ZPO: Pfändung, Verstrickung und Pfändungspfandrecht

ZPO: Pfändung, Verstrickung und Pfändungspfandrecht

Die Pfändung im Rahmen des staatlichen Vollstreckungsverfahrens führt zur sogenannten Verstrickung und unter anderem zu einem dem Gläubiger zustehenden Pfändungspfandrecht. Folgender Artikel erläutert die Bedeutung und Voraussetzungen beider Begriffe.
Verstrickung und Pfändungspfandrecht
Lecturio Redaktion

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04.01.2024

Inhalt

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I. Pfändung

Sollen Geldforderungen vollstreckt werden, der Schuldner aber kein Geld aufweisen kann, müssen andere Vermögensgegenstände des Schuldner verwertet, also zu Geld gemacht, werden. Als Vermögensgegenstände kommen bewegliche Sachen, Forderungen und andere Vermögensrechte in Frage. Sie werden mittels Pfändung, § 803 Abs. 1 S. 1 ZPO, verwertet.

Die Pfändung hat zwei Wirkungen:

  • Die Verstrickung des beschlagnahmten Gegenstands. Dies bedeutet, dass der Gegenstand der Verfügungsmacht des Schuldners entzogen wird. Zivilrechtlich äußert sich die entzogene Verfügungsmacht als relatives Veräußerungsverbot gem. §§ 136, 135 BGB. Die Verstrickung ist in § 136 StGB strafrechtlich geschützt. Dort ist nämlich der Verstrickungsbruch geregelt.
  • Die Entstehung eines Pfändungspfandrechts, § 804 Abs. 1 ZPO. Dieses entsteht bei der Pfändung von beweglichen Gegenständen ebenso wie bei der Pfändung von Forderungen oder sonstigen Vermögensrechten.

II. Die Verstrickung

Die Verstrickung bedeutet, dass über die gepfändete Sache ein öffentlich- rechtliches Gewaltverhältnis zum Zwecke der Zwangsvollstreckung besteht.

Die Verstrickung entsteht durch jede wirksame Pfändung, selbst wenn die Pfändung fehlerhaft und somit anfechtbar ist. Ohne Einfluss auf die Wirksamkeit der Pfändung ist es, wenn der vollstreckbare Anspruch gar nicht besteht oder die gepfändete Sache nicht zum Vermögen des Schuldners gehört.

Sie ist Grundlage für alle nachfolgenden Vollstreckungsakte.

Die Verstrickung hat drei Folgen:

  1. Pfändungspfandrecht
  2. Verfügungsverbot nach § 136 BGB
  3. Strafbarkeit des Verstrickungsbruchs nach § 136 StGB

Die Verstrickung endet durch die abgeschlossene Verwertung der gepfändeten Sache oder durch Aufhebung der Verstrickung durch den Gerichtsvollzieher.

III. Das Pfändungspfandrecht

Das Pfändungspfandrecht gibt dem Gläubiger einen absoluten Schutz gegen Einwirkungen auf die gepfändete Sache.

Im Verhältnis zu den anderen Gläubigern gewährt das Pfandrecht dem Vollstreckungsgläubiger dieselben Rechte wie ein Faustpfandrecht (§ 804 II, 1. Hs. ZPO). Dem Pfandgläubiger werden die gleichen Rechte wie dem Eigentümer eingeräumt (§ 1227 BGB).

Ein Pfandrecht, das durch eine frühere Pfändung entstanden ist, geht gem. § 804 Abs. 3 ZPO demjenigen vor, das durch eine spätere Pfändung begründet wird (Prioritäts- oder Präventionsprinzip).

Daneben werden ihm auf Grund des Pfändungspfandrechtes die Besitzschutzrechte der §§ 859, 861, 862 BGB eingeräumt.

1. Voraussetzungen des Pfändungspfandrechtes

Es haben sich die folgenden drei Theorien zu den Voraussetzungen des Pfändungspfandrechtes herausgebildet, von denen zwei noch heute vertreten werden.

ZPO-Vollstreckung-Theorien
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a) Öffentlich-rechtliche Theorie

Gemäß der sogenannten öffentlich- rechtlichen Theorie richtet sich die Bedeutung des Pfändungspfandrechts nicht nach § 1204 ff. BGB, sondern allein nach öffentlichem Recht.

Somit bedarf es ausschließlich der wirksamen Pfändung, damit das Pfändungspfandrecht entsteht. Daher darf die Pfändung nicht nichtig sein.

Mithin entsteht das Pfändungspfandrecht unabhängig von den Eigentumsverhältnissen an der gepfändeten Sache automatisch durch die Verstrickung. Materielles Recht wird nicht berücksichtigt. 

Folglich sind KEINE Wirksamkeitsvoraussetzungen der Pfändung:

Die formelle Rechtskraft, Klausel, Zustellung, Vollstreckungsbefugnis, örtliche Zuständigkeit des Vollstreckungsorgans, Gewahrsam nach §§ 808, 809 ZPO und § 811 ZPO.

b) privatrechtliche Theorie

Laut der privatrechtlichen Theorie ist die gesamte Tätigkeit des Gerichtsvollziehers im Rahmen der Zwangsvollstreckung privatrechtlich zu beurteilen [RGZ 60, 70, 72; 61, 330, 333; 97, 37, 40; 104, 300, 301f.]. Somit sind §§ 1204ff. BGB anzuwenden, sofern die ZPO keine Sonderregelung enthält.

Diese Theorie wird heute nicht mehr vertreten.

c) gemischt privatrechtlich-öffentlich-rechtliche Theorie (h.L.)

Gemäß dieser Theorie richtet sich die Bedeutung des Pfändungspfandrechtes nach materiellem Recht [RGZ 156, 395, 398; BGHZ 23, 293, 299; 56, 339 351]. Danach ist das Pfändungspfandrecht die Grundlage für die materielle Berechtigung des Vollstreckungsgläubigers an der gepfändeten Sache und nach der Verwertung am erhaltenen Erlös.

Das privatrechtlich zu klärende Pfändungspfandrecht ist jedoch nicht Grundlage der Verwertung, da es sich bei dieser um einen öffentlich- rechtlichen Vorgang handelt.

Die Entstehung des privatrechtlich zu klärenden Pfändungspfandrechts richtet sich nach den Voraussetzungen, die für die Entstehung eines rechtsgeschäftlichen oder gesetzliche Pfandrechts erforderlich sind.

Die Voraussetzungen sind:

  1. eine wirksame Pfändung
  2. die Einhaltung aller anderen wesentlichen Voraussetzungen und -formen.
  3. die titulierte Forderung muss wirklich bestehen und
  4. die gepfändete Sache muss dem Schuldner gehören

2. Entscheidung des Streits

Der Ersteigerer erlangt bei wirksamer Verstrickung auch nach der 3. Theorie durch Ablieferung und Barzahlung Eigentum (§ 817 II ZPO). Somit kommen beide heute noch vertretenen Theorien (1. und 3.) bei wirksamer Verstrickung zum selben Ergebnis und es bedarf keiner Streitentscheidung.

Quellen

  • Thomas/Putzo/Seiler, Zivilprozessordnung, 32. Auflage, München 2011.
  • Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 9. Auflage, München 2011.
  • Baumbach/Lauterbach/Hartmann, 80. Auflage, München 2022.

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Simon Veiser beschäftigt sich seit 2010 nicht nur theoretisch mit IT Service Management und ITIL, sondern auch als leidenschaftlicher Berater und Trainer. In unterschiedlichsten Projekten definierte, implementierte und optimierte er erfolgreiche IT Service Management Systeme. Dabei unterstützte er das organisatorische Change Management als zentralen Erfolgsfaktor in IT-Projekten. Simon Veiser ist ausgebildeter Trainer (CompTIA CTT+) und absolvierte die Zertifizierungen zum ITIL v3 Expert und ITIL 4 Managing Professional.

Dr. Frank Stummer

Dr. Frank Stummer ist Gründer und CEO der Digital Forensics GmbH und seit vielen Jahren insbesondere im Bereich der forensischen Netzwerkverkehrsanalyse tätig. Er ist Mitgründer mehrerer Unternehmen im Hochtechnologiebereich, u.a. der ipoque GmbH und der Adyton Systems AG, die beide von einem Konzern akquiriert wurden, sowie der Rhebo GmbH, einem Unternehmen für IT-Sicherheit und Netzwerküberwachung im Bereich Industrie 4.0 und IoT. Zuvor arbeitete er als Unternehmensberater für internationale Großkonzerne. Frank Stummer studierte Betriebswirtschaft an der TU Bergakademie Freiberg und promovierte am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.

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Sobair Barak hat einen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert und hat sich anschließend an der Harvard Business School weitergebildet. Heute ist er in einer Management-Position tätig und hat bereits diverse berufliche Auszeichnungen erhalten. Es ist seine persönliche Mission, in seinen Kursen besonders praxisrelevantes Wissen zu vermitteln, welches im täglichen Arbeits- und Geschäftsalltag von Nutzen ist.

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Wolfgang A. Erharter ist Managementtrainer, Organisationsberater, Musiker und Buchautor. Er begleitet seit über 15 Jahren Unternehmen, Führungskräfte und Start-ups. Daneben hält er Vorträge auf Kongressen und Vorlesungen in MBA-Programmen. 2012 ist sein Buch „Kreativität gibt es nicht“ erschienen, in dem er mit gängigen Mythen aufräumt und seine „Logik des Schaffens“ darlegt. Seine Vorträge gestaltet er musikalisch mit seiner Geige.

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Holger Wöltje ist Diplom-Ingenieur (BA) für Informationstechnik und mehrfacher Bestseller-Autor. Seit 1996 hat er über 15.800 Anwendern in Seminaren und Work-shops geholfen, die moderne Technik produktiver einzusetzen. Seit 2001 ist Holger Wöltje selbstständiger Berater und Vortragsredner. Er unterstützt die Mitarbeiter von mittelständischen Firmen und Fortune-Global-500- sowie DAX-30-Unternehmen dabei, ihren Arbeitsstil zu optimieren und zeigt Outlook-, OneNote- und SharePoint-Nutzern, wie sie ihre Termine, Aufgaben und E-Mails in den Griff bekommen, alle wichtigen Infos immer elektronisch parat haben, im Team effektiv zusammenarbeiten, mit moderner Technik produktiver arbeiten und mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen.

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Alexander Plath ist seit über 30 Jahren im Verkauf und Vertrieb aktiv und hat in dieser Zeit alle Stationen vom Verkäufer bis zum Direktor Vertrieb Ausland und Mediensprecher eines multinationalen Unternehmens durchlaufen. Seit mehr als 20 Jahren coacht er Führungskräfte und Verkäufer*innen und ist ein gefragter Trainer und Referent im In- und Ausland, der vor allem mit hoher Praxisnähe, Humor und Begeisterung überzeugt.