Die Polizei vollstreckt zahlreiche Verwaltungsakte (§ 35 S. 1 VwVfG) und handelt auch selbst oft ohne konkrete Grundlage. Wie diese Vollstreckung funktioniert, wird durch diesen Artikel unabhängig vom jeweiligen Landesrecht erläutert.
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Polizei im Einsatz

Bild: “Police at riot” von WEBN-TV. Lizenz: CC BY-ND 2.0


I. Allgemeines

1. Begriff: Vollstreckung

Definition: Bei der Vollstreckung handelt es sich um die zwangsweise Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Pflichten durch die Behörde in einem besonderen Verfahren.

Besondere Unterbegriffe sind etwa Beitreibungsverfahren und Zwangsverfahren.

2. Bedeutung

Der Staat hat das Recht der Selbsttitulierung und Selbstvollstreckung. Dadurch braucht er nicht auf ein Gerichtsurteil zu warten, bis er vollstreckt, sondern kann sich durch Verwaltungsakt (§ 35 S. 1 VwVfG) einen eigenen Titel verschaffen. Die umfangreichen Vollstreckungsmittel der Polizei sind nötig, da diese Vollstrecker des staatlichen Gewaltmonopols sind.

3. Rechtsgrundlagen

Die gesetzlichen Grundlagen des Vollstreckungsrechts sind weit gestreut. Hauptrechtsquelle sind wohl die Verwaltungsvollstreckungsgesetze.

4. Gestrecktes und gekürztes Zwangsverfahren

Regelmäßig wird von Verantwortlichen ein Tun, Dulden oder Unterlassen von den Ordnungsbehörden verlangt. Sollte der Betroffene dieser Aufforderung nicht nachkommen, kann dies durch Zwangsmittel oder deren Androhung im gestreckten Verfahren durchgesetzt werden.

Wenn Polizeibeamte vor Ort sind, ist oft ein sofortiges Eingreifen notwendig. Für solche Fälle, in denen der Erlass einer Verfügung nicht in Betracht kommt, existieren die Rechtsinstitute des sofortigen Vollzugs und der unmittelbaren Ausführung.

5. Zwangsmittel

Es existieren drei zulässige Zwangsmittel, andere Zwangsmittel sind unzulässig:

  • Ersatzvornahme
  • Zwangsgeld
  • unmittelbarer Zwang

a. Die Ersatzvornahme

Bei der Ersatzvornahme handelt es sich um die Vornahme einer vertretbaren Handlung anstelle und auf Kosten des Handlungspflichtigen durch einen Dritten.

Dies gilt nicht für Duldungen und Unterlassungen. Auch wenn eine höchstpersönliche Handlung nötig ist, entfällt die Ersatzvornahme.

b. Zwangsgeld

Das Zwangsgeld, welches ein Beugemittel darstellt, soll den Pflichtigen dazu bewegen, sich entsprechend der Grundverfügung zu verhalten.

Die Mindest- und Höchstbeträge sind gesetzlich festgelegt. Da es ein Beugemittel ist, ist ein Verschulden nicht erforderlich und auch das Verbot der Doppelbestrafung gem. Art. 103 Abs. 2 GG wirkt nicht.

c. Unmittelbarer Zwang

Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, Hilfsmittel oder Waffen. Körperliche Gewalt ist dabei jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen. Oftmals ist die Abgrenzung zur Ersatzvornahme nicht einfach. Es dient als ultima Ratio und ist nur dann anzuwenden, wenn die Ersatzvornahme oder das Zwangsgeld keine Aussicht auf Erfolg versprechen.

Sollte eine Behörde unmittelbaren Zwang nicht selbst durchführen können, ist die Polizei ihr zur Vollzugshilfe verpflichtet.

II. Das gestreckte Zwangsverfahren

Jede polizei- und ordnungspolitische Maßnahme muss ebenso wie jedes Verwaltungshandeln aufgrund einer Ermächtigungsgrundlage ergehen und formell und materiell rechtmäßig sein. Die Ermächtigungsgrundlagen finden sich weitestgehend in den Polizeigesetzen der Länder.

1. Formelle Rechtmäßigkeit

Bezüglich der Zuständigkeit gelten die allgemeinen Grundsätze.

Aus den Polizeigesetzen ergibt sich zumeist, dass das Zwangsmittel vor dessen Einsatz normalerweise angedroht werden muss. Dies gilt nicht, wenn das gekürzte Verfahren anwendbar ist oder teilweise, wenn eine Androhung durch die Umstände ausgeschlossen ist.

Bereits die Androhung unterliegt bestimmten Rechtmäßigkeitserfordernissen. Zumeist muss sie möglichst schriftlich angedroht werden. Bei Handlungspflichten muss eine angemessene Frist zur Vornahme belassen werden. Zudem muss sich die Androhung auf ein konkretes Zwangsmittel beziehen. Sollte es sich um ein Zwangsgeld handeln, muss dessen Betrag festgelegt werden. Gem. § 39 Abs. 1 VwVfG hat eine Begründung zu erfolgen.

Zudem existieren oft Kann- oder Soll-Vorschriften.

Bei gestreckten Zwangsverfahren fordern zudem einige Verwaltungsvollstreckungsgesetze die Festsetzung des Zwangsmittels, während dies in anderen Ländern lediglich möglich und selten geboten aber im Regelfall nicht bindend ist.

Das Zwangsmittel muss im gestreckten Zwangsverfahren selbstverständlich auch rechtmäßig angewendet werden. Hierzu zählt vor allem, dass die Anwendung des Zwangsmittels im angedrohten oder festgesetzten Rahmen bleiben muss und diesen nicht überschreiten darf.

2. Materielle Rechtmäßigkeit

Das gestreckte Verfahren muss auch materiell rechtmäßig sein. Es muss ein Verwaltungsakt zugrunde liegen, auch Grundverfügung genannt. Dieser hat einen befehlenden Inhalt, mithin ein Verbot oder Gebot. Auch muss er gem. §§ 41 ff. VwVfG wirksam sein.

Zudem muss eine Vollstreckbarkeit vorliegen. Ist die Grundverfügung anfechtbar oder hat ein Rechtsbehelf gegen sie aufschiebende Wirkung, ist sie nicht vollstreckbar. Nach Unanfechtbarkeit gem. §§ 70, 74 VwGO ist regelmäßig eine Unanfechtbarkeit gegeben.

Die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung ist nicht Vollstreckungsvoraussetzung und hat somit unabhängig davon Bestandskraft. Dies gilt ausnahmsweise nicht, wenn die Behörde weiß, dass die Grundverfügung rechtswidrig ist.

Es dürfen auch keine Vollstreckungshindernisse vorliegen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Adressat dem geforderten Verhalten etwa aus tatsächlichen Gründen nicht entsprechen kann.

Auch muss jede Zwangsmaßnahme bestimmt, ermessensfehlerfrei und verhältnismäßig sein. Die Verhältnismäßigkeit ist oftmals zudem gesetzlich ausdrücklich festgehalten.

III. Gekürztes Zwangsverfahren

1. Sofortiger Vollzug

Fast alle Polizeigesetze enthalten Regelungen zum sofortigen Vollzug. Hierbei handelt es sich um die Fälle, in denen ein sofortiges Eingreifen der Polizei erforderlich ist. Hierbei sind Grundverfügung, Androhung und Festsetzung entbehrlich.

Dafür ist allerdings eine fiktive Grundverfügung Rechtmäßigkeitsvoraussetzung. Hierbei handelt es sich um ein Ge- oder Verbot, das sofort vollzogen werden soll. Diese muss rechtmäßig sein.

Zudem ist der sofortige Vollzug nur rechtmäßig, wenn er zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist.

2. Unmittelbare Ausführung

Unter das gekürzte Zwangsverfahren fällt neben dem sofortigen Vollzug auch noch die unmittelbare Ausführung, welche in vielen Ländern gesetzlich festgehalten ist. Eine unmittelbare Ausführung einer Maßnahme ist durch die Polizei oder einen Beauftragten möglich, wenn der Zweck der Maßnahme durch Inanspruchnahme der möglichen Störer nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann.

In vielen Ländern ist für die formelle Rechtmäßigkeit einer unmittelbaren Ausführung eine unverzügliche Unterrichtung des Betroffenen notwendig.

Für die materielle Rechtmäßigkeit gelten ähnliche Erwägungen wie beim sofortigen Vollzug.

 



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