Sollen Sachen gepfändet werden, kann es vorkommen, dass sich diese im Gewahrsam Dritter befinden. In diesem Fall kann die Pfändung unter Umständen problematisch werden, falls beispielsweise der Gerichtsvollzieher selbst Gewahrsamsinhaber ist. Der folgende Beitrag erläutert die relevantesten Probleme der Vollstreckung in bewegliche Sachen, welche im Gewahrsam Dritter stehen und deren Lösung.
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Bild: “Supreme Court” von TexasGOPVote.com. Lizenz: CC BY 2.0


Voraussetzungen von § 809 Alt. 2 ZPO

Sachen im Gewahrsam Dritter darf der Gerichtsvollzieher gemäß § 809 Alt. 2 ZPO nur dann pfänden, wenn der Dritte zur Herausgabe bereit ist.

Die Voraussetzungen des § 809 Alt. 2 ZPO werden im Folgenden erklärt.

I. Gewahrsam des Dritten

Der Dritte muss Gewahrsam an den zu pfändenden Sachen haben.

Definition: Dritter im Sinne von § 809 ZPO ist jeder Gewahrsamsinhaber, der weder Gläubiger noch Schuldner ist und den Gewahrsam auch nicht für den Gläubiger oder den Schuldner ausübt.

Somit sind Organe juristischer Personen, gesetzliche Vertreter und Besitzdiener, deren Gewahrsam dem Schuldner zugerechnet wird, keine Dritten in diesem Sinne.

1. Mitgewahrsam

Irrelevant ist, ob der Dritte Allein- oder Mitgewahrsam hat.

Die Pfändung von Sachen, an denen der Schuldner oder Dritte Mitgewahrsam haben ist somit nur zulässig, wenn alle Dritten herausgabebereit sind.

2. Sonderfall: Gewahrsam des Gerichtsvollziehers

Auch der Gerichtsvollzieher kann Dritter im Sinne des § 809 ZPO sein, wenn er bereits die tatsächliche Sachherrschaft über die zu pfändenden Sachen hat.

Da er jedoch selbstständiges Organ der Rechtspflege ist, darf er den Gewahrsam nur in dieser Eigenschaft zu bestimmten Zwecken erhalten. Dadurch dürfen dem pfändenden Gläubiger keine Vor- oder Nachteile entstehen.

Der Gerichtsvollzieher darf folglich nicht frei darüber bestimmen, ob und wem er zur Herausgabe der Sache bereit ist. Vielmehr muss er prüfen, ob die Pfändung der Sachen zulässig gewesen wäre, bevor er den Gewahrsam erlangt hat und ob die Pfändung dem Zweck, zu dessen Verfolgung er den Gewahrsam erlangt hat, nicht widerspricht.

Folgende Fälle sind dabei zu unterscheiden:

  • Der Gerichtsvollzieher hat für den Gläubiger G1 bei Schuldner S1 nach § 808 ZPO gepfändet. Nun erhält er von Gläubiger G2 den Auftrag, die Sache auch für ihn zu pfänden. Falls G2 ein Gläubiger des S1 ist, muss der Gerichtsvollzieher als Gewahrsamsinhaber seine Herausgabebereitschaft bejahen und für G2 pfänden (§ 809 ZPO). Das folgt aus dem Umstand, dass er sie auch gemäß § 808 ZPO für G2 hätte pfänden können, wenn die Sache bei S1 geblieben wäre.
  • Der Gerichtsvollzieher hat für den Gläubiger G1 nicht bei dem Schuldner S, sondern bei einem Dritten D mit dessen Zustimmung nach § 809 ZPO gepfändet. Nun beauftragt ihn ein anderer Gläubiger G2, die Sache nochmals zu pfänden. Falls G2 Gläubiger des S ist, darf der Gerichtsvollzieher nicht auf Grund eigener Herausgabebereitschaft pfänden, da sich die Herausgabebereitschaft des D nur auf die Pfändung zu Gunsten des G1 bezog. Für G2 darf der Gerichtsvollzieher nur pfänden, wenn D auch herausgabebereit ist.
  • Aufgrund einer einstweiligen Verfügung hat der Schuldner S zur Sicherstellung eines Herausgabeanspruchs des X eine Sache dem Gerichtsvollzieher als Sequester zur Verwahrung übergeben. Nun will G, ein Gläubiger des S, die Sache pfänden lassen. Eine Pfändung wäre zwar nach § 808 ZPO möglich gewesen, falls S den Gewahrsam an der Sache behalten hätte. Der Gerichtsvollzieher muss seine Herausgabebereitschaft als Drittgewahrsamsinhaber (§ 809 ZPO) jedoch versagen und damit auch die von G begehrte Pfändung ablehnen.

II. Herausgabebereitschaft des Dritten

Die Herausgabebereitschaft muss sich auf die Herausgabe zur Verwertung beziehen. Der Dritte muss über den Pfändungsakt hinaus mit der Wegnahme der Sache zum Zwecke der Verwertung einverstanden sein. Das hat der Gerichtsvollzieher im Einzelfall festzustellen.

Es ist umstritten, ob die Herausgabebereitschaft des Dritten ausnahmsweise entbehrlich ist, wenn dieser die Sache nach materiellem Recht unstreitig an den Schuldner herausgeben muss oder wenn er sich die Sache nur zu dem Zweck verschafft hat, sie dem Vollstreckungszugriff zu entziehen.

Entscheidend ist hierbei, dass der Gerichtsvollzieher nicht die Aufgabe hat, materielle Rechtsfragen zu lösen. Daher muss er sich auf erkennbar äußere Tatsachen verlassen können.

Mithin hat er auch dann den entgegenstehenden Willen des Dritten zu beachten, wenn der Verdacht besteht, dass der Dritte seine Herausgabebereitschaft unter Verstoß gegen Treu und Glauben verweigert.



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