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Die Ausgangssituation
Der Drittschadensliquidation liegt die Situation zugrunde, dass der Schuldner gegenüber seinem Vertragspartner eine Pflichtverletzung begangen hat. Hierdurch ist einem Dritten ein Vermögensschaden entstanden, dem jedoch kein Anspruch gegenüber dem Schuldner zusteht. Der Vertragspartner hat dagegen einen Anspruch, aber keinen Schaden. Diese Konstellation kann sich auch bei einer unerlaubten Handlung ergeben: Die Rechtsgutverletzung erfolgt bei einer anderen Person als derjenigen, die den Schaden erleidet [Brox/Walker, SchuldR AT, § 29 Rn. 14].
Danach wäre der Schädiger normalerweise nicht schadensersatzpflichtig. Um dieses Ergebnis zu vermeiden, wendet die herrschende Meinung jedoch die Figur der Drittschadensliquidation an. Das bedeutet, dass der Vertragspartner ausnahmsweise den Schaden des Dritten geltend machen kann. Den Schadensersatz führt er dann an diesen ab [Brox/Walker, SchuldR AT, § 29 Rn. 14].
Die Voraussetzungen der Drittschadensliquidation
Wie sich bereits teilweise aus der Ausgangssituation herleiten lässt, hat die Drittschadensliquidation diese Voraussetzungen [Brox/Walker, SchuldR AT, § 29 Rn. 15]:
I. Anspruch ohne Schaden
Hinsichtlich einer Person müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Anspruchs erfüllt sein. Sie selbst darf allerdings keinen ersatzfähigen Schaden haben.
II. Schaden ohne Anspruch
Eine weitere Person muss einen Schaden erlitten haben. Bei ihr dürfen allerdings nicht die Tatbestandsmerkmale eines Anspruchs erfüllt sein.
III. Zufällige Schadensverlagerung
Hinzutreten muss, dass die Schadensverlagerung zufällig von dem Anspruchsberechtigten auf einen Dritten erfolgt ist, wobei über die Zufälligkeit aus der Sicht des Schädigers zu entscheiden ist. Sie ist ausgeschlossen, wenn sie aufgrund eines Vertrags erfolgte (z.B. aufgrund eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter) [Brox/Walker, SchuldR AT, § 29 Rn. 15].
Die Konsequenz der Drittschadensliquidation
Sind die Voraussetzungen der Drittschadensliquidation erfüllt, wird „der Schaden zum Anspruch gezogen“. Der Vertragspartner kann den Anspruch gegenüber dem Schädiger geltend machen, ist im Innenverhältnis aber dazu verpflichtet, den Schadensersatz an den Geschädigten herauszugeben bzw. den Schadensersatzanspruch an ihn abzutreten. Dies ergibt sich in der Regel aus § 285 BGB. Ist § 285 nicht einschlägig, muss auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Vertragspartner und dem Geschädigten als Grundlage zurückgegriffen werden [Brox/Walker, SchuldR AT, § 29 Rn. 16].
Die verschiedenen Fallkonstellationen der Drittschadensliquidation
Die Drittschadensliquidation bildet eine Ausnahme von der Grundregel, dass jeder seinen Schaden selbst geltend machen muss. Aus diesem Grund ist sie nur in einigen Fallkonstellationen anerkannt [Brox/Walker, SchuldR AT, § 29 Rn. 17, zu den Fallkonstellationen Rn. 17 ff.]:
I. Obligatorische Gefahrentlastung
Eine Fallgruppe ist die der sogenannten obligatorischen Gefahrentlastung beim Versendungskauf gemäß § 447 BGB. Hierbei wird die Sache durch die Transportperson beschädigt. Der Verkäufer hat sich dabei seiner Leistungspflicht bereits entledigt. Der Käufer erleidet einen Schaden, hat aber keinen eigenen Anspruch gegen die Transportperson, sodass hier die Konstruktion der DSL anwendbar ist [Brox/Walker, SchuldR AT, § 29 Rn. 18].
II. Mittelbare Stellvertretung
Der mittelbaren Stellvertretung liegt die Situation zugrunde, dass der Stellvertreter nicht in fremdem Namen handelt. Er wird stattdessen in seinem Namen aber auf fremde Rechnung tätig. Verletzt der Vertragspartner des mittelbaren Stellvertreters seine vertraglichen Pflichten, steht nur dem mittelbaren Stellvertreter ein Anspruch gegen ihn zu. Den Schaden erleidet jedoch der Vertretene [Brox/Walker, SchuldR AT, § 29 Rn. 22].
III. Obhut für fremde Sachen
Die herrschende Meinung erkennt eine Drittschadensliquidation auch bei der Inobhutnahme fremder Sachen an.
Bsp.: A verwahrt eine wertvolle Keramikskulptur des B in seinem Garten. Für die Pflege des Gartens beauftragt er das Unternehmen C. Dessen Angestellter D schubst die Skulptur versehentlich mit dem Rasenmäher um, sodass diese zerstört wird. Hier hat A einen vertraglichen Anspruch gegen C, ihm selbst ist jedoch kein Schaden entstanden. B hat dagegen einen Schaden erlitten. Ihm steht gegen D ein Anspruch aus § 823 I zu, daneben hat er gegen C gegebenenfalls einen Anspruch aus § 831 I 1.
Diese lassen sich aber mitunter nicht oder nur schwer realisieren, wenn C sich exkulpieren kann und D mittellos ist, sodass hier die Anwendung der Drittschadensliquidation anerkannt wird. Dagegen wird jedoch eingewandt, dass B tatsächlich eigene Ansprüche zustehen und die Anwendung der Rechtsfigur hier nur dazu dient, ihn hinsichtlich des Risikos einer mangelnden Realisierungsmöglichkeit abzusichern [Brox/Walker, SchuldR AT, § 29 Rn. 24].
Quelle
Brox, Hans/Walker, Wolf-Dietrich: Allgemeines Schuldrecht, 39. Aufl., München 2015
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