Die Unwirksamkeitsregeln sind im Gesellschaftsrecht modifiziert. Ist die Gesellschaft in Vollzug gesetzt und Gesellschaftsschulden bereits begründet, aber ein Fehler in der Gründung der Gesellschaft unterlaufen, stellt sich die Frage, ob sich an der Haftung etwas ändert. Für dieses Problem hat die Rechtsprechung die sogenannte fehlerhafte Gesellschaft entwickelt. Da diese gesetzlich nicht geregelt ist, stellt sie ein beliebtes Prüfungsthema im ersten Staatsexamen dar.
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I. Die fehlerhafte Gesellschaft

Die fehlerhafte Gesellschaft dient der Abwicklung unwirksamer Verträge über die Gründung einer Gesellschaft. Aus praktischen bzw. tatsächlichen Gründen scheidet eine Rückabwicklung aller Leistungen regelmäßig aus.

Ein Gesellschaftsvertrag gem. § 705 BGB kommt nach den allgemeinen Regeln zum Vertragsschluss gem. §§ 145 ff. BGB zustande. Es gelten daher auch die üblichen Unwirksamkeitsgründe gem. §§ 104 ff., 119 ff., 125, 155, 181 BGB. Stellt sich zu einem späteren Zeitpunkt nach Innvollzugsetzung der Gesellschaft die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages heraus, würde nach den gesetzlichen Regelungen grundsätzlich eine Rückabwicklung nach §§ 812 ff. BGB in Frage kommen. Eine ex-tunc-Nichtigkeit wirft jedoch nicht abzusehende Rückabwicklungsproblematiken auf, sowohl zwischen den Gesellschaftern als auch im Verhältnis zu Dritten.

Daher hat die Rechtsprechung die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft“ entwickelt (BGH NJW 1992, 1501), wonach Unwirksamkeitsgründe lediglich ex-nunc wirken.

Bei Kapitalgesellschaften stellt sich das Problem meist nicht, da hier bspw. gem. § 275 AktG erst die Klage zur Nichtigkeit führt. I.d.R. finden die Regeln zur fehlerhaften Gesellschaft also in Personengesellschaften Anwendung. Ähnliches gilt im Arbeitsrecht beim in Vollzug gesetzten „fehlerhaften“ bzw. „faktischen“ Arbeitsverhältnis.


Schaubild fehlerhafte Gesellschaft

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II. Prüfungsschema: fehlerhafte Gesellschaft

Bezüglich der Prüfung einer fehlerhaften Gesellschaft, kann sich an folgendem Schema orientiert werden:

  1. Abschluss eines fehlerhaften Gesellschaftsvertrages
  2. Invollzugsetzung des Gesellschaftsvertrages
  3. Keine entgegenstehenden Individual- oder Allgemeininteressen
  4. Rechtsfolgen der fehlerhaften Gesellschaft

1. Abschluss eines fehlerhaften Gesellschaftsvertrages

Die erste Voraussetzung für die Anwendung der fehlerhaften Gesellschaft ist der Abschluss eines fehlerhaften Gesellschaftsvertrags. Hier gelten die allgemeinen Regeln gem. §§ 145 ff. BGB. An dieser Stelle werden in der Klausur gerne kleinere Probleme aus dem Allgemeinen Teil des BGB eingebaut.

Der Fehler kann in der Unwirksamkeit oder auch Anfechtbarkeit des Vertrags liegen. Die Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft finden auch Anwendung bei der fehlerhaften Änderung eines bereits bestehenden Vertrages, bspw. bei fehlerhaftem Ein- oder Austritt eines Gesellschafters.

2. Invollzugsetzung des Gesellschaftsvertrags

Zudem muss der Gesellschaftsvertrag in Vollzug gesetzt worden sein. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Gesellschaft Rechtsbeziehungen zu Dritten aufgenommen hat.

Ist noch keine Tätigkeit nach Außen hin erkennbar, so liegt eine Invollzugsetzung dennoch bereits vor, wenn die Gesellschafter ein Gesamthandsvermögen gebildet oder Beschlüsse auf Grund des Gesellschaftsvertrags gefasst haben.

3. Keine entgegenstehenden Individual- oder Allgemeininteressen

Die Regeln finden keine Anwendung bei überwiegenden Interessen der Allgemeinheit oder bestimmter schutzwürdiger Personen, insbesondere bei Verstoß gegen §§ 134, 138 BGB oder wenn der Gesellschafter sich nur durch arglistige Täuschung oder Drohung beteiligt.


Ausnahmen fehlerhafte Gesellschaft

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4. Rechtsfolge der fehlerhaften Gesellschaft

Für die Vergangenheit wird die fehlerhafte Gesellschaft bis zur Geltendmachung des Fehlers als wirksam betrachtet.

Die fehlerhafte Gesellschaft erlischt wie jede andere Gesellschaft erst mit Auseinandersetzung und Vollbeendigung. Sie kann bis zu diesem Zeitpunkt weitere Rechte und Pflichten im Außenverhältnis erwerben (§ 128 HGB gilt analog), sowie im Innenverhältnis alle vertraglichen Abmachungen über Beitragspflicht, Gewinn- und Verlustbeteiligung. Das Gesellschaftsrecht, insbesondere die Auseinadersetzungsregeln, §§ 731 ff. BGB, gelten weiter.

In Bezug auf das Vermögen der fehlerhaften Gesellschaft ist sie auch insolvenfähig, sobald sie in Vollzug gesetzt wurde.

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