Vor den Anschlussdelikten ist man in der strafrechtlichen Klausur nie gefeit. Deshalb gilt auch hier das Motto: Besser vorsehen, statt nachsehen. Dieser Beitrag enthält alles examensrelevante zur Strafvereitelung gemäß § 258 StGB.
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Strafvereitelung

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I. Allgemeines zu § 258 StGB

Das Rechtsgut, welches § 258 StGB schützt ist die innerstaatliche deutsche Rechtspflege.


§ 258 StGB Strafvereitelung

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Dabei wird unterschieden zwischen:

  • Verfolgungsvereitelung (§ 258 Abs. 1 StGB) und
  • Vollstreckungsvereitelung (§ 258 Abs. 2 StGB)

§ 258 StGB:

(1) Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) unterworfen wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer absichtlich oder wissentlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil vereitelt.

Zusätzlich kann man bei der Verfolgungsvereitelung noch einmal zwischen der eigentlichen Strafvereitelung (§ 258 Abs. 1 Var. 1 StGB) und der Maßnahmevereitelung (§ 258 Abs. 1 Var. 2 StGB) differenzieren.

II. Prüfungsschema der Strafvereitelung, § 258 StGB

In der Klausur sieht die Prüfung des § 258 StGB folgendermaßen aus:

Schema, § 258 StGB:

    1. Objektiver Tatbestand, § 258 Abs. 1 StGB
      1. Vortat eines anderen
      2. Teilweise oder ganze Vereitelung der Bestrafung oder der Unterwerfung unter eine Maßnahme
    2. Oder objektiver Tatbestand, § 258 Abs. 2 StGB
      1. Rechtskräftig verhängte Strafe oder Maßnahme gegen einen anderen
      2. Teilweise oder ganze Vereitelung der Vollstreckung der Strafe oder Maßnahme
    3. Subjektiver Tatbestand
      1. Dolus eventualis bzgl. der Vortat (§ 258 Abs. 1 StGB) bzw. der rechtskräftig verhängten Strafe oder Maßnahme (§ 258 Abs. 2 StGB)
      2. Dolus directus 1. oder 2. Grades bzgl. der Vereitelung
    4. Rechtswidrigkeit
    5. Schuld
    6. Persönliche Strafausschließungsgründe, § 258 Abs. 5, Abs. 6 StGB

1. Die Verfolgungsvereitelung, § 258 Abs. 1 StGB

Im Folgenden werden die einzelnen Tatbestandsmerkmale der Verfolgungsvereitelung erläutert.

a. Die Vortat

Zunächst muss eine entsprechende Vortat eines anderen festgestellt werden. Dabei ist nicht nur die Rechtswidrigkeit der Tat zu prüfen, wie es der Wortlaut nahelegt. Stattdessen müssen alle Voraussetzungen für die Verhängung einer Strafe oder einer Maßnahme nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB vorliegen. Um hier unschöne Inzidentprüfungen zu vermeiden, lohnt es sich, mit dem anderen Täter und deren Strafbarkeit anzufangen und hier nur auf diese zu verweisen.

b. Das Vereiteln

Außerdem muss der Täter ganz oder zum Teil vereiteln, dass der andere wegen der Tat bestraft werden oder gegen ihn eine Maßnahme verhängt werden kann. Der Täter vereitelt die Bestrafung oder die Verhängung der Maßnahme ganz, wenn diese endgültig nicht mehr möglich ist. Dies ist beispielsweise bei einem rechtskräftigen Freispruch der Fall.

Auch eine zeitliche Verzögerung kann nach herrschender Meinung für das „ganz“ Vereiteln ausreichen, wobei allerdings nicht eindeutig ist, ab wann diese hierfür lang genug andauert. Teilweise wird eine Mindestverzögerung von zwei Wochen gefordert, während andere erst drei Wochen genügen lassen.


§ 258 StGB Strafvereitelung

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Die Gegenansicht hält dies für einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG und nimmt bei der Verzögerung nur einen Versuch an, der nach § 258 Abs. 4 StGB strafbar ist. Zu beachten ist außerdem, dass die Ahndung sich verzögern muss, weshalb unter Umständen nicht bloß die Verzögerung von Ermittlungen ausreichend ist.

Definition: Vereiteln liegt vor, wenn die Strafe nicht mehr verhängt werden kann oder wenn die Verwirklichung des staatlichen Strafanspruchs für geraume Zeit verzögert wird.

Die Bestrafung wird indessen teilweise vereitelt, wenn der Vortäter zu Unrecht nur aufgrund eines milderen Deliktes bestraft wird.

2. Die Vollstreckungsvereitelung, § 258 Abs. 2 StGB

Bei der Vollstreckungsvereitelung wird derjenige bestraft, der vereitelt, dass eine gegen einen anderen verhängte Strafe oder Maßnahme vollstreckt wird. Die Strafe bzw. die Maßnahme muss dabei rechtskräftig verhängt worden sein. Die Vereitelungshandlung kann jedoch schon vor Rechtskraft der Entscheidung begangen werden.

Im Hinblick auf das Vereiteln gilt das oben gesagte. Für eine teilweise Vollstreckungsvereitelung reicht es außerdem nicht aus, wenn dem Vortäter während des Vollzuges Vergünstigungen gewährt werden, die ihm eigentlich nicht zustehen. Stattdessen ist es erforderlich, dass ein Teil der Strafe nicht vollstreckt wird.

Problem

Ein Sonderproblem ist die Frage, ob sich auch derjenige einer Vollstreckungsvereitelung strafbar macht, der die Geldstrafe eines anderen bezahlt.

Nach einer Ansicht sei dies der Fall, weil die Geldstrafe für den Verurteilten eine spürbare Belastung darstellen soll und ihr Sinn und Zweck damit vereitelt werden würde.


§ 258 StGB Strafvereitelung

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Nach anderer Ansicht liegt keine strafbare Vollstreckungsvereitelung vor. Dies kann man damit begründen, dass es eine Vielzahl von Umgehungsmöglichkeiten geben würde, wenn man dieses Verhalten unter Strafe stellen würde. Zum Beispiel wäre es dann immer noch möglich, dem Straftäter im Nachhinein Geld zu schenken. Außerdem würde es eine immense Ausweitung des Straftatbestandes bedeuten.

3. Der subjektive Tatbestand

Im Hinblick auf die Vortat und die rechtskräftige Verurteilung (bei der Vollstreckungsvereitelung) ist dolus eventualis ausreichend. Der Täter muss aber hinsichtlich der Tathandlung und des Vereitelungserfolges wissentlich oder absichtlich handeln, es wird also mindestens dolus directus 2. Grades gefordert.

4. Die persönlichen Strafausschließungsgründe

§ 258 StGB:

(5) Wegen Strafvereitelung wird nicht bestraft, wer durch die Tat zugleich ganz oder zum Teil vereiteln will, daß er selbst bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird oder daß eine gegen ihn verhängte Strafe oder Maßnahme vollstreckt wird.
(6) Wer die Tat zugunsten eines Angehörigen begeht, ist straffrei.

Nach § 258 Abs. 5 StGB wird derjenige nicht wegen Strafvereitelung bestraft, der durch die Tat vereiteln will, dass er selbst bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird bzw. dass eine Strafe oder Maßnahme gegen ihn vollstreckt wird. Außerdem ist nach § 258 Abs. 6 StGB auch derjenige straffrei, der die Tat zugunsten eines Angehörigen begeht. Den Angehörigenbegriff definiert § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB.

§ 11 Abs. 1 Nr. 1 a StGB:

Verwandte und Verschwägerte gerader Linie, der Ehegatte, der Lebenspartner, der Verlobte, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister, Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner, und zwar auch dann, wenn die Ehe oder die Lebenspartnerschaft, welche die Beziehung begründet hat, nicht mehr besteht oder wenn die Verwandtschaft oder Schwägerschaft erloschen ist,



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