Nach Art. 20 Abs. 1 GG ist Deutschland ein Bundesstaat. Sowohl der Bund als auch die Länder können Gesetze erlassen. Doch wer ist eigentlich wann zuständig? Und wo ist dies geregelt? Dieser Beitrag vermittelt Ihnen einen Überblick über das System der Gesetzgebungskompetenzen.
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Gesetzgebungskompetenz, §§ 71 ff. GG

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I. Die Grundregel

Art. 70 Abs. 1 GG bestimmt, dass grundsätzlich die Länder das Recht zur Gesetzgebung haben, soweit nicht dem Bund durch das Grundgesetz Gesetzgebungsbefugnisse zugewiesen werden.


Gesetzgebungskompetenz, §§ 71 ff. GG

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II. Die Ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes

In manchen Bereichen hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz.Über diese geben die Art. 71 und 73 GG Auskunft.

Art. 71 GG bestimmt, dass die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung auf dem Gebiet der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes nur haben, wenn und soweit sie dazu ausdrücklich in einem Bundesgesetz ermächtigt werden.

Von dieser Ermächtigung wurde bislang jedoch nur wenig Gebrauch gemacht.

Art. 73 GG nennt die unterschiedlichen Gebiete, auf denen eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes besteht. Hier werden zum Beispiel:

    • die auswärtigen Angelegenheiten (Abs. 1 Nr. 1)
    • die Verteidigung (Abs. 1 Nr. 1)
    • das Postwesen und (Abs. 1 Nr. 7)
    • der gewerbliche Rechtsschutz angeführt (Abs. 1 Nr. 9)

Auch an anderer Stelle im Grundgesetz gibt es Regelungen, die eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes begründen. Das wohl wichtigste Beispiel hierfür ist das Recht der politischen Parteien gemäß Art. 21 Abs. 3 GG und das Bundeswahlgesetz nach Art. 38 Abs. 3 GG.


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III. Die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz

Liegt keine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes vor, ist eventuell ein Kompetenztitel der konkurrierenden Gesetzgebung einschlägig.

„Konkurrierende Gesetzgebung“ bedeutet, dass der Bund und die Länder grundsätzlich nebeneinander für die Gesetzgebung in den hier genannten Bereichen zuständig sind.

Art. 72 GG bestimmt dazu, wem von beiden im Einzelfall die Gesetzgebungskompetenz zusteht, wobei Art. 74 GG eine Liste mit den zugehörigen Kompetenztiteln enthält.


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Dabei ist zunächst Art. 72 Abs. 2 GG zu prüfen. In den dort aufgezählten Gebieten des Art. 74 Abs. 1 GG hat der Bund das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. Er darf Gesetze in den aufgezählten Bereichen also nur erlassen, wenn eine dieser Voraussetzungen erfüllt ist.


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Dies ist die sogenannte Bedarfskompetenz des Bundes. In allen anderen Gebieten, die der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegen, wird keine Erforderlichkeitsprüfung wie in Art. 72 Abs. 2 GG verlangt. In diesen Bereichen kann der Bund von vornherein Gesetze erlassen. Nach Art. 72 Abs. 4 GG kann außerdem durch Bundesgesetz bestimmt werden, dass eine bundesgesetzliche Regelung, für die eine Erforderlichkeit nach Art. 72 Abs. 2 GG nicht mehr besteht, durch Landesrecht ersetzt werden kann.

Art. 72 Abs. 1 GG bestimmt, dass die Länder im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung die Gesetzgebungskompetenz haben, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Wenn keine Regelung durch den Bund besteht, sind die Länder also nach wie vor zuständig. Hat der Bund eine Regelung getroffen, dürfen sie auf dem Gebiet nicht gesetzgebend tätig werden, sofern er die Materie abschließend regeln wollte. Es handelt sich hierbei um die Kernkompetenz des Bundes.

Art. 72 Abs. 3 GG legt demgegenüber fest, in welchen Bereichen die Länder abweichende Regelungen treffen können, wenn der Bund bereits von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht hat. Unter anderem sind hier die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse genannt. Dies wird als Abweichungskompetenz bezeichnet. Hier gilt der in Art. 31 GG geregelte Grundsatz „Bundesrecht bricht Landesrecht nicht“. Stattdessen geht das jüngere Gesetz dem älteren vor, Art. 72 Abs. 3 S. 3 GG. Es besteht dabei jedoch nur ein Anwendungsvorrang. Wird das jüngere Gesetz außer Kraft gesetzt, gilt automatisch das ältere.


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IV. Ungeschriebene Gesetzgebungskompetenzen des Bundes

Ausnahmsweise kann auch eine ungeschriebene Gesetzgebungskompetenz des Bundes in Betracht kommen. Bevor man auf eine der ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenzen zurückgreift, sollte man jedoch zuerst die bestehenden Kompetenztitel auslegen und überprüfen, ob nicht doch einer von ihnen einschlägig ist. Dabei kann man drei verschiedene Arten der ungeschriebnen Gesetzgebungskompetenz unterscheiden:


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1. Die Annexkompetenz

Definition: Eine Annexkompetenz bezieht sich auf einen ausdrücklich genannten Kompetenztitel und erweitert seine Regelungsbefugnis auf Vorbereitungs- und Durchführungsstadien.

Damit erlaubt sie den Erlass von Normen, die im funktionellen Zusammenhang zu der Materie stehen, deren Regelung dem Bund durch den Kompetenztitel zugewiesen ist.

Als Beispiel kann die Annexkompetenz zu Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG (Straßenverkehr) aufgeführt werden. Diese besteht hinsichtlich Werbeanlagen, die den Straßenverkehr behindern (BVerfG NJW 1976, 559 (559)).

2. Die Gesetzesgebungskompetenz kraft Sachzusammenhang

Definition: Eine Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhang wird angenommen, wenn ein Bereich nicht sinnvoll geregelt werden kann, ohne dass der Gesetzgeber in einen anderen Bereich eingreift, für den er eigentlich keine Gesetzgebungszuständigkeit hat.

Der Bereich, der der Gesetzgebungskompetenz des Bundes zugeschlagen wird, darf dabei nicht von beherrschendem Gewicht sein!

Beispiel: Das Bundesverfassungsgericht nahm eine Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhang bei der Wahlwerbung politischer Parteien im Rundfunk aufgrund ihrer Verbindung zum Parteiwesen nach Art. 21 Abs. 3 GG an (BVerfGE 12, 205 (240 f.)). Die Unterscheidung einer Kompetenz kraft Sachzusammenhang von einer Annexkompetenz fällt dabei mitunter schwer

3. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Natur der Sache

Definition: Eine Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes kraft Natur der Sache liegt vor, wenn ein Bereich seinem Inhalt nach nur durch ein Bundesgesetz geregelt werden kann.

Beispiel: Regelungen, die nationale Symbole wie etwa die Bundesflagge betreffen oder die Repräsentation der Bundesrepublik im Ausland (BeckOK GG/Seiler GG Art. 70 Rn. 24-24.1).

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