Treu und Glauben, § 242 BGB

Treu und Glauben, § 242 BGB

Der Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB ist ein die gesamte Privatrechtsordnung umspannendes Prinzip. Das Prinzip wird zwar häufig genannt und auch in Klausuren immer wieder verwendet, wenn sich die eigentliche Lösung “falsch” anfühlt. Der Grundsatz von Treu und Glauben wird zudem häufig bei der Auslegung von Verträgen nach § 157 BGB herangezogen. Doch was unter Treu und Glauben (§ 242) eigentlich zu verstehen ist, bleibt oft unklar. Dieser Beitrag bringt Licht ins Dunkle.
Treu und Glauben 242 BGB
Lecturio Redaktion

·

13.03.2024

Inhalt

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I. Allgemeines

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Den Ausgangspunkt für den Grundsatz von Treu und Glauben bildet § 242 BGB:

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Dabei handelt es sich um ein allgemeines rechtsethisches Prinzip, das die gesamte Privatrechtsordnung durchdringt. Allerdings stellt es lediglich eine Art Generalklausel, keinen subsumtionsfähigen Tatbestand, dar. Das bedeutet, dass Treu und Glauben im Einzelfall wertend konkretisiert werden müssen.

Definition: Treue ist eine auf Zuverlässigkeit, Aufrichtigkeit und Rücksichtnahme beruhende äußere und innere Haltung gegenüber einer anderen Person.

Definition: Glauben ist das Vertrauen auf eine solche Haltung.

§ 242 BGB betrifft seinem Wortlaut nach nur die Art der Leistungsbewirkung durch den Schuldner. Darüber hinaus wird jedoch ein in alle Bereiche des Privatrechts ausstrahlender allgemeiner Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitet. Der Grundsatz kann auch Ausgangspunkt für verfassungsrechtliche Wertungen (Grundrechte) im Privatrecht sein.

II. Fallgruppen

Zur Konkretisierung haben sich in Rechtsprechung und Lehre einige Fallgruppen nach den Funktionen des § 242 BGB herausgebildet:

  • Pflichtenbegründende Funktion
  • Schrankenfunktion
  • Regulierende Funktion
  • Kontroll- und Korrekturfunktion

Die verschiedenen Fallgruppen i.R.d. § 242 BGB werden im Folgenden näher erläutert.

1. Pflichtenbegründende Funktion

Aus § 242 BGB ergeben sich zunächst verschiedene Pflichten:

  • Eine allgemeine Rücksichtnahmepflicht, die auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der anderen Partei gerichtet ist. Diese Pflicht findet sich auch schon in § 241 Abs. 2 BGB. Sie erstreckt sich gem. § 311 Abs. 2 BGB auch auf vorvertragliche Schuldverhältnisse.
  • Ggf. ergibt sich daraus auch eine Auskunftspflicht über bestimmte Tatsachen bzw. das Recht, Auskunft von der anderen Partei zu verlangen.

2. Schrankenfunktion

Andererseits dient der Grundsatz von Treu und Glauben auch der Abwehr unzulässiger Rechtsausübung und Rechtsmissbrauchs. Damit begründet § 242 BGB rechtsvernichtende und -verhindernde Einwendungen.

Schrankenfunktion § 242 BGB
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a. Dolo-Agit-Einrede

Besonders klausurrelevant ist die sog. Dolo-Agit-Einrede, auch als Arglisteinwand bezeichnet.

Diese besagt, dass eine Klage eine unzulässige Rechtsausübung darstellt und keinen Erfolg hat, wenn der Kläger die eingeklagte Leistung sofort an den Beklagten zurückgeben müsste, weil diesem ein Gegenanspruch zusteht.

Dolo-Agit-Einrede
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Diese Einrede ist vor allem bei Herausgabeansprüchen (z.B. nach § 985 BGB) relevant. Liegt ein Fall der Dolo-Agit-Einrede vor, dann ist dieser Anspruch nicht durchsetzbar.

b. Widersprüchliches Verhalten und Verwirkung

Einen Verstoß gegen § 242 BGB kann auch widersprüchliches Verhalten sein, sog. venire contra factum proprium (lat. für „Zuwiderhandlung gegen das eigene frühere Verhalten“).

Ein solches widersprüchliches Verhalten ist grundsätzlich unbeachtlich, es sei denn, die andere Seite hat damit einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Dann liegt eine unzulässige Rechtsausübung vor, weil das widersprüchliche Verhalten rechtsmissbräuchlich ist.

Ein Spezialfall von venire contra factum proprium ist die Verwirkung. Der Gläubiger kann ein Recht dann nicht mehr geltend machen, wenn er es über eine längere Zeit nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment) und der Schuldner auf die zukünftige Nichtgeltendmachung vertrauen durfte (Umstandsmoment).

Die Einwendung der Verwirkung kann dazu führen, dass ein Anspruch nicht mehr durchgesetzt werden kann, obwohl er besteht und noch nicht verjährt ist.

venire contra factum proprium Verwirkung
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c. Unredlichkeit und Rücksichtslosigkeit

Unzulässig ist auch die Ausübung eines Rechtes, welches unredlich oder rücksichtslos erlangt bzw. ausgeübt wurde.

Definition: Eine unredliche Erlangung liegt vor, wenn das Recht durch Täuschung oder durch anderweite List erlangt wurde.

Beispiel: Ausübung einer Vertragsklausel, die mit unlauteren Mitteln gegenüber dem nichtsahnenden Vertragspartner durchgesetzt wurde.

Definition: Rücksichtslosigkeit liegt vor, wenn das Recht in einer Art und Weise, die zu vermeidbaren Nachteilen für den Vertragspartner führt, ausgeübt wird.

Beispiel: Ausübung des mietrechtlichen Zutrittsrechts zur Nachtzeit.

3. Regulierungsfunktion

Die Regulierungsfunktion dient der Ergänzung und Konkretisierung gesetzlicher und vertraglicher Regelungen.

Beispiel: Leistungen dürfen nicht an einem unpassenden Ort erfolgen.

4. Kontroll- und Korrekturfunktion

Zuletzt dient der Grundsatz von Treu und Glauben auch der Kontrolle von vertraglichen und gesetzlichen Regelungen.

Kontrollfunktion § 242 BGB
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Comenius-Award 2019

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Simon Veiser

Simon Veiser beschäftigt sich seit 2010 nicht nur theoretisch mit IT Service Management und ITIL, sondern auch als leidenschaftlicher Berater und Trainer. In unterschiedlichsten Projekten definierte, implementierte und optimierte er erfolgreiche IT Service Management Systeme. Dabei unterstützte er das organisatorische Change Management als zentralen Erfolgsfaktor in IT-Projekten. Simon Veiser ist ausgebildeter Trainer (CompTIA CTT+) und absolvierte die Zertifizierungen zum ITIL v3 Expert und ITIL 4 Managing Professional.

Dr. Frank Stummer

Dr. Frank Stummer ist Gründer und CEO der Digital Forensics GmbH und seit vielen Jahren insbesondere im Bereich der forensischen Netzwerkverkehrsanalyse tätig. Er ist Mitgründer mehrerer Unternehmen im Hochtechnologiebereich, u.a. der ipoque GmbH und der Adyton Systems AG, die beide von einem Konzern akquiriert wurden, sowie der Rhebo GmbH, einem Unternehmen für IT-Sicherheit und Netzwerküberwachung im Bereich Industrie 4.0 und IoT. Zuvor arbeitete er als Unternehmensberater für internationale Großkonzerne. Frank Stummer studierte Betriebswirtschaft an der TU Bergakademie Freiberg und promovierte am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.

Sobair Barak

Sobair Barak hat einen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert und hat sich anschließend an der Harvard Business School weitergebildet. Heute ist er in einer Management-Position tätig und hat bereits diverse berufliche Auszeichnungen erhalten. Es ist seine persönliche Mission, in seinen Kursen besonders praxisrelevantes Wissen zu vermitteln, welches im täglichen Arbeits- und Geschäftsalltag von Nutzen ist.

Wolfgang A. Erharter

Wolfgang A. Erharter ist Managementtrainer, Organisationsberater, Musiker und Buchautor. Er begleitet seit über 15 Jahren Unternehmen, Führungskräfte und Start-ups. Daneben hält er Vorträge auf Kongressen und Vorlesungen in MBA-Programmen. 2012 ist sein Buch „Kreativität gibt es nicht“ erschienen, in dem er mit gängigen Mythen aufräumt und seine „Logik des Schaffens“ darlegt. Seine Vorträge gestaltet er musikalisch mit seiner Geige.

Holger Wöltje

Holger Wöltje ist Diplom-Ingenieur (BA) für Informationstechnik und mehrfacher Bestseller-Autor. Seit 1996 hat er über 15.800 Anwendern in Seminaren und Work-shops geholfen, die moderne Technik produktiver einzusetzen. Seit 2001 ist Holger Wöltje selbstständiger Berater und Vortragsredner. Er unterstützt die Mitarbeiter von mittelständischen Firmen und Fortune-Global-500- sowie DAX-30-Unternehmen dabei, ihren Arbeitsstil zu optimieren und zeigt Outlook-, OneNote- und SharePoint-Nutzern, wie sie ihre Termine, Aufgaben und E-Mails in den Griff bekommen, alle wichtigen Infos immer elektronisch parat haben, im Team effektiv zusammenarbeiten, mit moderner Technik produktiver arbeiten und mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen.

Frank Eilers

Frank Eilers ist Keynote Speaker zu den Zukunftsthemen Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Er betreibt seit mehreren Jahren den Podcast „Arbeitsphilosophen“ und übersetzt komplexe Zukunftsthemen für ein breites Publikum. Als ehemaliger Stand-up Comedian bringt Eilers eine ordentliche Portion Humor und Lockerheit mit. 2017 wurde er für seine Arbeit mit dem Coaching Award ausgezeichnet.

Yasmin Kardi

Yasmin Kardi ist zertifizierter Scrum Master, Product Owner und Agile Coach und berät neben ihrer Rolle als Product Owner Teams und das höhere Management zu den Themen agile Methoden, Design Thinking, OKR, Scrum, hybrides Projektmanagement und Change Management.. Zu ihrer Kernkompetenz gehört es u.a. internationale Projekte auszusteuern, die sich vor allem auf Produkt-, Business Model Innovation und dem Aufbau von Sales-Strategien fokussieren.

Leon Chaudhari

Leon Chaudhari ist ein gefragter Marketingexperte, Inhaber mehrerer Unternehmen im Kreativ- und E-Learning-Bereich und Trainer für Marketingagenturen, KMUs und Personal Brands. Er unterstützt seine Kunden vor allem in den Bereichen digitales Marketing, Unternehmensgründung, Kundenakquise, Automatisierung und Chat Bot Programmierung. Seit nun bereits sechs Jahren unterrichtet er online und gründete im Jahr 2017 die „MyTeachingHero“ Akademie.

Andreas Ellenberger

Als akkreditierter Trainer für PRINCE2® und weitere international anerkannte Methoden im Projekt- und Portfoliomanagement gibt Andreas Ellenberger seit Jahren sein Methodenwissen mit viel Bezug zur praktischen Umsetzung weiter. In seinen Präsenztrainings geht er konkret auf die Situation der Teilnehmer ein und erarbeitet gemeinsam Lösungsansätze für die eigene Praxis auf Basis der Theorie, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Da ihm dies am Herzen liegt, steht er für Telefoncoachings und Prüfungen einzelner Unterlagen bzgl. der Anwendung gern zur Verfügung.

Zach Davis

Zach Davis ist studierter Betriebswirt und Experte für Zeitintelligenz und Zukunftsfähigkeit. Als Unternehmens-Coach hat er einen tiefen Einblick in über 80 verschiedene Branchen erhalten. Er wurde 2011 als Vortragsredner des Jahres ausgezeichnet und ist bis heute als Speaker gefragt. Außerdem ist Zach Davis Autor von acht Büchern und Gründer des Trainingsinstituts Peoplebuilding.

Wladislav Jachtchenko

Wladislaw Jachtchenko ist mehrfach ausgezeichneter Experte, TOP-Speaker in Europa und gefragter Business Coach. Er hält Vorträge, trainiert und coacht seit 2007 Politiker, Führungskräfte und Mitarbeiter namhafter Unternehmen wie Allianz, BMW, Pro7, Westwing, 3M und viele andere – sowohl offline in Präsenztrainings als auch online in seiner Argumentorik Online-Akademie mit bereits über 52.000 Teilnehmern. Er vermittelt seinen Kunden nicht nur Tools professioneller Rhetorik, sondern auch effektive Überzeugungstechniken, Methoden für erfolgreiches Verhandeln, professionelles Konfliktmanagement und Techniken für effektives Leadership.

Alexander Plath

Alexander Plath ist seit über 30 Jahren im Verkauf und Vertrieb aktiv und hat in dieser Zeit alle Stationen vom Verkäufer bis zum Direktor Vertrieb Ausland und Mediensprecher eines multinationalen Unternehmens durchlaufen. Seit mehr als 20 Jahren coacht er Führungskräfte und Verkäufer*innen und ist ein gefragter Trainer und Referent im In- und Ausland, der vor allem mit hoher Praxisnähe, Humor und Begeisterung überzeugt.