Steht im Strafverfahren ein Beschuldigter fest, so kann die Untersuchungshaft (§ 112 StPO) angeordnet werden. Primärer Zweck der Untersuchungshaft (§ 112 StPO) ist die Sicherung des Verfahrens. Die Untersuchungshaft (§ 112 StPO) darf nur mittels Haftbefehls (§§ 114 ff. StPO) angeordnet werden, der seinerseits formell und materiell rechtmäßig sein muss.
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Bild: “Prison inner court” von martin. Lizenz: CC BY 2.0


I. Hintergrund des Haftbefehls, § 114 StPO

Der Haftbefehl ist in § 114 StPO geregelt. Nach § 114 Abs.1 StPO wird die Untersuchungshaft (§ 112 StPO) durch schriftlichen Haftbefehl des Richters angeordnet. Das Vorliegen eines (rechtmäßigen!) Haftbefehls ist damit Voraussetzung für eine rechtmäßige Untersuchungshaft (§ 112 StPO).

Definition: Die Untersuchungshaft, geregelt in den §§ 112 ff. StPO, ist die Inhaftierung eines noch nicht verurteilten Beschuldigten.

Primärer Zweck ist dabei die Verfahrenssicherung. Die Untersuchungshaft (§ 112 StPO) soll die Durchführung eines geordneten Strafverfahrens dadurch gewährleisten, dass der Beschuldigte daran gehindert wird, sich dem Verfahren zu entziehen oder wichtige Beweismittel zu manipulieren oder zu vernichten.


Untersuchungshaft, § 112 StPO

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Die Untersuchungshaft (§ 112 StPO) steht in einem Spannungsverhältnis zu der Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs.2 EMRK), da sie einen noch nicht rechtskräftig verurteilten Beschuldigten seiner Freiheit beraubt. Aus diesem Grund ist es umso wichtiger, dass der die Untersuchungshaft (§ 112 StPO) anordnende Haftbefehl auch rechtmäßig ergeht.

Um ein Gleichgewicht in dieses Spannungsverhältnis zu bringen sind die Maßstäbe für eine Untersuchungshaft (§ 112 StPO) hoch anzusetzen. Ferner ist  in Deutschland im Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) geregelt, dass bei unrechtmäßiger Strafverfolgung eine Entschädigung an denjenigen der unrechtmäßigerweise darunter gelitten hat, zu zahlen ist. Diese Art der Wiedergutmachung beträgt für „den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist“, 75 € für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung, § 7 Abs. 3 StrEG.

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II. Voraussetzungen der Untersuchungshaft, § 112 StPO

Prüfungsschema: Untersuchungshaft, § 112 StPO


Untersuchungshaft, § 112 StPO

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1. Verfahrensvoraussetzungen (formelle Voraussetzungen)

Zuständig für den Erlass eines Haftbefehls ist vor Klageerhebung der Ermittlungsrichter an demjenigen Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Gerichtsstand begründet ist oder der Beschuldigte sich aufhält, vgl. § 125 Abs.1 StPO. Nach Klageerhebung ist das Gericht der Hauptsache zuständig, vgl. § 125 Abs.2 StPO. Der Haftbefehl ist stets schriftlich abzufassen, § 114 Abs.1 StPO.


Untersuchungshaft, § 112 StPO

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2. Dringender Tatverdacht, § 114 Abs.2 Nr.1 StPO

Zunächst muss gegen den Beschuldigten ein dringender Tatverdacht bestehen, §§ 114 Abs.2 Nr.1, 112 Abs.1 StPO.

Definition: Von einem dringenden Tatverdacht wird gesprochen, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Beschuldigte auch tatsächlich Täter der ihm zur Last gelegten Tat ist.

3. Haftgrund, §§ 114 Abs.2 Nr.2, 112 Abs.2 StPO

Weiterhin muss einer der im Gesetz in § 112 Abs.2 StPO abschließend genannten Haftgründe für eine Untersuchungshaft (§ 112 StPO) vorliegen:

  • Flucht oder Fluchtgefahr, § 112 Abs. 2 Nr. 1,2 StPO
  • Verdunkelungsgefahr, § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO
  • Verdacht eines Schwerverbrechens, § 112 Abs. 3 StPO
  • Wiederholungsgefahr, § 112a StPO

Der Haftgrund der Flucht nach § 112 Abs.2  Nr.1 StPO ist gegeben, wenn Tatsachen ergeben, dass der Beschuldigte tatsächlich flüchtig ist oder sich verborgen hält.

Flüchtig ist der Beschuldigte bei einer Verschiebung des Lebensmittelpunktes zum Zweck der Unerreichbarkeit für die Ermittlungspersonen bzw. der Fernhaltung vom Verfahren oder der Verhinderung drohender Sanktionen.

Verborgen hält sich der Beschuldigte, wenn er seinen Aufenthaltsort verschleiert und deshalb für die Ermittlungspersonen unauffindbar ist.

Fluchtgefahr besteht, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles wahrscheinlicher ist, dass sich der Beschuldigte dem Verfahren entziehen, als dass er sich diesem stellen wird.
Faktoren zur Einschätzung der Fluchtgefahr:


Untersuchungshaft, § 112 StPO

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Verdunkelungsgefahr liegt vor, wenn konkrete den dringenden Verdacht begründen, dass der Beschuldigte in unzulässiger Weise auf sachliche oder persönliche Beweismittel einwirken und damit die Wahrheitsfindung erschweren wird.

4. Verhältnismäßigkeit des Haftbefehls, § 112 Abs.1 S.2 StPO

Da die Freiheitsentziehung durch Untersuchungshaft (§ 112 StPO) einen besonders schweren Grundrechtseingriff darstellt (den schwersten, den das deutsche Gesetz staatlicherseits kennt), verdient der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besondere Beachtung. Nach § 112 Abs.1 S.2 StPO darf die Untersuchungshaft nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht. Eine weitere Konkretisierung findet sich zudem in § 113 StPO bei Vorliegen von Verdunkelungs- und Fluchtgefahr.

III. Ablauf Verhaftung

Die Verhaftung im Rahmen der §§ 112 ff. StPO läuft wie folgt ab:


Untersuchungshaft, § 112 StPO

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IV. Rechtsschutz gegen einen Haftbefehl

Da der Haftbefehl, bzw. die nachfolgende Untersuchungshaft (§ 112 StPO) stark in die Rechte des Beschuldigten eingreift, stehen diesem zwei besondere Rechtsbehelfe zur Verfügung, um gegen den Haftbefehl vorzugehen:

  1. Antrag auf Haftprüfung, §§ 117 ff. StPO:
    Während sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft (§ 112 StPO) befindet, kann er jederzeit einen Antrag auf Haftprüfung durch ein Gericht stellen; das Gericht hebt dann ggf. den Haftbefehl auf oder setzt ihn außer Vollzug
  2. Einreichung einer Haftbeschwerde, §§ 304 Abs. 1, 310 StPO:
    Weiterhin hat der Beschuldigte die Möglichkeit, sich mit der Beschwerde gegen den Haftbefehl zur Wehr zu setzen, wobei ebenfalls eine gerichtliche Überprüfung der Voraussetzungen des Haftbefehls stattfindet
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