
Bild: “I can buy a fake Big Mac!” von frankieleon. Lizenz: CC BY 2.0
Inhaltsverzeichnis
I. Allgemeines zu den Urkundsdelikten
Der 23. Abschnitt des Strafgesetzbuches teilt sich in mehrere Urkundsdelikte auf. Besonders relevant sind insbesondere die Urkundenfälschung (§ 267 StGB) – welche in diesem Beitrag behandelt wird – sowie die Fälschung technischer Aufzeichnungen (§ 268), die Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269) und die Urkundenunterdrückung (§ 274).
Alle Urkundsdelikte haben gemeinsam, dass das geschützte Rechtsgut die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs mit Urkunden ist [BGHSt 2, 50, 52].
II. Schema: Urkundenfälschung, § 267 StGB
Es kann sich an folgendem Schema der Urkundenfälschung in der Klausur orientiert werden.
Prüfungsschema: Urkundenfälschung gem. § 267 StGB
- I. Tatbestand
- 1. objektiver Tatbestand
- a. Tatobjekt: Urkunde
- b. Tathandlung
- aa. § 267 Abs. 1 Var. 1: Herstellen einer unechten Urkunde
- bb. § 267 Abs. 1 Var. 2: Verfälschen einer echten Urkunde
- cc. § 267 Abs. 1 Var. 3: Gebrauchen einer unechten oder verfälschten Urkunde
- 2. subjektiver Tatbestand
- a. Vorsatz
- b. Absicht zur Täuschung im Rechtsverkehr
- II. Rechtswidrigkeit
- III. Schuld
III. Tatobjekt: Urkunde
Bevor die Tathandlung der Urkundenfälschung gem. § 267 StGB näher erläutert wird, wird zunächst auf den Urkundsbegriff im Allgemeinen eingegangen. Dieser gehört zu den absoluten Grundlagen im Rahmen der Urkundsdelikte.
1. Der Urkundensbegriff
Beispiele: Verträge, ausgestellte Schecks, Zeugnisse oder auch Ausweise.
Die Definition verkörpert drei Begriffsmerkmale bzw. Funktionen von Urkunden: Perpetuierungs-, Beweis- und Garantiefunktion.
a. Perpetuierungsfunktion
Unter der Perpetuierungsfunktion wird die dauerhafte Verkörperung der Urkunde verstanden.
Das Material muss also zumindest für eine gewisse Dauer den Bestand der Urkunde gewährleisten, deshalb genügt bspw. ein Schreiben im Schnee nicht. Ein Ritzen in Holz dagegen kann jedoch genügen.
Es muss zwar keine Schriftform gegeben sein, allerdings sind zumindest symbolische Zeichen erforderlich, mit deren Hilfe die Erklärung des Ausstellers verstanden werden kann. Ein sehr bekanntes Beispiel dafür ist der allseits bekannte und mit Strichen versehene „Bierdeckel“. Auch dieser stellt eine Urkunde im strafrechtlichen Sinne dar.
Äußerst wichtig ist zudem die visuelle Wahrnehmbarkeit der Erklärung. An dieser mangelt es etwa bei Datenträgern wie Festplatten, USB-Sticks und CDs, da diese Erklärungen nur mittels Hilfsmittel sichtbar gemacht werden können.
b. Beweisfunktion
Die Beweisfunktion erfüllt eine Urkunde, wenn sie die in ihr verkörperte und einem Aussteller zugeschriebene Erklärung zum Führen des Beweises einer rechtserheblichen Tatsache geeignet und bestimmt ist.
Eine Urkunde ist dann zum Beweis geeignet, wenn die Möglichkeit besteht, mit ihrer Hilfe zum Beweis einer rechtserheblichen Tatsache beizutragen. Daran fehlt es bspw., wenn die Erklärung offensichtlich falsch ist.
Der Urkunde muss zudem vom Aussteller eine Beweisbestimmung verliehen worden sein. Hinsichtlich der Beweisbestimmung lassen sich zwei Typen unterscheiden:
- Eine Absichtsurkunde ist der Regelfall, in welcher der Aussteller seine Erklärung mit dem Ziel der Beweissicherung verkörpert. Ein Beispiel dafür wäre ein schriftliches Vertragsverbot.
- Wurde die Beweisbestimmung im Nachhinein getroffen, so spricht man von einer Zufallsurkunde. Dies könnte z.B. ein eigentlich privater Tagebucheintrag sein.
Die Beweisbestimmung kann auch nachträglich entzogen werden, z. B. durch Widerruf eines Testaments (2253 BGB).
c. Garantiefunktion
Durch die Urkunde muss erkennbar sein, dass eine bestimmte Erklärung und ein Aussteller vorhanden sind. Dies wird als Garantiefunktion bezeichnet. Die Person des Ausstellers wird im II. Abschnitt dieses Artikels näher erläutert.
Zur Erkennbarkeit des Ausstellers genügt es, wenn unter Zuhilfenahme weiterer Umstände aus der Urkunde auf den Aussteller geschlossen werden kann. Da selbst dies bei nichtausgefüllten Formularen und anonymen Schreiben nicht möglich ist, sind diese auch keine Urkunden, solange der Aussteller sich nicht zu erkennen gibt. Dies gilt ebenso für Dokumente, in denen Fantasienamen angegeben wurden.
2. besondere Erscheinungsformen von Urkunden
a. Zusammengesetzte Urkunden
Zusammengesetzte Urkunden sind Urkunden, in die ein Augenscheinsobjekt räumlich und inhaltlich fest einbezogen ist. Dieses ersetzt einen Teil der Erklärung und muss fest mit der Urkunde verbunden sein. Als Beispiel ist etwa ein KFZ-Kennzeichen an einem Auto zu nennen.

© Lecturio GmbH. Alle Rechte vorbehalten.
b. Gesamturkunde
Gesamturkunden sind feste und dauerhafte Zusammenfassungen mehrerer Einzelurkunden zu einer neuen Gedankenerklärung, sodass sie über ihre Einzelbestandteile hinaus einen selbstständigen, für sich bestehenden Erklärungsinhalt aufweisen und nach Gesetz, Herkommen oder Vereinbarung der Beteiligten dazu bestimmt sind, ein erschöpfendes Bild über einen bestimmten Kreis fortwährender Rechtsbeziehungen zu vermitteln.
Beispiele: Sparbuch oder kaufmännische Handelsbücher
c. Kopien
Fraglich ist, wie (Foto-)Kopien einzuordnen sind. Dabei ist zu unterscheiden, ob es sich um beglaubigte oder nicht-beglaubigte Kopien handelt.
Erstere sind als Urkunden einzuordnen, da jemand die originalgetreue Wiedergabe garantiert hat und somit dem Beglaubigungsvermerk eine urkundliche Funktion zukommt.
Der einfachen Kopie fehlt diese Beweisfunktion, zudem ist der Aussteller nicht sofort erkennbar. Folglich habe sie keine Urkundsqualität.
Ob Kopien, welche per Telefax übermittelt werden, als Urkunden aufzufassen sind, ist umstritten. Teils wird die Auffassung vertreten, dass sie wie Fotokopien zu behandeln sind, teils dass Telefaxkopien eine eigene Form der urkundlichen Erklärung darstellen. Dasselbe gilt für per E-Mail verschickte und vom Empfänger ausgedruckte Dateien.
III. Tathandlung, § 267 StGB
Für eine Strafbarkeit der Urkundenfälschung nach § 267 StGB müssten folgende Tathandlungen vorliegen
1. Herstellen einer unechten Urkunde, § 267 Abs. 1 Var. 1 StGB
Zur Erfüllung der Urkundenfälschung gemäß § 267 Abs. 1 Var. 1 StGB muss eine unechte Urkunde hergestellt worden sein.
Geschützt ist also das Vertrauen in die Echtheit des Ausstellers. Maßgebliches Kriterium für die Unechtheit ist die Identitätstäuschung. Eine solche liegt vor, wenn über die Person des wirklichen Ausstellers ein falscher Eindruck erweckt wird. Regelmäßig wird der Rechtsverkehr auf einen Aussteller hingewiesen, der in Wahrheit nicht hinter der urkundlich verkörperten Erklärung steht.
Daraus ergibt sich jedoch die Frage, wer als Aussteller der Urkunde anzusehen ist. Die h.M. sieht nach der Geistigkeitstheorie denjenigen als Austeller der Urkunde an, der sich als ihr Urheber bekennt.
Regelmäßig folgt aus der Verfälschungshandlung die Herstellung einer unechten Urkunde. Var. 1 tritt dann gegenüber Var. 2 mangels selbständiger Bedeutung zurück. Generell ist § 267 Abs. 1 Var. 1 StGB immer nur dann einschlägig, wenn ursprünglich keine Urkunde bestand. In allen anderen Fällen kann die Prüfung direkt mit Var. 2 begonnen werden.
2. Verfälschen einer echten Urkunde, § 267 Abs. 1 Var. 2 StGB
Für Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 Var. 2 StGB müsste eine echte Urkunde verfälscht worden sein. Tatobjekt kann also nur eine vorhandene echte Urkunde sein. Eine solche liegt vor, wenn der tatsächliche Aussteller von dem vermeintlichen Aussteller nicht abweicht.
Zu beachten ist, dass lediglich die Veränderung des ursprünglichen Beweisinhalts erfasst wird. Eine bloße Manipulation des Ausstellers führt nicht zu einer Veränderung des Inhalts. Bspw. wenn A den Aussteller einer Urkunde von B1 in B2 ändert, so erfüllt er lediglich §§ 267 Abs. 1 Var. 1, 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB.
Daneben erfasst § 267 Abs. 1 Var. 2 StGB auch nicht die Beseitigung des Beweisinhalts. Demgemäß darf das Tatobjekt nach der Manipulation seine Qualität als Urkunde nicht verloren haben. Soweit eine Urkunde durch die Manipulation die Urkundenqualität verloren hat, liegt lediglich § 274 Abs. 1 StGB vor.
Ein Verfälschen liegt also bspw. bei textlichen Veränderungen vor.
3. Gebrauchen einer unechten oder verfälschten Urkunde, § 267 Abs. 1 Var. 3 StGB
Zur Erfüllung der Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 Var. 3 StGB muss eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht worden sein.
Ein Beispiel dafür ist das Vorlegen eines falschen Schecks bei der Bank. (BGHSt 18, 66, 70f.)
Die tatsächliche Kenntnisnahme ist hierbei nicht erforderlich, es genügt, dass die Urkunde in den Machtbereich des Dritten gelangt ist.
IV. besonders schwere Fälle der Urkundenfälschung, § 267 Abs. 3 StGB
In § 267 Abs. 3 StGB werden besonders schwere Fälle mit Regelbeispielen geregelt. Dazu werden vier genannt, welche aber nicht als abschließend anzusehen sind, sodass noch Raum für andere schwere Fälle verbleibt.
§ 267 Abs. 3 Nr. 1 StGB:
[wer] gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Betrug oder Urkundenfälschung verbunden hat,
Definition: Gewerbsmäßig handelt der Täter, wenn er die Urkundenfälschung mit der Absicht begeht, sich aus seiner wiederholten Begehung eine Einnahmequelle von gewisser Dauer und Erheblichkeit zu schaffen.
§ 267 Abs. 3 Nr. 2 StGB:
[wer] einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt,
Hier kommt es nicht darauf an, ob sich der Täter selbst in großem Ausmaß bereichert hat. Nach der Gesetzesbegründung soll dieser Vermögensverlust ab etwa 50.000 € vorliegen.
§ 267 Abs. 3 Nr. 3 StGB:
[wer] durch eine große Zahl von unechten oder verfälschten Urkunden die Sicherheit des Rechtsverkehrs erheblich gefährdet
Die Gefährdung ist erheblich, wenn nach Art und Anzahl der Urkunden, Umstände und Tragweite der Verwendung und Erkennbarkeit der Manipulation der Eintritt einer gravierenden Störung des allgemeinen Vertrauens in die Beweiskraft von Urkunden zu befürchten ist.
§ 267 Abs. 3 Nr. 4 StGB:
[wer] seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger missbraucht
Die Definition eines Amtsträgers richtet sich nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB.
Ein Missbrauch der Befugnisse liegt vor, wenn der Amtsträger im Rahmen seiner Befugnisse handelt aber dennoch seine Dienstpflichten verletzt. Ein Missbrauch der Stellung liegt vor, wenn der Amtsträger die tatsächlichen Möglichkeiten seiner Stellung ausnutzt.
Schreiben Sie einen Kommentar