Trotz der „Ehrenmann-Theorie“, wonach der Staat sich stets rechtmäßig verhält, passieren auch dem besten Beamten Fehler. Sofern ihm ein Fehler bei Ausübung einer Amtspflicht unterläuft (rechtswidriger Eingriff), kann der betroffene Bürger unter Umständen vom Staat Schadensersatz fordern. Bei dem Amtshaftungsanspruch gemäß §  839 BGB, Art. 34 GG handelt es sich somit um einen staatshaftungsrechtlichen Anspruch, welcher grundsätzlich auf Geld gerichtet ist. Mit folgendem Prüfungsschema behalten Sie in der Klausur den Überblick.
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verwaltungsgericht

Bild: “Leipzig, Bundesverwaltungsgericht” von Heribert Pohl. Lizenz: CC BY-SA 2.0


Allgemeines

Zunächst einmal ist für das Verständnis des Amtshaftungsanspruchs ein Blick ins Gesetz erforderlich. Die Anspruchsgrundlage ergibt sich aus § 839 Abs. 1 S. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 S. 1 GG (bitte lesen!).

§ 839 Abs. 1 lautet:

Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

Art. 34 S. 1 GG lautet:

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht.

Schema: Amtshaftungsanspruch, § 839 BGB, Art. 34 GG

  1. Handlung in Ausübung eines öffentlichen Amtes
  2. Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht
  3. Verschulden
  4. Schaden
  5. Kausalität
  6. Kein Haftungsausschluss
  7. Art und Umfang des Schadensersatzes
  8. Verjährung
  9. Anspruchsgegner

I. Handeln in Ausübung eines öffentlichen Amtes

Nach Art. 34 S. 1 GG muss „Jemand“ für den Staat oder einen Träger öffentlicher Gewalt gehandelt haben. Damit sind nicht nur Beamte als solche gemeint, sondern z.B. auch Angestellte des öffentlichen Dienstes. Es muss sich somit um einen Beamten im haftungsrechtlichen Sinn handeln. Die Formulierung des Art. 34 GG geht der Formulierung aus § 839 Abs. 1 BGB, die sich nur auf Statusbeamte bezieht, aufgrund der Normenhierarchie vor.

Klausurtipp: Die genaue Bestimmung des „Jemand“ ist in der Klausur entscheidend, da diejenige Körperschaft haftet, in deren Dienst der Beamte im haftungsrechtlichen Sinn steht.

Da nur das Handeln „in Ausübung eines öffentlichen Amtes“ erfasst ist, muss der „Jemand“ öffentlich-rechtlich gehandelt haben. Die Abgrenzung zu privatrechtlichem Handeln kann im Einzelfall schwierig sein und eine Auseinandersetzung mit den Angaben aus dem Sachverhalt erfordern. Grundsätzlich liegt ein öffentliches Amt vor, wenn der Beamte aufgrund von öffentlich-rechtlichen Vorschriften tätig wird.

Zudem muss die Handlung in Ausübung, das bedeutet nicht nur bei Gelegenheit geschehen.

II. Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht

Die Amtspflichten umfassen alle Pflichten des Handelnden gegenüber seiner Anstellungskörperschaft hat. Ein grundsätzliches Beispiel ist die Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten.

Klausurtipp: Hier ist dann meistens eine Inzidentprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme vorzunehmen.

Diese Amtspflicht muss drittgerichtet sein, d.h. auch dem Geschädigten gegenüber bestehen und dem Schutz vor dem erlittenen Schaden dienen.

III. Verschulden

Der Amtsträger muss nach § 839 Abs. 1 S. 1 BGB schuldhaft gehandelt haben. Damit ist Vorsatz und Fahrlässigkeit gemeint, wobei Maßstab bei der Fahrlässigkeit der pflichtgetreue Durchschnittsbeamte ist. Es ist davon auszugehen, dass ein gewissenhafter und besonnener Beamte das Gesetz und dir Rechtsprechung kennt.

IV. Schaden

Es muss ein materieller oder immaterieller Schaden beim Geschädigten eingetreten sein.

V. Kausalität

Die Amtspflichtverletzung muss für den eingetretenen Schaden adäquat kausal sein, d.h. der Eintritt des Schadens durch die Amtspflichtverletzung darf nicht außerhalb jeglicher Lebenserfahrung liegen.

VI. Kein Haftungsausschluss

Nach der Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB besteht kein Amtshaftungsanspruch, wenn dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last fällt und der Verletzte auf andere Weise Ersatz erlangen kann.

Diese Klausel wird jedoch sehr restriktiv ausgelegt und ist laut Rechtsprechung in folgenden Fällen nicht anwendbar:

  1. Der Ersatzanspruch richtet sich ebenfalls gegen einen Hoheitsträger.
  2. Der Ersatzanspruch richtet sich gegen eine gesetzliche oder private Versicherung und beruht auf eigenen Leistungen.
  3. Der Ersatzanspruch richtet sich gegen einen Dritten nach einem Unfall durch den Amtsträger bei hoheitlicher Teilnahme am Straßenverkehr. Gegenausnahme: Der Amtsträger nahm bei dem Umfall Sonderrechte nach §§ 35, 38 StVO, wie z.B. Blaulicht, in Anspruch.

Nach dem Richterspruchprivileg des § 839 Abs. 2 S. 1 BGB scheidet ein Amtshaftungsanspruch ebenfalls aus, wenn die Pflichtverletzung in Form eines fehlerhaften Urteils nicht zugleich eine Straftat ist.

Ein Amtshaftungsanspruch kann gem. § 839 Abs. 3 BGB noch ausscheiden, wenn der Geschädigte es in vorwerfbarer Weise versäumt hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden, sogenannte „Kein Dulde und Liquidiere“.

VII. Art und Umfang des Schadensersatzes

Der Schadensersatz erfolgt bei Amtshaftungsansprüchen grundsätzlich in Geld. Ansprüche auf Amtshandlungen sind mit diesem Instrument nicht durchsetzbar.

VIII. Verjährung

Die Verjährung richtet sich nach den §§ 194 ff. BGB.

IX. Anspruchsgegner

Es haftet die juristische Person des öffentlichen Rechts, der dem Beamten das Amt übertragen hat.

Fazit

Der Amtshaftungsanspruch stellt ein anspruchsvolles Thema dar, welches aus guten Gründen gerne im Staatsexamen geprüft wird. So werden öffentliches- und Zivilrecht verknüpft, was die Prüfung anspruchsvoller gestaltet. Zweitens müssen viele Voraussetzungen des Anspruchs auswendig gelernt werden. Taucht der Amtshaftungsanspruch in einer Klausur auf, trennt sich schnell die Spreu vom Weizen. Es lohnt sich daher den Anspruch zu beherrschen.



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