In Grenzfällen kann es sein, dass der Täter die Grenzen der Notwehr überschreitet. Doch auch in diesen Fällen kann eine Bestrafung unterbleiben, wenn die Voraussetzungen des § 33 StGB vorliegen.
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Bild: “The law” von chriscom. Lizenz: CC BY 2.0


Definition des Notwehrexzesses

In § 33 StGB heißt es:

Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.

Es handelt sich hier nicht wie bei der Notwehr selbst um einen Rechtfertigungsgrund. Vielmehr entfällt die Schuld des Täters bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 33 StGB. Dies ist relevant, da der Täter damit zu einem rechtswidrig Angreifenden wird.

Daraus folgt, dass gegen den im Notwehrexzess Handelnden wiederum Notwehr erlaubt ist. Dieses Notwehrrecht kann allerdings ggf. aufgrund von Provokation u.ä. eingeschränkt sein.

Intensiver Notwehrexzess

Den klassischen Fall stellt der intensive Notwehrexzess dar. Für das Vorliegen eines intensiven Notwehrexzesses muss zunächst objektiv eine Notwehrlage vorhanden sein. Der Verteidiger muss das erforderliche Maß der Abwehr i.S.v. § 32 StGB sodann überschritten haben. Dies ist etwa der Fall, wenn der Täter plötzlich ein Messer benutzt, obwohl der Angriff ohne Probleme auch anders abgewehrt werden könnte. Auch wenn der Angriff fortbesteht, aber in seiner Intensität nachgelassen hat, liegt ein intensiver Notwehrexzess vor.

Weiterhin muss der Täter aus einem asthenischen Affekt (Verwirrung, Furcht oder Schrecken ) heraus gehandelt haben.

Definition: Unter asthenischen Affekten werden im Strafrecht Gemütsregungen bzw. Bewusstseinstrübungen verstanden, die sich aus einer Schwäche wie Furcht, Schrecken oder Verwirrung heraus entwickelt haben.

Sthenische Affekte, welche wiederum aus der Stärke resultieren wie Wut, Zorn oder Hass genügen nicht.

Es reicht jedoch bereits aus, wenn die asthenischen Affekte mitbestimmend sind.

Der asthenische Affekt muss im direkten Zusammenhang mit der Überschreitung liegen.

Bei schuldhafter Herbeiführung der Notwehrlage durch den Verteidiger ist die Anwendung des § 33 StGB nach h.L. nicht ausgeschlossen. Anders wird dies bei der Absichtsprovokation gesehen, sofern diese bereits das Notwehrrecht ausschließt. Die Rechtsprechung geht indes noch weiter und verweigert die Anwendung des § 33 StGB auch bei planmäßiger Herbeiführung der Notwehrlage durch den Verteidiger.


Voraussetzungen intensiver Notwehrexzess

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Problem: Extensiver Notwehrexzess

Es ist umstritten, ob neben dem intensiven auch der extensive Notwehrexzess von § 33 StGB mitumfasst wird.

Bei einem extensiven Notwehrexzess handelt es sich um eine Überschreitung der zeitlichen Grenzen der Notwehr. D.h. der „Verteidiger“ richtet sich gegen einen Angriff, der noch nicht begonnen hat oder bereits beendet ist. Es fehlt somit an der Gegenwärtigkeit des Angriffs.
  • Die h.M. verneint die Anwendbarkeit von § 33 StGB auf den extensiven Notwehrexzess. Sie begründet dies damit, dass es an der Notwehrlage fehle, wenn kein gegenwärtiger Angriff vorliegt.  Wenn also gar kein Notwehrrecht entstanden ist, kann ein solches auch nicht in zeitlicher Hinsicht überschritten werden.
  • Gegenstimmen bejahen die Anwendung des § 33 StGB beim extensiven Notwehrexzess, da eine gleichartige Motivationslage vorliege.
  • Dazwischen liegt eine vermittelnde Ansicht, der zufolge zumindest der nachzeitige extensive Notwehrexzess von § 33 StGB mitumfasst sei, wenn ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang vorliege, der die Fortsetzung der Notwehr als einheitlichen Geschehensablauf erscheinen lasse.

Subjektive Vorstellung

Ob der Verteidigende die Grenzen der Notwehr bewusst oder unbewusst überschreitet, ist irrelevant. Auch wenn dies von einer Mindermeinung anders gesehen wird, wird diese Ansicht vom Gesetzeswortlaut unterstützt.

Putativnotwehrexzess

Bei der Putativnotwehr liegt ein Erlaubnistatbestandsirrtum vor, indem der Täter irrtümlicherweise eine Notwehrlage annimmt. Außerdem kommt es bei einem Putativnotwehrexzess zusätzlich zu einer Überschreitung der Erforderlichkeit.

  • Eine Mindermeinung will in diesen Fällen § 33 StGB analog anwenden, wenn der Irrtum nicht vermeidbar war oder dem vermeintlichen Angreifer ein erhebliches Verschulden am Irrtum des Verteidigers zuzuschreiben ist.
  • Die h.M. verneint allerdings die Anwendbarkeit des § 33 StGB, da in diesem das tatsächliche Vorliegen einer Notwehrlage gefordert ist. In diesem Falle kann die Anwendung des § 17 StGB in Betracht gezogen werden.
  • Andere wiederum berufen sich auf die Regelung des § 35 Abs. 2 StGB.


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