
Bild: “Buying donuts” von Matti Mattila. Lizenz: CC BY 2.0
Inhaltsverzeichnis
I. Allgemeines zu § 269 BGB
Vorab ist es wichtig sich klarzumachen, wer im konkreten Falle Schuldner und wer Gläubiger ist. Da es sich zumeist um gegenseitige, also synallagmatische, Verträge handelt, hängt die Bestimmung des Leistungsortes (§ 269 BGB) auch immer davon ab, was gerade geschuldet wird. Bei einem Kaufvertrag beispielsweise ist der Käufer Kaufpreisschuldner und gleichzeitig Gläubiger im Bezug auf die Übergabepflicht des anderen. Der Verkäufer ist Leistungsschuldner und Gläubiger der Kaufpreisforderung. Erst dann kann für das jeweilige Verhältnis der Leistungsort (§ 269 BGB) bestimmt werden.
II. Die Schuldarten des § 269 BGB
Es gibt drei verschiedene Arten von Schulden: Hol-, Bring- und Schickschuld. Zur Unterscheidung sind die Begriffe Leistungsort und Erfolgsort erforderlich.
Eine Holschuld besteht, wenn Erfolgs- und Leistungsort am Wohnsitz des Schuldners sind. Dieser schuldet lediglich die Bereitstellung der Leistung zur Abholung. Der Gläubiger muss die Sache beim Schuldner holen. Eine Holschuld ist als gesetzlicher Regelfall normiert (§ 269 Abs. 1, Abs. 2 BGB) und liegt im Zweifel vor.
Liegt eine Bringschuld vor, ist es geschuldet, die Leistung zum Gläubiger zu bringen. Leistungs- und Erfolgsort sind folglich am Wohnsitz des Gläubigers. In beiden Fällen stimmen Leistungs- und Erfolgsort überein.
Bei Schickschulden fallen Leistungs- und Erfolgsort auseinander. Nur das Auswählen einer geeigneten Transportart und das Abschicken sind geschuldet. Dieses geschuldete Handeln erfolgt am Wohnsitz des Schuldners selbst. Folglich ist das auch der Leistungsort. Der Leistungserfolg tritt jedoch erst ein, wenn der Gläubiger die Sache auch erhält. Erfolgsort ist Wohnsitz des Gläubigers. Hier treten vor allem Probleme im Zusammenhang mit der Gefahrtragung bei Versendungskäufen im Sinne des § 447 BGB auf.
III. Ausnahme des § 269 BGB: Geldschuld
Eine Ausnahme des § 269 BGB bilden Geldschulden nach § 270 BGB. Hier liegt eine qualifizierte Schickschuld vor. Zwar wird vom Schuldner lediglich das Absenden geschuldet. Jedoch geht die Gefahr noch nicht auf den Gläubiger über. Das Geld reist auf Gefahr des Schuldners.
IV. Bestimmung des Leistungsortes, § 269 BGB?
Die Bestimmung des Leistungsortes erfolgt nach § 269 BGB. Danach ist vorrangig die individuelle Parteivereinbarung maßgeblich. Haben die Vertragspartner einvernehmlich einen Ort bestimmt, ist dort zu leisten. Vor allem bei Alltagsgeschäften ergibt sich durch die Verkehrssitte häufig konkludent eine solche Vereinbarung. So ist beim Kauf eines Brötchens regelmäßig vereinbart, dass beide Leistungen, sowohl Kaufpreiszahlung als auch die Übergabe der Ware, vor Ort stattfinden sollen.
Ist keine Vereinbarung getroffen worden, bestimmt sich der Leistungsort (§ 269 BGB) nach den Umständen und nach der Natur des Schuldverhältnisses. Führen auch diese Kriterien nicht zum Ergebnis, ist der Leistungsort (§ 279 BGB) im Zweifel am Wohnsitz des Schuldners, § 269 Abs. 1 BGB.
Merke: Im Zweifel – Holschuld § 269 Abs. 1 BGB
Zu beachten ist im Übrigen auch § 269 Abs. 3 BGB, nach dem die Übernahme von Versendungs- oder Transportkosten durch den Schuldner nicht automatisch eine Bringschuld begründet.
V. Fazit zu § 269 BGB
Die Bestimmung des richtigen Leistungsortes (§ 269 BGB) erscheint auf den ersten Blick simpel. Sie ist aber unbedingt exakt zu beherrschen, da im Zusammenhang mit § 447 BGB, der die Gefahrtragung beim Versendungskauf regelt, und den Ausnahmen beim Verbrauchsgüterkauf, gemäß § 474 BGB, durchaus komplexe Probleme entstehen können.
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11 Gedanken zu „Der Leistungsort, § 269 BGB“
In welchen Situationen liegt denn z.B. eine Bringschuld vor, wenn gesetzliche Grundlage die Holschuld ist und
§ 270 eine modifizierte Schickschuld. Eigentlich nur wenn die Parteien dies vereinbaren oder auch in anderen Fällen ?
Hallo Max.
Ausgehend vom Auslegungsgrundsatz aus § 269 I BGB liegt eine Bringschuld dann vor, wenn die Parteien eine solche entweder vereinbart haben, oder sich eine solche aus den Umständen / der Natur des Schuldverhältnisses ergibt.
Wichtig zu merken ist, dass § 269 I BGB die Holschuld nicht gesetzlich für alle Fälle anordnet, sondern nur für die Zweifelsfälle. D.h. insbesondere entsprechende Parteivereinbarungen sind immer vorrangig zu berücksichtigen.
§ 270 BGB hingegen kommt auch ohne entsprechende Parteivereinbarung bei Geldschulden zur Anwendung.
Viele Grüße,
Désirée Linsmeier
Heisst dies alles nun auch, dass um Zweifel keine Bringschuld vorliegt?
269 III
Die Bestimmung des Leistungsortes erfolgt gem. § 269 I BGB durch Auslegung der Parteivereinbarungen.
Aus dem Umstand heraus, dass vereinbart wurde, dass der Schuldner die Kosten für den Versand übernimmt, könnte geschlossen werden, dass eine Bringschuld vorliegt, der Leistungsort mithin beim Gläubiger liegen soll.
Eine solche Auslegung der Parteiwillen verhindert aber § 269 III. Danach kommt einer solchen Versandkostenübernahme-Vereinbarung keine Indizwirkung für das Vorliegen einer Bringschuld zu. Vielmehr bleibt es – sofern keine weiteren Vereinbarungen vorliegen – beim Grundsatz aus § 269 I, wonach (im Zweifel) eine Holschuld vorliegt.
Freundliche Grüße,
Désirée
„Vielmehr bleibt es – sofern keine weiteren Vereinbarungen vorliegen – beim Grundsatz aus § 269 I, wonach (im Zweifel) eine Holschuld vorliegt.“
Wie du bereits zutreffend dargelegt hast, begründet nach § 269 III die alleinige Übernahme der Versandkosten keine Bringschuld. Die Tatsache, dass der Schuldner die Versandkosten übernommen hat, lässt jedoch auf eine Schickschuld – und keine Holdschuld – schließen.
Hallo Frau Jaehne,
ich hätte eine Frage bezüglich der Änderung des Leistungsortes, die sie vielleicht beantworten können.
Was liegt vor, wenn die beiden Vertragsparteien zunächst einen Kaufvertrag abschließen (mit ausdrücklicher Holschuld) und anschließend eine Lieferung auf mehrmaliges Bitten vereinbaren?
Ist der Vertrag also nachträglich geändert worden?
Freundliche Grüße,
Lilli
bzw liegt nach 150 ein neuer Vertrag vor?
Hallo Lilli.
Der Leistungsort kann auch nach Vertragsschluss noch durch entsprechende Parteivereinbarung geändert werden, ohne dass dadurch entsprechend § 150 BGB von einem erneuten Vertragsschluss zu geänderten Bedingungen ausgegangen werden muss.
Allerdings sind die Parteivereinbarungen in diesem Fall genau zu betrachten. In dem von dir beschriebenen Fall würde ich ohne von einem neuen Vertragsschluss (§ 150 BGB) auszugehen, eine Änderung des Leistungsortes von einer Holschuld, hin zu einer Schickschuld bejahen. Da der Versand wohl auf Bitten des Käufers erfolgte ist dann im Hinblick auf den Gefahrenübergang insbesondere § 447 BGB zu beachten.
Mit freundlichen Grüßen,
Désirée Linsmeier
Im Hinblick auf § 447 ist auch der § 474 IV hinzu zuziehen, sofern es sich um ein B2C Geschäft handelt. Hier muss der Käufer die zur Ausführung der Versendung bestimmte Person selbst beauftragt haben und diese darf der Verkäufer auch nicht zuvor genannt haben. Diese sehr hohen Anforderungen lassen eine Anwendbarkeit des § 447 im B2C faktisch entfallen. Selbst wenn diese vorliegen würden, würde die Transportperson einen Erfüllungsgehilfen des Käufers nach § 278 darstellen, sodass eine Holschuld vorliegt und die Anwendbarkeit des § 447 dadurch entfällt.
Im zweiten Absatz bei den Schuldarten wird auf § 296 BGB verwiesen. Dies muss § 269 BGB heißen.
Hallo Patrick,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Ich habe es angepasst.
Freundliche Grüße,
Maria Jähne.