Das fehlerhafte oder faktische Arbeitsverhältnis ist Teil des Individualarbeitsrechts. Es ist gesetzlich nicht geregelt und muss daher für die Klausur auswendig gelernt werden. In diesem Beitrag erfährst du alles examensrelevante über die Voraussetzungen dieser Konstellation.
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Chaos auf Arbeit


I. Allgemeines zum faktischen Arbeitsverhältnis

Die Rückabwicklung nichtiger oder anfechtbarer Verträge vollzieht sich grundsätzlich über das Bereicherungsrecht, d.h. über die §§ 812 ff. BGB. Die Anwendung auf Arbeitsverhältnisse erscheint jedoch problematisch.

Das Arbeitsverhältnis ist ein in Vollzug gesetztes Dauerschuldverhältnis. Somit passen hier die Regelungen der §§ 812 ff. BGB nicht, da sich eine Rückabwicklung angesichts der zahlreichen  wechselseitigen Ansprüche als sehr kompliziert erweisen würde.

Insbesondere auf Seiten des Arbeitnehmers besteht die Gefahr, dass diesem relevante Arbeitnehmerschutzgesetze verloren gingen, denn im Sinne der §§ 812 ff. BGB hätte er zum Beispiel während einer Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder während seiner Urlaubszeit nichts nach dem Bereicherungsrecht geleistet. Mithin stünde dem Arbeitnehmer dann auch kein Anspruch auf Wertersatz über § 818 Abs. 2 BGB zu. Des Weiteren würde dem Arbeitgeber auch der Einwand aus § 818 Abs. 3 BGB genommen werden.

Zur Lösung des Problems wurde die Figur des fehlerhaften bzw. faktischen Arbeitsverhältnisses entwickelt. Sie weist Ähnlichkeiten mit der sog. fehlerhaften Gesellschaft auf.

Definition: Ein fehlerhaften bzw. faktischen Arbeitsverhältnis ist gegeben, wenn dieses nichtig oder durch Anfechtung rechtsunwirksam ist, der Arbeitnehmer seine Arbeit aber bereits aufgenommen hat.

II. Schema: fehlerhaftes bzw. faktisches Arbeitsverhältnis

In der Klausur kann sich an folgendem Prüfungsschema für das fehlerhafte bzw. faktische Arbeitsverhältnis orientiert werden:


fehlerhaftes Arbeitsverhältnis Voraussetzungen

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1. Vorliegen eines fehlerhaften Arbeitsverhältnisses

Zunächst muss ein sog. fehlerhaftes Arbeitsverhältnis vorliegen. Hierzu ist eine natürliche Willenseinigung zwischen den Parteien mit dem Inhalt erforderlich, dass gegen Entgelt gearbeitet werden soll.

Der Begriff „fehlerhaft“ ist hierbei grundsätzlich recht weit auszulegen. Somit lässt sich hierunter jeder nichtige Vertrag subsumieren (z.B. aufgrund der Geschäftsunfähigkeit einer Vertragspartei), sofern mindestens ein Vertragspartner von der Gültigkeit des Vertrages ausgeht.

Das Vorliegen eines fehlerhaften Arbeitsverhältnisses setzt nicht unbedingt einen unwirksamen Arbeitsvertrag voraus, sofern beide Vertragspartner nur von entsprechenden Verpflichtungen fälschlicherweise ausgehend eine arbeitsrechtlich relevante Leistung erbringen.

2. In Vollzug gesetztes Arbeitsverhältnis

Ferner muss das Arbeitsverhältnis auch in Vollzug gesetzt, d.h. tatsächlich aufgenommen worden sein. Andernfalls würde sich kein Problem im Rahmen der Rückabwicklung ergeben.

3. Keine entgegenstehenden höherrangigen Interessen

Zudem dürfen keine höherrangigen Interessen entgegenstehen, denn, ein sog. fehlerhaftes Arbeitsverhältnis wird nicht anerkannt, sofern überwiegende öffentliche Interessen oder schutzwürdige Belange des Einzelnen entgegenstehen.

Möglich sind hier beispielsweise:

  • Sittenwidrigkeit des Vertrages nach § 138 Abs. 1 BGB,
  • Treuwidrigkeit des Vertrages nach § 242 BGB oder
  • Minderjährigenschutz

Sofern der Arbeitnehmer oder aber auch der Arbeitgeber minderjährig sind, besteht nur für den Minderjährigen die Möglichkeit, sich auf das fehlerhafte Arbeitsverhältnis zu berufen, so dass dieser z.B. seinen Lohn für die erbrachte Arbeit auch tatsächlich verlangen kann. Der andere Vertragsteil ist demgegenüber jedoch auf die schwächeren Ansprüche des Bereicherungsrechts verwiesen.

4. Rechtsfolgen

Nach überwiegender Ansicht tritt bei bereits erfolgter Invollzugsetzung des Arbeitsverhältnisses an die Stelle der Rückwirkung (ex tunc) ausnahmsweise eine Unwirksamkeit erst ab der Anfechtung,
also ex nunc – in ihrer Wirkung steht die Anfechtung damit einer fristlosen Kündigung gleich.

Für die Vergangenheit gilt das Arbeitsverhältnis also als wirksam, womit alle Ansprüche des Arbeitnehmers bestehen bleiben.

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