
Das geschützte Rechtsgut
Die Vorschrift der Strafvereitelung schützt die staatliche deutsche Rechtspflege (Rengier, StrafR BT I, § 21 Rn. 1).
Die verschiedenen Varianten der Strafvereitelung
Die Strafvereitelung ist in § 258 StGB geregelt, wobei grundsätzlich zwischen der Verfolgungsvereitelung (§ 258 I) und der Vollstreckungsvereitelung (§ 258 II) unterschieden werden muss. Zusätzlich kann man bei der Verfolgungsvereitelung noch einmal zwischen der eigentlichen Strafvereitelung (§ 258 I Var. 1) und der Maßnahmevereitelung (§ 258 I Var. 2) differenzieren (Rengier, StrafR BT I, § 21 Rn. 2).
I. Die Verfolgungsvereitelung, § 258 I StGB
Im Folgenden werden die einzelnen Tatbestandsmerkmale der Verfolgungsvereitelung erläutert.
1. Die Vortat
Zunächst muss eine entsprechende Vortat eines anderen festgestellt werden. Dabei ist nicht nur die Rechtswidrigkeit der Tat zu prüfen, wie es der Wortlaut nahelegt. Stattdessen müssen alle Voraussetzungen für die Verhängung einer Strafe (Var. 1) oder einer Maßnahme nach § 11 I Nr. 8 StGB (Var. 2) vorliegen (Rengier, StrafR BT I, § 21 Rn. 4).
2. Das Vereiteln
Außerdem muss der Täter ganz oder zum Teil vereiteln, dass der andere wegen der Tat bestraft werden oder gegen ihn eine Maßnahme verhängt werden kann. Der Täter vereitelt die Bestrafung oder die Verhängung der Maßnahme ganz, wenn diese endgültig nicht mehr möglich ist. Dies ist beispielsweise bei einem rechtskräftigen Freispruch der Fall (Rengier, StrafR BT I, § 21 Rn. 5).
Auch eine zeitliche Verzögerung kann nach herrschender Meinung für das „ganz“ Vereiteln ausreichen, wobei allerdings nicht eindeutig ist, ab wann diese hierfür lang genug andauert. Teilweise wird eine Mindestverzögerung von zwei Wochen gefordert (Rengier, StrafR BT I, § 21 Rn. 8), während andere erst drei Wochen genügen lassen (Jahn/Palm, JuS 2009, 408 (409)).
Die Gegenansicht hält dies für einen Verstoß gegen Art. 103 II GG und nimmt bei der Verzögerung nur einen Versuch an, der nach § 258 IV strafbar ist (vgl. Rengier, StrafR BT I, § 21 Rn. 7).
Zu beachten ist außerdem, dass die Ahndung sich verzögern muss, weshalb unter Umständen nicht bloß die Verzögerung von Ermittlungen ausreichend ist (Rengier, StrafR BT I, § 21 Rn. 8 a).
Die Bestrafung wird indessen teilweise vereitelt, wenn der Vortäter zu Unrecht nur aufgrund eines milderen Deliktes bestraft wird (Jahn/Palm, JuS 2009, 408 (409)).
II. Die Vollstreckungsvereitelung, § 258 II StGB
Bei der Vollstreckungsvereitelung wird derjenige bestraft, der vereitelt, dass eine gegen einen anderen verhängte Strafe oder Maßnahme vollstreckt wird. Die Strafe bzw. die Maßnahme muss dabei rechtskräftig verhängt worden sein (Schönke/Schröder/Hecker/Stree StGB § 258 Rn. 26). Die Vereitelungshandlung kann jedoch schon vor Rechtskraft der Entscheidung begangen werden (Jahn/Palm, JuS 2009, 408 (409)).
Im Hinblick auf das Vereiteln gilt das oben gesagte. Für eine teilweise Vollstreckungsvereitelung reicht es außerdem nicht aus, wenn dem Vortäter während des Vollzuges Vergünstigungen gewährt werden, die ihm eigentlich nicht zustehen (z.B. Freigang). Stattdessen ist es erforderlich, dass ein Teil der Strafe nicht vollstreckt wird (Jahn/Palm, JuS 2009, 408 (409)).
Ein Sonderproblem ist die Frage, ob sich auch derjenige einer Vollstreckungsvereitelung strafbar macht, der die Geldstrafe eines anderen bezahlt. Nach einer Ansicht sei dies der Fall, weil die Geldstrafe für den Verurteilten eine spürbare Belastung darstellen soll und ihr Sinn und Zweck damit vereitelt werden würde (vgl. Rengier, StrafR BT I, § 21 Rn. 19).
Nach anderer Ansicht liegt keine strafbare Vollstreckungsvereitelung vor. Dies kann man damit begründen, dass es eine Vielzahl von Umgehungsmöglichkeiten geben würde, wenn man dieses Verhalten unter Strafe stellen würde. Zum Beispiel wäre es dann immer noch möglich, dem Straftäter im Nachhinein Geld zu schenken (Rengier, StrafR BT I, § 21 Rn. 20).
III. Der subjektive Tatbestand
Im Hinblick auf die Vortat und die rechtskräftige Verurteilung (bei der Vollstreckungsvereitelung) ist dolus eventualis ausreichend. Der Täter muss aber hinsichtlich der Tathandlung und des Vereitelungserfolges wissentlich oder absichtlich handeln (Rengier, StrafR BT I, § 21 Rn. 21).
IV. Die persönlichen Strafausschließungsgründe
Nach § 258 V StGB wird derjenige nicht wegen Strafvereitelung bestraft, der durch die Tat zugleich ganz oder zum Teil vereiteln will, dass er selbst bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird bzw. dass eine Strafe oder Maßnahme gegen ihn vollstreckt wird. Außerdem ist nach § 258 VI auch derjenige straffrei, der die Tat zugunsten eines Angehörigen begeht. Den Angehörigenbegriff definiert § 11 I Nr. 1 StGB.
Prüfungsschema
In der Klausur sieht die Prüfung des § 258 StGB folgendermaßen aus:
1. Objektiver Tatbestand
• § 258 I StGB
a) Vortat eines anderen
b) Teilweise oder ganze Vereitelung der Bestrafung oder der Unterwerfung unter eine Maßnahme
• § 258 II StGB
a) Rechtskräftig verhängte Strafe oder Maßnahme gegen einen anderen
b) Teilweise oder ganze Vereitelung der Vollstreckung der Strafe oder Maßnahme
2. Subjektiver Tatbestand
a) Dolus eventualis bzgl. der Vortat (§ 258 I) bzw. der rechtskräftig verhängten Strafe oder Maßnahme (§ 258 II)
b) Dolus directus 1. oder 2. Grades bzgl. der Vereitelung
II. Rewi/Schuld
III. Persönliche Strafausschließungsgründe, § 258 V,VI
(s. zum Aufbau des § 258 I Var. 1 Rengier, StrafR BT I, § 21 Rn. 3)
Quellen
Jahn, Matthias/Palm, Jasmin: Die Anschlussdelikte – Strafvereitelung (§§ 258, 258 a StGB), JuS 2009, 408 ff.
Rengier, Rudolf: Strafrecht Besonderer Teil I, Vermögensdelikte, 15. Aufl. München 2013
Schönke/Schröder: Strafgesetzbuch Kommentar, 29. Aufl. München 2014
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