Von der fehlerhaften Gesellschaft, die unter gewissen Mängeln existiert, ist die Scheingesellschaft zu unterscheiden. Hierbei wollen die handelnden Personen keine wirksame Gesellschaft errichten. Dennoch haften die Scheingesellschafter unter bestimmten Voraussetzungen für ihre Verbindlichkeiten wie tatsächliche Gesellschafter.
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Kommanditgesellschaft

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I. Allgemeines zur Scheingesellschaft

Grundsätzlich ist eine Scheingesellschaft eine Personengesellschaft, die rechtlich nicht existiert bzw. nur zum Schein geschlossen wurde. Denkbar sind verschiedene Fälle:

  • es wurde gar kein Gesellschaftsvertrag geschlossen.
  • es wird in Wahrheit eine andere Gesellschaft betrieben, als die, deren Bestehen die (Schein-) Gesellschafter behaupten.
  • der Gesellschaftsvertrag wurde nur zum Schein geschlossen, obwohl gar keine Gründung einer Gesellschaft beabsichtig war.

Die Scheingesellschaft wird nach dem allgemeinen Rechtsscheingrundsatz behandelt. Danach muss derjenige, der öffentliche Erklärungen im Rechtsverkehr abgibt, gutgläubige Dritte an diesen Erklärungen festhalten lassen.

Der Rechtsscheintatbestand kann ein objektiver Vertrauenstatbestand unterschiedlichster Art sein und ausdrücklich oder konkludent geweckt werden. Es gelten im Einzelnen die von der Anscheins- und Duldungsvollmacht bekannte, jedoch modifizierte Voraussetzungen.

Tipp: Schau dir zur Wiederholung unser Video zum Rechtsschein der Vollmacht (§ 164 BGB) an!

Bei Kapitalgesellschaften hingegen kann eine Scheingesellschaft nicht vorkommen, da der Gesellschaftsvertrag bei der Anmeldung zum Handelsregister vorzulegen ist (§ 37 Abs. 4 Nr. 1 AktG, § 8 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG). Die Kapitalgesellschaften entstehen zudem erst mit der Eintragung in das Register.

II. Prüfungsschema: Scheingesellschaft

Bezüglich der Prüfung einer Scheingesellschaft, kann sich an folgendem Schema orientiert werden:

  1. Rechtsschein des Bestehens einer Personengesellschaft
  2. Zurechenbarkeit des Rechtsscheins
  3. Schutzbedürftigkeit und Gutgläubigkeit des Dritten
  4. Rechtsfolgen

1. Rechtsschein des Bestehens einer Personengesellschaft

Die Handelnden müssen den Rechtsschein einer Personengesellschaft (bspw. einer oHG) veranlasst haben, indem sie als Gesellschafter einer solchen aufgetreten sind.

Im Handelsrecht ist anerkannt, dass der gute Glaube über die Rechtsscheintatbestände der §§ 5, 15 HGB hinausgeht. Rechtsscheintatbestände können hierbei ebenso die Verwendung von Briefbögen darstellen, die den Anschein erwecken, es handele sich um einen kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetrieb und mithin eine OHG oder wenn ein Angestellter des Kaufmanns mit p.p.a. signiert, was für Prokurist steht und im nicht-kaufmännischen Bereich nicht vorkommt.

Nicht ausreichend für einen Rechtsschein ist dagegen, wenn der Vertreter nur telefonisch oder mündlich und ohne auf den Rechtsfirmenzusatz (etwa OHG) aufmerksam zu machen oder allgemein „für den Betrieb kauft“.

2. Zurechenbarkeit des Rechtsscheins

Der Rechtsschein müsste zudem der Scheingesellschaft zurechenbar sein.

Definition: Zurechenbar ist der Rechtsschein demjenigen, der ihn durch Tun oder pflichtwidriges Unterlassen gesetzt hat.

Handelt ein Mitarbeiter der Scheingesellschaft, muss neben dem Schein der bestehenden Gesellschaft auch der Schein gesetzt worden sein, der Mitarbeiter habe Vertretungsmacht für die Gesellschaft.

Diesen Mitarbeiter muss der Prinzipal pflichtwidrig veranlasst haben. Es kommt Anscheins- oder Duldungsvollmacht in Frage.

Kommt man zu dem Schluss es handelt sich um eine Scheingesellschaft, so sind hinsichtlich des Vertretungsumfangs des Vertreters die entsprechend weiten Möglichkeiten i.S.v. Scheinhandlungsvollmacht und -prokura gem. §§ 48 Abs. 1 ff., 54 HGB zu beachten.

3. Schutzbedürftigkeit und Gutgläubigkeit des Dritten

Der Dritte muss gutgläubig und damit schutzwürdig sein, d.h. im Vertrauen auf eine tatsächlich bestehende Gesellschaft seine Willenserklärung abgegeben haben. Dies fehlt bei Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis vom Rechtsschein.

4. Rechtsfolgen

Als Rechtsfolge tritt die Gleichstellung von Rechtsschein und Wirklichkeit ein. Der Rechtsschein wirkt nur zu Lasten seines Verursachers. Scheingesellschafter sind zwar gem. § 128 S. 1 HGB verpflichtet – das Gesellschaftsrecht, insbes. im Innenverhältnis, also Liquidationsrecht etc., findet aber wegen inexistenter Gesellschaft keine Anwendung.

Der alte Spruch: „Wer als Kaufmann auftritt, gilt als Kaufmann“ gilt daher nur eingeschränkt. Der Dritte darf den entlarvten Rechtsscheinkaufmann (die OHG) als Nichtkaufmann behandeln. Der Rechtsscheinkaufmann darf hingegen nicht auf Anwendung von kaufmännischen Recht bestehen.



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