Sofern ein Ar­beits­verhält­nis un­ter das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) fällt und der Arbeitnehmer somit einen allgemei­nen Kündigungsschutz ge­nießt, benötigt der Ar­beit­ge­ber nicht nur für ei­ne außer­or­dent­li­che, son­dern auch für ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung ei­nen vernünf­ti­gen Grund, da­mit die Kündi­gung überhaupt ihre Wirksamkeit entfaltet. Dieser Teil des Individualarbeitsrechts widmet sich der betriebsbedingten Kündigung.
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I. Kündigungsgründe

Die Unterschiede zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung sind in der folgenden Tabelle aufgeführt:


Ordentliche Kündigung

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Das KSchG bie­tet dem Ar­beit­ge­ber drei Gründe an, nämlich die Kündi­gung aus Gründen in der Person des Arbeitneh­mers (personenbedingte Kündigung), die Kündi­gung aus Gründen im Verhalten des Ar­beit­neh­mers (verhaltensbedingte Kündigung) und die Kündi­gung aus be­triebs­be­ding­ten Gründen (betriebsbedingte Kündigung).

Tipp: Mehr zum Thema? Lies hier den Artikel zur personenbedingten Kündigung!

Als be­triebs­be­ding­te Kündi­gung gilt ei­ne vom Ar­beit­ge­ber aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung, mit der ei­nem Arbeitneh­mer, der durch das KSchG geschützt ist, (trotz­dem) in recht­lich zulässi­ger Wei­se or­dent­lich gekündigt wer­den kann, falls dem Ar­beit­ge­ber we­gen drin­gen­der be­trieb­li­cher Er­for­der­nis­se, die ei­ner Wei­ter­beschäfti­gung des Ar­beit­neh­mers ent­ge­gen­ste­hen, die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht möglich ist.

In der Pra­xis wer­den be­triebs­be­ding­te Kündi­gun­gen oftmals im Falle der Sch­ließung oder Aus­la­ge­rung von Abteilun­gen, bei Maßnah­men der Um­struk­tu­rie­rung oder bei Be­triebs­stil­le­gun­gen (z. B. bei In­sol­venz) ausgesprochen.

Zu beachten ist hierbei jedoch, dass der Schutz des Arbeitnehmers gegen eine betriebsbedingte Kündigung nicht allzu weit reicht. Leider verträgt sich in der Realität des Arbeitsmarktes ein absoluter Bestandsschutz nicht mit der Notwendigkeit eines wirtschaftlichen Einsatzes des Faktors Arbeit. Denn zugleich soll die Erhaltung der wirtschaftlichen Substanz auch andere Arbeitnehmer eines Unternehmens vor einem Arbeitsplatzverlust bewahren.

Tipp: Mehr zum Thema? Beschäftige dich hier mit der Begründetheit der Klage gegen eine ordentliche Kündigung!

II. Die dreistufige Prüfung

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Eine be­triebs­be­ding­te Kündi­gung wird anhand von drei Stufen auf Ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft:

  1. Es darf für den Arbeitnehmer zu den ursprünglichen Arbeitsbedingungen aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr geben.
  2. Zudem darf keine andere Möglichkeit der Weiterbeschäftigung vorliegen.
  3. Zuletzt muss eine ordnungsgemäße Sozialauswahl stattfinden.
Beachte: Sofern nur ei­ne die­ser Vor­aus­set­zun­gen fehlt, ist die Kündi­gung un­wirk­sam.

1. Dringende betriebliche Erfordernisse

Zu den dringenden be­trieb­li­chen Er­for­der­nis­sen zählen z. B. Rationalisierungsmaßnahmen, eine Umstellung oder Einschränkung der Produktion bzw. auch ein Auftragsmangel oder ein Umsatzrückgang. Dies sind vor allem in wirtschaftlich schlechten Zeiten wichtige Gründe für eine be­triebs­be­ding­te Kündi­gung.

Es genügt aber nicht, wenn der Ar­beit­ge­ber zur Be­gründung der Kündi­gung pau­schal auf ei­nen Umsatzrückgang oder auf die Not­wen­dig­keit von Ein­spa­run­gen ver­weist. Der Ar­beit­ge­ber muss viel­mehr dar­le­gen, dass er sich wegen des Um­satzrück­gangs zu ei­nem Per­so­nal­ab­bau in ei­ner be­stimm­ten Größen­ord­nung, in be­stimm­ten Betriebs­ab­tei­lun­gen bzw. bei be­stimm­ten Ar­beit­neh­mer­grup­pen ent­schie­den hat.

Ob ei­ne sol­che un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung be­triebs­wirt­schaft­lich sinn­voll ist, wird vom Ar­beits­ge­richt allerdings nicht über­prüft. Die Ent­schei­dung muss nur zu­sam­men mit ih­ren Aus­wir­kun­gen auf den Be­darf an bestimm­ten Ar­beits­kräften nach­voll­zieh­bar dar­ge­legt wor­den sein.

2. Der Wegfall des Arbeitsplatzes

Ferner muss die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung zum Wegfall des Arbeitsplatzes des aufgekündigten Arbeitnehmers geführt haben. Dies liegt immer dann vor, wenn mehr besetzte Arbeitsplätze vorliegen, als der Arbeitgeber für die jeweils anfallende Arbeit benötigt.

Jedoch ist aufgrund des ultima-ratio-Prinzips, das in § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG durch die Termini „dringend“ und „bedingt“ zum Ausdruck kommt, darauf zu achten, dass der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung zunächst andere wirtschaftlich vertretbare Maßnahmen durchgeführt hat. Dies kann z. B. der Abbau von Überstunden sein – nicht jedoch die Einführung von Kurzarbeit, denn diese setzt lediglich eine vorübergehende, fehlende Beschäftigungsmöglichkeit voraus.

3. Ohne anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit

Des Weiteren darf keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit bestehen, d. h. sofern der Arbeitnehmer in dem selben oder einem anderen Betrieb weiterbeschäftigt werden kann, ist eine Kündigung ausgeschlossen.

4. Die Sozialauswahl

Sch­ließlich muss der Ar­beit­ge­ber bei der Aus­wahl des gekündig­ten Ar­beit­neh­mers so­zia­le Ge­sichts­punk­te aus­rei­chend berück­sich­ti­gen, d. h. er darf kei­nen Feh­ler bei der So­zi­al­aus­wahl ma­chen (§ 1 Abs. 3 KSchG).


Betriebsbedingte Kündigung Sozialauswahl

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a.) Die Bildung von Vergleichsgruppen

Bei der Bildung von Vergleichsgruppen ist der Personenkreis zu ermitteln, der für die Auswahl unter sozialen Gesichtspunkten in Betracht kommt.

Innerhalb des Betriebes – nicht jedoch innerhalb des Unternehmens oder gar des Konzerns – sind immer sämtliche Arbeitnehmer zu berücksichtigen, die vergleichbar sind mit dem, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, wobei sich die Vergleichbarkeit nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen richtet.

Vergleichbar sind somit allein diejenigen Arbeitnehmer, die im Hinblick auf die von ihnen ausgeübte Tätigkeit austauschbar sind. Entscheidend ist damit, dass der Arbeitnehmer dessen Arbeitsplatz entfällt, in der Lage ist, die gleichwertige Arbeit eines anderen Arbeitnehmers auszuüben.

Eine Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer stellt sich jedoch nur ein, sofern diese auf der gleichen hierarchischen Ebene im Betrieb im Hinblick auf die von ihnen ausgeübte Tätigkeit hin austauschbar sind. Somit muss die Versetzung auf den anderen Arbeitsplatz vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt sein. Dies wird unter dem Stichwort der horizontalen Vergleichbarkeit behandelt.

Demgegenüber sind Arbeitnehmer der unterschiedlichen Stufen der horizontalen Vergleichbarkeit nicht austauschbar (sog. vertikale Vergleichbarkeit).

Beachte: Bei der Bildung von Vergleichsgruppen ist zudem darauf zu achten, ob bestimmte Personen vorrangig zu kündigen sind bzw. komplett aus der Sozialauswahl herausfallen.

b.) Die Kriterien der Sozialauswahl

Die eigentliche Sozialauswahl hat innerhalb des festgelegten Personenkreises zu erfolgen. Das Prin­zip der So­zi­al­aus­wahl be­sagt, dass nur die­je­ni­gen Ar­beit­neh­mer gekündigt wer­den können, die so­zi­al am we­nigs­ten schutz­bedürf­tig sind. Da­zu sagt § 1 Abs. 3 bis Abs. 5 KSchG in der ab dem 01.01.2004 gel­ten­den Fas­sung:

  • Abs. 3: Ist ei­nem Ar­beit­neh­mer aus drin­gen­den be­trieb­li­chen Er­for­der­nis­sen im Sin­ne des Ab­sat­zes 2 gekündigt wor­den, so ist die Kündi­gung trotz­dem so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt, wenn der Ar­beit­ge­ber bei der Aus­wahl des Ar­beit­neh­mers die Dau­er der Be­triebs­zu­gehörig­keit, das Le­bens­al­ter, die Un­ter­halts­pflich­ten und die Schwer­be­hin­de­rung des Ar­beit­neh­mers nicht oder nicht aus­rei­chend berück­sich­tigt hat; auf Ver­lan­gen des Ar­beit­neh­mers hat der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer die Gründe an­zu­ge­ben, die zu der ge­trof­fe­nen so­zia­len Aus­wahl geführt ha­ben. In die so­zia­le Aus­wahl nach Satz 1 sind Ar­beit­neh­mer nicht ein­zu­be­zie­hen, de­ren Wei­ter­beschäfti­gung, ins­be­son­de­re we­gen ih­rer Kennt­nis­se, Fähig­kei­ten und Leis­tun­gen oder zur Si­che­rung ei­ner aus­ge­wo­ge­nen Per­so­nal­struk­tur des Be­trie­bes, im be­rech­tig­ten be­trieb­li­chen In­ter­es­se liegt. Der Ar­beit­neh­mer hat die Tat­sa­chen zu be­wei­sen, die die Kündi­gung als so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt im Sin­ne des Sat­zes 1 er­schei­nen las­sen.
  • Abs. 4: Ist in ei­nem Ta­rif­ver­trag, in ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung nach § 95 des Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­set­zes oder in ei­ner ent­spre­chen­den Richt­li­nie nach den Per­so­nal­ver­tre­tungs­ge­set­zen fest­ge­legt, wie die so­zia­len Ge­sichts­punk­te nach Ab­satz 3 Satz 1 im Verhält­nis zu­ein­an­der zu be­wer­ten sind, so kann die so­zia­le Aus­wahl der Ar­beit­neh­mer nur auf gro­be Feh­ler­haf­tig­keit über­prüft wer­den.
  • Abs. 5: Sind bei ei­ner Kündi­gung auf­grund ei­ner Be­triebsände­rung nach § 111 des Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­set­zes die Ar­beit­neh­mer, de­nen gekündigt wer­den soll, in ei­nem In­ter­es­sen­aus­gleich zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat na­ment­lich be­zeich­net, so wird ver­mu­tet, dass die Kündi­gung durch drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se im Sin­ne des Ab­sat­zes 2 be­dingt ist. Die so­zia­le Aus­wahl der Ar­beit­neh­mer kann nur auf gro­be Feh­ler­haf­tig­keit über­prüft wer­den. Die Sätze 1 und 2 gel­ten nicht, so­weit sich die Sach­la­ge nach Zu­stan­de­kom­men des In­ter­es­sen­aus­gleichs we­sent­lich geändert hat. Der In­ter­es­sen­aus­gleich nach Satz 1 er­setzt die Stel­lung­nah­me des Be­triebs­rats nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Gemäß § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG sind hierbei also zu berücksichtigen:

  • Die Dau­er der Be­triebs­zu­gehörig­keit
  • Das Le­bens­al­ter
  • Un­ter­halts­pflich­ten
  • bzw. eine et­wai­ge Schwer­be­hin­de­rung des Ar­beit­neh­mers

Bei der So­zi­al­aus­wahl trifft es al­so eher die­je­ni­gen Arbeitnehmer, die jung und ver­gleichs­wei­se kurz beschäftigt sind, die kei­ne Un­ter­halts­pflich­ten erfüllen müssen und die kei­ne Schwer­be­hin­de­rung auf­wei­sen. Bei sog. Massenentlassungen wird ein Arbeitgeber in der Regel auf Punktetabellen zurückgreifen.

Beispiel: Der Ar­beit­ge­ber steht vor der Ent­schei­dung, aus be­triebs­be­ding­ten Gründen ent­we­der Arbeitnehmer Schlau oder Arbeitnehmer Klug zu kündi­gen. Schlau ist 55 Jah­re alt und seit 15 Jah­ren im Be­trieb beschäftigt; zudem ha­t Schlau zwei un­ter­halts­be­rech­tig­te Kin­der. Arbeitnehmer Klug da­ge­gen ist 30 Jah­re alt, erst seit drei Jah­ren im Be­trieb tätig und hat kei­ne Kin­der. Hier muss der Ar­beit­ge­ber Arbeitnehmer Klug kündi­gen, da er weniger als Arbeitnehmer Schlau auf sei­nen Ar­beits­platz an­ge­wie­sen ist. Die So­zi­al­aus­wahl geht da­her zu Guns­ten des Arbeitnehmers Schlau aus.

c.) Berechtigtes betriebliches Interesse an bestimmten Arbeitnehmern
Mitunter besteht ein berechtigtes betriebliches Interesse des Arbeitgebers an bestimmten Arbeitnehmern. Somit können von der Sozialauswahl diejenigen Arbeitnehmer ausgenommen werden, deren Weiterbeschäftigung aufgrund ihrer Kenntnisse und Leistungen (sog. Leistungsträger) bzw. zur Erhaltung einer ausgewogenen Personalstruktur im berechtigten betrieblichen Interesse liegt (§ 1 Abs. 3 S. 2 KSchG).

Beachte: Der Arbeitgeber darf jedoch einzelne Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl herausnehmen.

5. Der Anspruch auf eine Wiedereinstellung

Dem Arbeitnehmer steht im Fall einer be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung jeweils dann ein Anspruch auf eine Wiedereinstellung zu, sofern sich zwischen dem Ausspruch der Kündigung und dem Ablauf der Kündigungsfrist eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ergibt und zugleich der Wiedereinstellung keine berechtigten Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen.


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