Die Wohnungsdurchsuchung bei Vollstreckung, gem. § 758a ZPO

Die Wohnungsdurchsuchung bei Vollstreckung, gem. § 758a ZPO

Auch im Zwangsvollstreckungsrecht gibt es die Möglichkeit der Wohnungsdurchsuchung. Möchte der Gerichtsvollzieher eine Wohnung betreten und durchsuchen, um eine geschuldete Sache zu erlangen, bedarf es einer richterlichen Durchsuchungsanordnung. Deren Voraussetzungen und die Auslegung der zugehörigen Begriffe erläutert der folgende Beitrag.
wohnungsdurchsuchung vollstreckung
Lecturio Redaktion

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26.01.2024

Inhalt

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Soll die Zwangsvollstreckung die Herausgabe von Sachen erwirken, nimmt der Gerichtsvollzieher die Sache in der Regel dem Schuldner weg und übergibt sie dem Gläubiger (§ 883 Abs. 1 ZPO).

Muss der Gerichtsvollzieher gegen den Willen des Schuldners eine Wohnung betreten und durchsuchen, um die Sache zu erlangen, bedarf es in der Regel einer richterlichen Durchsuchungsanordnung (§ 758a Abs. 1 ZPO).

Das Erfordernis einer richterlichen Erlaubnis ergibt sich aus Art. 13 GG, in dem die Unverletzlichkeit der Wohnung besonders geschützt ist.

I. Erforderlichkeit der richterlichen Durchsuchungsanordnung

§ 758a Abs. 1 ZPO enthält folgende Voraussetzungen für die Erforderlichkeit der richterlichen Durchsuchungsanordnung:

1. Der Wohnungsbegriff

Die “Wohnung” ist wie in Art. 13 GG weit auszulegen. Dazu gehören auch Arbeits- und Geschäftsräume sowie Nebenräume und sonstiges befriedetes Besitztum [BVerfG 32, 54]. Daher ist auch bei der Durchsuchung solcher Räume eine richterliche Anordnung erforderlich [BVerfGE 76, 83].

2. Mitbewohner

Soll eine Wohnung durchsucht werden, an der neben dem Schuldner auch andere Mitbewohner Gewahrsam haben, können sich diese zwar auf das Grundrecht des Art. 13 GG berufen. Das bedeutet jedoch nicht, dass gegen jeden von ihnen eine richterliche Durchsuchungsanordnung ergehen muss.

Andernfalls wäre eine Pfändung in Wohn- und Familiengemeinschaften nicht möglich. Gegenüber dem Mitbewohner liegt keine Durchsuchung vor, da nicht auf Sachen zugegriffen werden soll, welche der Mitbewohner nicht herausgeben will.

3. Der Durchsuchungsbegriff

Kennzeichnend für den Begriff der “Durchsuchung” ist das ziel- und zweckgerichtete Suchen staatlicher Organe nach Personen und Sachen oder zur Ermittlung eines Sachverhalts, um etwas aufzuspüren, was der Inhaber der Wohnung von sich aus nicht offen legen oder herausgeben will [BVerfGE 51, 97].

Somit liegt keine Durchsuchung im Sinne des Art. 13 Abs. 2 GG vor, wenn der Schuldner dem Gerichtsvollzieher den Zugang zu seinen Räumen durch Einwilligung freiwillig gestattet. Die Einwilligung des Schuldner bedeutet auch eine Duldungspflicht seiner Mitbewohner, § 758 a Abs. 3 ZPO.

a) Offen zutage liegende Sachen

Es ist mit Rücksicht auf den Schutzzweck von Art. 13 Abs. 2 GG auch von einer anordnungsbedürftigen Durchsuchung auszugehen, wenn innerhalb der Wohnung pfändbare Sachen nicht mehr gesucht werden müssen, sondern offen zutage liegen. Selbst wenn der Gerichtsvollzieher eine bestimmte Sache zu pfänden beabsichtigt, von der er genau weiß, dass sie sich in der Wohnung befindet gilt dies.

b) Duldungstitel

Ist der Schuldner auf Grund eines Duldungstitels verpflichtet, dem Gläubiger Zutritt zur Wohnung zu gewähren und die Sperrung des Strom- und Wasserzählers zu dulden, geht es zwar nicht um eine Durchsuchung, jedoch wird auch hier in das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG eingegriffen. Die somit erforderliche richterliche Erlaubnis liegt allerdings schon in dem richterlichen Duldungstitel [BGH NJW 2006, 3352, 3353].

c) Bloßes Durchschreiten

Muss der Gerichtsvollzieher eine Wohnung nur durchschreiten, um in den Raum des Schuldners zu gelangen, ist fraglich, ob auch dann eine richterliche Durchsuchungsanordnung nötig ist. Da in der Wohnung des Dritten weder etwas gesucht noch auf eine Sache zugegriffen werden soll, ist das bloße Durchschreiten kein Durchsuchen im Sinne von Art. 13 Abs. 2 GG.

d) Gefährdung des Durchsuchungserfolges

Wird der Durchsuchungserfolg gefährdet, kann die Einholung der Durchsuchungsanordnung ausnahmsweise entbehrlich sein (§ 758a Abs. 1 S.2 ZPO). Der Gerichtsvollzieher muss jedoch konkrete Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Vollstreckungsvereitelung haben [OLG Karlsruhe DGVZ 1992, 41].

II. Voraussetzungen der Erteilung der richterlichen Durchsuchungsanordnung

Die Voraussetzungen der Erteilung der richterlichen Durchsuchungsanordnung lauten wie folgt:

1. Beantragung

Der Gläubiger muss die Durchsuchungsanordnung beim zuständigen Richter beantragen. Zuständig ist der Richter beim Amtsgericht, in dessen Bezirk die Durchsuchung vorgenommen werden soll.

2. Erforderlichkeit der Anordnung

Die Entscheidung des Richters hängt davon ab, ob die Durchsuchungsanordnung erforderlich ist. Daher muss der Gläubiger zunächst einen Vollstreckungsversuch unternommen haben, der erfolglos geblieben ist.

Zudem steht die Erteilung der richterlichen Durchsuchungsanordnung unter dem Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit [BVerfGE 51, 97]. Daher darf die Durchsuchung beispielsweise keine unverhältnismäßige Härte für den Schuldner bedeuten.

3. rechtliches Gehör

Dem Schuldner ist rechtliches Gehör zu gewähren [LG Hannover JurBüro 1986, 1417].

Quellen

  • Zöller, Zivilprozessordnung.
  • Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung.

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Simon Veiser

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Dr. Frank Stummer

Dr. Frank Stummer ist Gründer und CEO der Digital Forensics GmbH und seit vielen Jahren insbesondere im Bereich der forensischen Netzwerkverkehrsanalyse tätig. Er ist Mitgründer mehrerer Unternehmen im Hochtechnologiebereich, u.a. der ipoque GmbH und der Adyton Systems AG, die beide von einem Konzern akquiriert wurden, sowie der Rhebo GmbH, einem Unternehmen für IT-Sicherheit und Netzwerküberwachung im Bereich Industrie 4.0 und IoT. Zuvor arbeitete er als Unternehmensberater für internationale Großkonzerne. Frank Stummer studierte Betriebswirtschaft an der TU Bergakademie Freiberg und promovierte am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.

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Sobair Barak hat einen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert und hat sich anschließend an der Harvard Business School weitergebildet. Heute ist er in einer Management-Position tätig und hat bereits diverse berufliche Auszeichnungen erhalten. Es ist seine persönliche Mission, in seinen Kursen besonders praxisrelevantes Wissen zu vermitteln, welches im täglichen Arbeits- und Geschäftsalltag von Nutzen ist.

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Wolfgang A. Erharter ist Managementtrainer, Organisationsberater, Musiker und Buchautor. Er begleitet seit über 15 Jahren Unternehmen, Führungskräfte und Start-ups. Daneben hält er Vorträge auf Kongressen und Vorlesungen in MBA-Programmen. 2012 ist sein Buch „Kreativität gibt es nicht“ erschienen, in dem er mit gängigen Mythen aufräumt und seine „Logik des Schaffens“ darlegt. Seine Vorträge gestaltet er musikalisch mit seiner Geige.

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Holger Wöltje ist Diplom-Ingenieur (BA) für Informationstechnik und mehrfacher Bestseller-Autor. Seit 1996 hat er über 15.800 Anwendern in Seminaren und Work-shops geholfen, die moderne Technik produktiver einzusetzen. Seit 2001 ist Holger Wöltje selbstständiger Berater und Vortragsredner. Er unterstützt die Mitarbeiter von mittelständischen Firmen und Fortune-Global-500- sowie DAX-30-Unternehmen dabei, ihren Arbeitsstil zu optimieren und zeigt Outlook-, OneNote- und SharePoint-Nutzern, wie sie ihre Termine, Aufgaben und E-Mails in den Griff bekommen, alle wichtigen Infos immer elektronisch parat haben, im Team effektiv zusammenarbeiten, mit moderner Technik produktiver arbeiten und mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen.

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Frank Eilers ist Keynote Speaker zu den Zukunftsthemen Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Er betreibt seit mehreren Jahren den Podcast „Arbeitsphilosophen“ und übersetzt komplexe Zukunftsthemen für ein breites Publikum. Als ehemaliger Stand-up Comedian bringt Eilers eine ordentliche Portion Humor und Lockerheit mit. 2017 wurde er für seine Arbeit mit dem Coaching Award ausgezeichnet.

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