
Bild: “Wrecking Ball” von Bart Everson. Lizenz: CC BY 2.0
Im Bauordnungsrecht der Länder stehen den Bauaufsichtsbehörden verschiedene Maßnahmen zur Verfügung. Für die Examensvorbereitung besonders relevante Maßnahmen sind dabei die Abrissverfügung sowie die Nutzungsuntersagung. Eine Abrissverfügung kommt in Frage, wenn die bauliche Anlage bereits errichtet ist. Die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen dieser Maßnahme werden nachfolgend dargestellt.
Rechtsgrundlage einer Abrissverfügung
Nach dem Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 III GG) bedarf es für eine Abrissverfügung (auch Beseitigungsanordnung genannt) eine Gesetzesgrundlage. Eine solche findet sich in den jeweiligen Bauordnungen der Länder, z.B. § 65 LBO BW, § 80 SächsBO, Art. 76 BayBO, § 61 BauO NRW. Obgleich das Bauordnungsrecht Ländersache ist, sind die Voraussetzungen für eine Abrissverfügung im Wesentlichen gleich.
Formelle Voraussetzungen der Abrissverfügung
1. Zuständigkeit
Zuständig für die Abrissverfügung sind in der Regel die Bauaufsichtsbehörden, in der Regel also die Landkreise und kreisfreien Städte.
2. Verfahren
Im Rahmen des Verfahrens ist insbesondere die vorherige Anhörung des Betroffenen nach § 28 VwVfG zu beachten, da es sich bei der Abrissverfügung um einen belastenden Verwaltungsakt handelt.
Materielle Voraussetzungen der Abrissverfügung
1. Illegalität / Baurechtswidrigkeit der Anlage
Materielle Voraussetzung für eine Abrissverfügung ist zunächst, dass die bauliche Anlage den Vorschriften des Baurechts widerspricht (man spricht in diesem Zusammenhang von Baurechtswidrigkeit oder Illegalität der Anlage). Eine Abrissverfügung ist nur zulässig, wenn die Anlage formell und materiell illegal baurechtswidrig ist.
A. Formelle Illegalität/Baurechtswidrigkeit
Die Anlage ist formell illegal, wenn sie im Widerspruch zu bauordnungsrechtlichen Vorschriften steht. Nach dem Bauordnungsrecht bedarf die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung einer baulichen Anlage einer Baugenehmigung, sofern die Anlage nicht genehmigungsfrei ist. Eine Anlage ist daher formell illegal, wenn sie trotz Genehmigungspflichtigkeit ohne Baugenehmigung errichtet wird, oder wenn sie entgegen (also „außerhalb“) einer erteilten Genehmigung errichtet wird.
B. Materielle Illegalität/Baurechtswidrigkeit
Die bloße formelle Illegalität/Baurechtswidrigkeit genügt jedoch noch nicht für eine Abrissverfügung. Vielmehr muss die Anlage auch materiell illegal/baurechtswidrig sein. Dies ist der Fall, wenn Vorschriften des materiellen Baurechts die Errichtung der Anlage verbieten. Mit anderen Worten, wenn also für das Vorhaben keine Baugenehmigung erteilt werden kann, weil es nicht genehmigungsfähig ist.
C. Fehlen der formellen oder materiellen Illegalität
Fehlt entweder die formelle oder materielle Illegalität, so liegen die Voraussetzungen einer Abrissverfügung nicht vor. Bei Fehlen der formellen Illegalität obliegt es der Bauaufsichtsbehörde den Bauherren dazu anzuhalten, einen Bauantrag für die Anlage einzureichen und damit eine Baugenehmigung zu erlangen. Bei Fehlen der materiellen Illegalität besteht dennoch weiter eine förmliche (wenn auch rechtswidrige) Baugenehmigung. Die zuständige Behörde kann in einem solchen Fall die Baugenehmigung nach § 48 VwVfG aufzuheben.
2. Ermessen insbesondere Verhältnismäßigkeit
Die Bauaufsichtsbehörde „kann“ eine Abrissverfügung erlassen, ihr steht also ein Ermessen zu. Dabei ist insbesondere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren, schließlich handelt es sich bei einem Abriss um eine in die Rechte des Betroffenen Bauherrn enorm einschneidende Maßnahme.
Rechtsschutz des Bauherrn und Rechte des Nachbarn
Bei der Abrissverfügung handelt es sich um einen belastenden Verwaltungsakt. Der betroffene Bauherr bzw. Adressat der Verfügung kann dagegen zunächst mittels Widerspruch (§§ 68 ff. VwGO) und – bei erfolglosem Widerspruch – mittels Anfechtungsklage (§ 42 Abs.1 Alt.1 VwGO) vorgehen.
Interessant ist schließlich die Frage, ob ein Nachbar den Erlass einer Abrissverfügung gegen den Bauherrn erreichen kann. Für ein solches Begehren ist die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs.1 Alt.2 VwGO) statthaft. Eine solche setzt jedoch voraus, dass der Nachbar einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten hat. Ein solcher kommt nur in Betracht, wenn das Ermessen der Behörde auf null reduziert ist. Aufgrund des Opportunitätsprinzips der Bauaufsicht wird dies in der Regel jedoch nicht der Fall sein, sodass der Nachbar allenfalls einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hat.
Quellen
Stollmann, Öffentliches Baurecht, 9.Aufl., S.208, S.315ff.
Reichel/Schulte (Hrsg.), Handbuch Bauordnungsrecht, S.1123ff.
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