dies bejaht mit der Begründung, dass der Begünstigte angesichts der Unwirksamkeit des zugrunde liegenden Kausalgeschäfts zu Unrecht privilegiert würde.
- Nach der h.M. wird dies jedoch abgelehnt, wofür zum einen der Wortlaut des § 816 Abs. 1 S. 2 BGB spricht. Zum anderen würde ein Direktanspruch des Anspruchsstellers gegen den Begünstigten diesen unangemessen benachteiligen, da er dann im Verhältnis zum Verfügenden alle Einwendungen – und damit Druckmittel – verlöre. Außerdem soll eine Rückabwicklung grundsätzlich in den bestehenden Leistungsbeziehungen vonstatten gehen, d.h. im Verhältnis zum jeweils gewählten Geschäftspartner und nicht zu Dritten.
4. Rechtsfolge
Rechtsfolge ist die Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten, z.B. der Sache, an der der Anspruchsteller gem. §§ 932 Abs. 1, 929 S. 1 BGB sein Eigentum verloren hatte.
Der gutgläubige Erwerb kann kondiziert werden. Der der gutgläubige Erwerber ist nicht schutzwürdig!
III. Verwendungskondiktion § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB
Hier tätigt eine Person – der Bereicherungsgläubiger – rechtsgrundlos Verwendungen aus eigenen Mitteln auf eine Sache des Eigentümers bzw. Bereicherungsschuldners, ohne zu wissen, dass er diesen gerade bereichert.
So denkt er beispielsweise, er selbst sei Eigentümer der Sache. Eben weil er das Vermögen des Bereicherungsschuldners nicht bewusst mehrt, ist keine Leistung i.S.d. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB gegeben.
IV. Rückgriffskondiktion § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB
Die Rückgriffskondiktion erfasst Fälle, in denen der Bereicherungsschuldner durch eine Handlung des Bereicherungsgläubiger von einer Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten befreit wurde. Der Bereicherungsgläubiger zahlt also sowohl objektiv als auch subjektiv auf eine fremde Schuld, ohne dadurch eine Leistung zu erbringen.
Im Gegensatz zur Verwendungskondiktion, wo das Vorliegen einer Leistung wegen fehlendem Bewusstsein verneint wird, ist der Grund hier der fehlende Leistungszweck. Der Bereicherungsgläubiger ist dem Bereicherungsschuldner gegenüber also weder zur Erfüllung berechtigt noch verpflichtet.
Allerdings ist die Rückgriffskondiktion in der Praxis nur selten einschlägig, da alle sonstigen gesetzlichen oder vertraglichen Rückgriffsmöglichkeiten vorgehen, wie etwa die Legalzessionen nach den §§ 268 Abs. 3, 426 Abs. 2, 774 Abs. 1 BGB, die Verpflichtung des Gläubigers zur rechtsgeschäftlichen Übertragung seines Anspruchs gegen den Dritten nach §§ 255 oder 281 BGB oder eigene gesetzliche Ansprüche des Dritten wie §§ 426 Abs. 1 und 670 BGB.
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