Schulamokläufe sind kein rein US-amerikanisches Phänomen - wie die traurigen Fälle aus Erfurt oder Emsdetten zeigen. Fand das Thema früher, zumindest in der juristischen Ausbildung, eher weniger Aufmerksamkeit, wird ihm heute wesentlich mehr Beachtung geschenkt. Gerade in den Kriminalwissenschaften ist die Prüfungsrelevanz hoch. Im Folgenden haben wir das Wichtigste zu den Hintergründen von Schulamokläufern zusammengefasst.
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I. Einführung

Im Schwerpunktbereich Kriminalwissenschaften – der als universitärer Teil des Ersten Examen in einigen Bundesländern immerhin 30 % der Gesamtnote ausmacht – müssen sich Examenskandidat*innen Fragen stellen, die mit dem klassischen Gutachten nicht zu beantworten sind.

Gerade im Bereich der Kriminologie, also der Lehre vom Verbrechen, die sich in erster Linie auf Basis empirischer Daten mit Ursache, Häufigkeit, Erscheinungsform, Entwicklung und Verteilung von Verbrechen beschäftigt, werden dabei in den Vorlesungen gerne spezielle Erscheinungsformen des Verbrechens ausgewählt um allgemeine Theorien zu erläutern oder zu hinterfragen.

In den juristischen Ausbildungsalltag findet das Thema Schulamokläufe oder „School Shootings“, als historisch gesehen frisches und in seinen Ursachen bislang nur oberflächlich erforschtes Gebiet seit einiger Zeit vermehrten Einzug. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich an den Tätern Einflüsse verschiedenster Art feststellen lassen, die die Tatbegehung beeinflussen und gemeinsam als Ursachen für die Taten angesehen werden können.

Biologische, soziologische und mehrfaktorische Kriminalitätstheorien geben sich dabei die Klinke in die Hand, weshalb eine besondere Klausureignung der Fallkonstellationen auf der Hand liegt.

Tipp: Beschäftigen Sie sich zunächst mit den persönlichkeitsorientierten Kriminalitätstheorien und den Mehrfaktorenansätzen.

Vorausgesetzt wird lediglich das Wissen, welche Umstände eine Tatbegehung beeinflussen können. Mit dem Wissen, das man aus den empirischen Erkenntnissen über die Schulamokläufer schöpft, kann man für viele andere Formen, insbesondere von Jugendkriminalität, Erklärungen finden.

II. Familiäre Situation der Täter

Die familiäre Situation, sowie die gesellschaftliche Stellung der Familien der Täter, weisen immer wieder verblüffende Ähnlichkeiten auf. Besonders klausurrelevant sind die Erkenntnisse zu den familiären Verhältnissen, weil die Familie eine besonders bedeutende Quelle von Anerkennung ist und normalerweise, wenn sie denn funktioniert, ein kriminalitätshemmender Faktor ist.

Bei der Mehrzahl handelt es sich um Familien aus der Mittelschicht. Oberflächlich scheinen diese Familien völlig normal, sie sind strukturell vollständig. Nur in seltenen Fällen liegt ein sog. „broken home“ vor, wie man auf den ersten Blick annehmen könnte.

In der Regel haben die späteren Täter Geschwister, die oft als begabter und erfolgreicher erscheinen und den innerfamiliären Konkurrenzkampf für sich entscheiden konnten.

Aus von den Amerikanern McGee/DeBernardo untersuchten Fällen geht hervor, dass häufig eine überharte aber inkonsistente Erziehung durch die Eltern erfolgt, die harte Strafen für Fehlverhalten, aber auch übergroße Freiheiten für die (späteren) Täter hervorbringt.

Insgesamt besteht eine Atmosphäre der Gleichgültigkeit und/oder Unaufmerksamkeit gegenüber dem Verhalten des Kindes, jedoch kann der subjektive Eindruck der Eltern dabei ein ganz anderer sein.

Nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den zwischenmenschlichen Beziehungen in der Familie des Täters stehen manche Merkmale, die eine Vielzahl der betroffenen Familien aufweisen.

Eine, gerade in den USA aufgrund von liberaleren Waffengesetzen schwerwiegende Problematik, ist der leichte Zugang zu Waffen. Sowohl was den Erwerb wie auch die Lagerung im Haushalt betrifft. Doch auch in Deutschland ist diese Problematik nicht zu unterschätzen. Der Zugang zu Waffen stellt einen erheblichen Risikofaktor dar, stammen doch die meisten Tatwaffen direkt aus den Täterhaushalten.

III. Peer Group und schulisches Umfeld

Neben dem unmittelbaren sozialen Umfeld kann auch das mittelbare soziale Umfeld der Täter, also der Bezug zu Gleichaltrigen vor allem in Schulen, Aufschluss über den Hintergrund von Schulamokläufen geben.

Beispielsweise will die Studie herausgefunden haben, dass sich nur 23,9% der Täter selbst als Einzelgänger bezeichnet haben, wohingegen sie von 47,8% im Nachhinein als solche bezeichnet wurden. 85,1% der Befragten empfanden die Täter als zumindest in irgendeiner Weise sozial isoliert, wohingegen sich bei den Tätern nur 55,2% so bezeichnet hätten.

Deutlich wird hierdurch allemal, dass das verbreitete Bild der völlig sozial isolierten Underdogs und Einzelgänger nicht der Realität entspricht.

Umstritten ist mittlerweile die Rolle des Bullying (also des Mobbing von Schülern an Schülern), das lange als eine der Hauptursachen für Amokläufe angesehen wurde. In relativ vielen Fällen kann sogar definitiv davon ausgegangen werden, dass das Bullying zumindest eine große Rolle für die Täter gespielt hat.

Dennoch widerspricht hier in Teilen die aktuelle Metastudie, die den Einfluss von Bullying insgesamt als überbewertet ansieht.

Als vielmehr elementare, in der Forschung aber bisher weitgehend vernachlässigte Komponente kann die Studie dem gegenüber einen starken Zusammenhang zwischen Lehrer/Schüler-Verhältnis und späteren Taten nachweisen.

Dennoch muss festgehalten werden, dass auch nach dieser Studie insgesamt 67,2% der Täter Ablehnung durch Gleichaltrige in irgendeiner Form erlebt haben.

IV. Psyche der Täter

Selbstverständlich liegt die Frage nach der Psyche der Täter bei solchen Verbrechen nahe. Dementsprechend viele Untersuchungen zu dieser Thematik liegen auch vor, würden aber den Rahmen eines kurzen Überblicks sowie einer Klausurfrage sprengen.

Im Großen und Ganzen können die Erkenntnisse so zusammengefasst werden, dass die Täter häufig psychisch auffällig, jedoch selten im Sinne der Definition psychisch krank waren. Generell dürfen die Erkenntnisse in ihrer Relevanz zur Erklärung solcher Straftaten deshalb nicht überbewertet werden, weil viele der Störungen, die die Jugendlichen vermeintlich zeigten, im Jugendalter allgemein nichts Ungewöhnliches darstellen .

V. Freizeitverhalten und Konsum von gewaltdarstellenden Medien

Ein sehr klausurrelevanter Aspekt ist der Einfluss von Medien, insbesondere Computerspielen auf die späteren Täter.

Tatsächlich besteht ein großer Teil der Freizeit späterer Amokläufer im Spielen von sog. Killerspielen. Darin unterscheiden sie sich jedoch nicht grundsätzlich von vielen ihrer Altersgenossen. Raithel ermittelt, dass 22,2% der befragten Jugendlichen häufig bis sehr häufig Ego-Shooter spielen.

Die Schwäche dieses Ansatzes zur Erklärung von Schulamokläufen zeigt sich spätestens darin, dass die Erklärung dafür offen bleibt, dass eine immer größer werdende Zahl von Jugendlichen Spiele konsumiert, die Gewalt hervorrufen (sollen), gleichzeitig aber die Gewaltkriminalität Jugendlicher, anders als medial häufig verbreitet, in qualitativer und quantitativer Sicht sinkt.

Dennoch kann ein Einfluss der Computerspiele auf den Tatablauf nach Erkenntnissen einiger Studien nicht von der Hand gewiesen werden. So gelangen Grossman/DeGaetano zu der Erkenntnis, das regelmäßige Spielen von Ego-Shootern könne die tatsächlichen Schießleistungen steigern.

Die Ergebnisse der Forschung bezüglich der Steigerung aggressiven Verhaltens durch Killerspiele sind sehr heterogen. Während teilweise davon ausgegangen wird, der Nachweis einer Korrelation zwischen Computerspielen und aggressivem Verhalten sei in Form von Begünstigung bzw. Steigerung feindseliger Gedanken und Gefühle sowie körperlicher Erregung und aggressivem Verhalten erbracht und wissenschaftlich nicht mehr zu leugnen, können einzelne Studien keinerlei Zusammenhang feststellen.

VI. Berichterstattung in den Massenmedien und Nachahmungseffekte

Inwieweit Massenmedien an der Erzeugung und Verbreitung des Phänomens School Shooting beteiligt und mitverantwortlich sind, ist eine Frage, die sich gerade im Hinblick auf Nachahmungseffekte, dem sogenannten Copycat-Effect, immer wieder stellt.

Einzelne Fallstudien und Berichte zeigen wiederholt Zusammenhänge zwischen einem medial intensiv aufgearbeiteten Amoklauf und Nachahmungshandlungen. Ein erhöhtes Aufkommen von Taten nach spektakulären Fällen lässt sich deutlich erkennen.

Dabei wird umso häufiger und intensiver von einem School Shooting berichtet, je mehr Opfer dieses gefordert hat. Dies kann sehr folgenschwer sein, da einige Täter versuchen ihre Vorbilder zu übertreffen.

Wert wird von den Tätern teilweise sogar darauf gelegt, den gleichen Waffentypus oder das gleiche Outfit wie die Täter zu benutzen, die sie als besonders heroisch einstufen. Sie erscheinen späteren Schulamokläufern als „Popkultur-Ikonen“.

Allgemein lässt sich festhalten, dass die Täter sich in nahezu allen Fällen, in denen Nachforschung möglich war, intensiv mit vergangenen Taten beschäftigt haben.

Gerade in ihrer zeitlichen Nähe zu den Taten bergen mediale Berichte ein hohes Identifizierungspotenzial und können belasteten Jugendlichen eine Art faktische Rechtfertigung für die Begehung eines solchen Verbrechens liefern. Darüber hinaus kann die mediale Berichterstattung geradezu wie ein Auslöser für eine Nachahmungstat wirken.

Von einer Monokausalität im Sinne einer direkten Ansteckungswirkung kann jedoch nicht ausgegangen werden.

VIII. Fazit

Kein Prüfer erwartet von einem Prüfling genaue Zahlen oder Prozentsätze zu Schulamokläufen. Wichtig ist es einen Überblick zu behalten über die Multikausalität, die einem solchen Verbrechen zugrunde liegt. Eindimensionale Antworten sind somit in der Klausur absolut tabu! Auf der anderen Seite wird der Prüfer honorieren, wenn die Thematik möglichst differenziert dargelegt und in den Kontext zu allgemeinen kriminologischen Erkenntnissen gestellt wird.



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