Auf einer Skala der beliebtesten Rechtsgebiete deutscher Jurastudenten würde das Baurecht sicher nicht auf dem ersten Platz rangieren, sehr viel eher aber bei den Prüfungsämtern. Vielen angehenden Juristen ist dieses als abstrakt geltende Gebiet des öffentlichen Rechts zuwider. Dabei punktet das Baurecht vor allem mit einer klaren Gesetzesstruktur und einer einfachen Systematik. Dies zeigt sich auch im Rahmen der Prüfung von Genehmigungspflichtigkeit und - fähigkeit eines Vorhabens. 
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das sind mehrere kraene

Bild: “kran” von Martin Abegglen. Lizenz: CC BY-SA 2.0


I. Hintergrund

Die Klage auf Erteilung einer (versagten) Baugenehmigung ist wohl eine der häufigsten Verpflichtungssituationen, die einem im Examen begegnen. Eine Verpflichtungsklage ist begründet, wenn die Versagung des begehrten Verwaltungsakts (VA) rechtswidrig war und der Kläger dadurch in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt ist, § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO.

Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Kläger einen Anspruch auf den begehrten VA hat! Der Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung ergibt sich aus der jeweiligen Landesbauordnung (z. B. § 72 SächsBO, § 75 NBauO, § 58 LBauO BW, Art. 68 BayBO).

II. Voraussetzungen für die Erteilung einer Baugenehmigung

Damit eine Baugenehmigung erteilt werden kann, müssen demnach die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage der jeweils einschlägigen Bauordnung vorliegen. Die unterschiedlichen Landesnormen lauten dabei im Wesentlichen gleich:

„Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn dem genehmigungspflichtigen Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen […]“

Aus diesem Wortlaut ergibt sich dann auch schon der „zweigeteilte“ Prüfungsaufbau: Das Vorhaben muss überhaupt genehmigungspflichtig sein, und es muss zudem genehmigungsfähig sein.

III. Genehmigungspflichtigkeit

Ob das Vorhaben genehmigungspflichtig ist, regeln ebenfalls die Landesbauordnungen.

Definition: Genehmigungspflichtig sind grundsätzliche bauliche Anlagen, die nicht (ausnahmsweise) genehmigungsfrei sind.

Zunächst ist also zu prüfen, ob eine baulichen Anlage vorliegt.

1. Bauliche Anlage

Was unter baulichen Anlagen zu verstehen ist, definieren die Landesbauordnungen selbst (z. B. § 2 LBauO BW, § 2 SächsBO, § 2 BauO NRW). Wichtig ist, diese Legaldefinition später auf keinen Fall (!) für die Definition der „baulichen Anlage“ im Sinne des § 29 BauGB heranzuziehen!

Diese beiden Begriffe sind nicht identisch. Es handelt sich um verschiedene Definitionen. Das ergibt sich aus der unterschiedlichen Zielsetzung der Bauordnungen und des BauGB. Zum anderen sind auch die Gesetzgebungskompetenzen unterschiedlich verteilt.

2. Genehmigungsfreiheit

Weiterhin ist noch festzustellen, ob das Vorhaben ausnahmsweise genehmigungsfrei ist. Auch dazu finden sich abschließende Regelungen in den Landesbauordnungen. Genehmigungsfreie Vorhaben sind insbesondere „kleinere“ Vorhaben, wie beispielsweise Fahrradstellplätze.

In der Klausur wird in aller Regel keine Genehmigungsbefreiung vorliegen, da ansonsten die Prüfung an dieser Stelle schon zu Ende wäre.

IV. Genehmigungsfähigkeit

Ist das Vorhaben genehmigungspflichtig, so ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob es auch genehmigungsfähig ist.

Definition: Das Vorhaben ist genehmigungsfähig, wenn ihm keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im Genehmigungsverfahren zu prüfen sind.

Auch hier ergibt sich also wieder eine zweigeteilte Prüfung:

  1. Welches Genehmigungsverfahren ist durchzuführen?
  2. Stehen öffentlich-rechtliche Vorhaben entgegen?

1. Genehmigungsverfahren

Die Landesbauordnungen unterscheiden zwischen zwei Genehmigungsverfahren: dem „vereinfachten“ und dem „normalen“ Verfahren. In der Regel gilt das „normale“ Genehmigungsverfahren für sog. Sonderbauten, das „vereinfachte“ für alle übrigen baulichen Anlagen. Doch wozu ist diese Unterscheidung überhaupt wichtig?

Ganz einfach: Das einschlägige Genehmigungsverfahren bestimmt, welche Vorschriften zu prüfen sind. Im „vereinfachten“ Verfahren sind hauptsächlich die §§ 29-35 BauGB zu prüfen, im „normalen“ Verfahren hingegen zusätzlich zu den Vorschriften des BauGB die Vorschriften des Bauordnungsrechts (in der Klausur wird häufig das vereinfachte einschlägig sein).

2. Entgegenstehende, öffentlich-rechtliche Vorschriften

Steht nun fest, welches Genehmigungsverfahren einschlägig ist, so beginnt das eigentliche Herzstück der Klausur: die Frage, inwiefern dem geplanten Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen.

Hier ist nun vor allem die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den §§ 29 ff. BauGB zu prüfen. Daneben können aber auch andere Vorschriften zu prüfen sein. Ein besonderer „Examensklassiker“ ist das Bundesfernstraßengesetz.

V. Schema für die Klausur

Zusammengefasst kann man die Prüfung des Anspruchs auf Erteilung einer Baugenehmigung in folgendem Schema ausdrücken:

  • A. Zulässigkeit (der Klage)
  • (…)
  • B. Begründetheit (der Klage)
  • I. Anspruchsgrundlage (einschlägige Landesnorm)
  • II. Anspruchsvoraussetzungen
  • 1. Genehmigungspflichtigkeit
  • a. Bauliche Anlage i.S.d. LBauO
  • b. Keine Genehmigungsfreistellung
  • 2. Genehmigungsfähigkeit
  • a. Einschlägiges Genehmigungsverfahren
  • b. Entgegenstehende öffentlich-rechtliche Vorschriften (v.a. §§ 29 ff. BauGB)


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3 Gedanken zu „Die Genehmigungspflichtigkeit und Genehmigungsfähigkeit im Baurecht

  • Hannah

    Im ersten Absatz befindet sich ein Tippfehler. Es muss nicht „Die Klage auf Erteilung einer (versagten) Baugenehmigung ist wohl eine der häufigsten Verpflichtungssituationen, die einem im Examen begegnen. Eine Verpflichtungsklage ist begründet, wenn die Versagung des begehrten Verwaltungsakts (VA) rechtswidrig war und der Kläger dadurch in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt ist, § 135 V 1 VwGO.“ heißen, sondern die korrekte Norm lautet § 113 V 1 VwGO.

    1. Till Vennemann

      Hallo Hannah,

      es ist immer wieder schön zu sehen, wie aufmerksam unsere Leser sind. Danke für den wertvollen Hinweis.

      Viele Grüße
      Till Vennemann