Dr. John Montag BMR Juristische Intensivlehrgänge: Komplettkurs
Speziell zur Zwischenprüfung Zivilrecht: „von Lilien & Kraatz“

Bild: “Emptiness: Magician & Assistant” von Wonderlane. Lizenz: CC BY 2.0
Grundlagen
Der Zweck des § 278 BGB ist es, den Schuldner nicht vom Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen zu befreien. Durch den Vorteil der Arbeitsteilung hat er trotzdem das Verhalten seiner Gehilfen zu vertreten. [Hirsch, § 20 Rn. 430]
Gem. § 278 BGB ist Erfüllungsgehilfe jede natürliche oder juristische Person, derer sich der Schuldner zur Erfüllung einer Verbindlichkeit bedient. Erfüllungsgehilfe ist, wer mit dem Willen des Schuldners in dessen Pflichtenkreis als seine Hilfsperson tätig wird. [Kropholler, § 278 Rn. 6]
Aus § 278 S. 1 BGB ergibt sich zudem, dass der Schuldner auch für das Verhalten seiner gesetzlichen Vertreter einzustehen hat. Hierunter fallen etwa die Eltern (§ 1629 BGB). Das bedeutet, dass sämtliche Regelungen über Erfüllungsgehilfen auch für gesetzliche Vertreter gelten.
Für die Position des Erfüllungsgehilfen kommt es nicht auf irgendeinen Beruf oder eine bestimmte Stellung an. Es reicht bereits, wenn er als Hilfsperson des Schuldners mit dessen Wissen und Wollen tätig wird. [Brox/Walker, § 20 Rn. 28]
Klassische Beispiele für Erfüllungsgehilfen, für deren Handeln der Schuldner einzustehen hat, sind etwa Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Unternehmen und Handwerker. [Hirsch, § 20 Rn. 433]
Es ist auch möglich, dass der Erfüllungsgehilfe seinerseits einen Erfüllungsgehilfen einschaltet. Auch dessen Handeln hat der Schuldner zu vertreten. Hierunter fallen etwa Angestellte, welche Erfüllungsgehilfen ihrer Firma sind. [Brox/Walker, § 20 Rn. 29]
Voraussetzungen
Damit der Schuldner für das Verhalten seiner Erfüllungsgehilfen haftet, müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:
I. Schuldverhältnis
Es muss vor Tätigwerden des Erfüllungsgehilfen ein Schuldverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner bestanden haben. Ein Tätigwerden als Verrichtungsgehilfe i.S.v. § 831 BGB ist bei nicht Vorliegen jedoch noch nicht ausgeschlossen. [Brox/Walker, § 20 Rn. 25]
Das zugrunde liegende Schuldverhältnis kann sowohl vertraglicher, als auch gesetzlicher Art sein. Auch etwa eine vorvertragliche Pflichtverletzung (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB) kann durch einen Erfüllungsgehilfen begangen werden. [Kropholler, § 278 Rn. 5]
Die Verpflichtung aus dem Schuldverhältnis kann gem. § 241 Abs. 1 BGB auch in einem Unterlassen bestehen. Sollte ein Erfüllungsgehilfe des Schuldners (etwa ein Mitarbeiter) gegen diese Unterlassungspflicht verstoßen, greift § 278 BGB. [Hirsch, § 20 Rn. 435]
II. Erfüllung einer Pflicht des Schuldners
Weiterhin muss der Erfüllungsgehilfe in Erfüllung einer Pflicht des Schuldners handeln. Zu beachten ist hierbei, dass der Schuldner beim Versendungskauf nur den Transport organisiert. Der Frachtführer ist regelmäßig nicht Erfüllungsgehilfe des Schuldners. [Hirsch, § 20 Rn. 436]
III. Schuldhaftes Handeln des Erfüllungsgehilfen
Damit das Verhalten des Erfüllungsgehilfen dem Schuldner zugerechnet werden kann, muss dieser schuldhaft gehandelt haben, also vorsätzlich oder fahrlässig i.S.v. § 276 BGB. Etwaige Haftungsmilderungen, die für den Schuldner gelten, gelten auch für seinen Erfüllungsgehilfen. [Brox/Walker, § 20 Rn. 33 ff.]
IV. In Erfüllung der Verbindlichkeit
Dieses Abgrenzungsproblem ist von größter Relevanz, da der Schuldner nur für Erfüllungsgehilfen haftet, die in Erfüllung der Verbindlichkeit gehandelt haben und nicht bloß bei der bloßen Gelegenheit. Bei Gelegenheit handelte der Erfüllungsgehilfe, wenn seine Handlung in keinem sachlichen Zusammenhang mit der ihm übertragenen Aufgabe stand. Das klassische Beispiel für ein Handeln in Gelegenheit der Verrichtung ist der Diebstahl bei Handwerksarbeiten beim Gläubiger. [Kropholler, § 278 Rn. 11]
In Erfüllung der Verrichtung handelt ein Erfüllungsgehilfe, wenn ein unmittelbarer sachlicher Zusammenhang mit den Aufgaben besteht, die ihm zugewiesen wurden. Dies ist im Zweifel anzunehmen. Selbst strafbares Verhalten des Erfüllungsgehilfen hat der Schuldner zu vertreten, solange dieser in Erfüllung der Verrichtung (also in unmittelbar sachlichem Zusammenhang) handelte. [Hirsch, § 20 Rn. 439]
V. Keine abweichende Regelung
Durch Individualvereinbarung ist es möglich, die Haftung des Schuldners für Erfüllungsgehilfen auszuschließen oder zu begrenzen. Dies ergibt sich insbesondere aus § 278 S. 2 BGB, welcher die Anwendbarkeit von § 276 Abs. 3 BGB ausschließt. [Kropholler, § 278 Rn. 12]
Ein Ausschluss der Haftung durch AGB ist jedoch gem. § 309 Nr. 7 lit. b BGB ausgeschlossen.
Rechtsfolgen
Gem. § 278 S. 1 BGB hat der Schuldner das Verschulden seines Erfüllungsgehilfen zu vertreten wie eigenes Verschulden. Er haftet mithin für fremdes Verschulden. Er kann sich insoweit auch nicht exkulpieren, da es sich nicht um eigenes Verschulden handelt. [Kropholler, § 278 Rn. 1 f.]
Der Erfüllungsgehilfe selbst haftet dem Gläubiger nicht aus § 278 BGB aber ggf. deliktisch, etwa nach § 823 BGB. Somit kann regelmäßig auch der Erfüllungsgehilfe in Anspruch genommen werden. [Hirsch, § 20 Rn. 444]
Abgrenzungsfragen
Die Haftung des Schuldners für Verrichtungsgehilfen gem. § 278 BGB ist von diversen ähnlichen Regelungen des Zivilrechts abzugrenzen.
Für die Organe juristischer Personen ist § 31 BGB einschlägig und verdrängt insoweit § 278 BGB, was allerdings umstritten ist. [Brox/Walker, § 20 Rn. 27]
Vom Vertreter i.S.d. § 164 BGB ist der Erfüllungsgehilfe insoweit abzugrenzen, als der Vertreter bloß eine Willenserklärung abgibt, der Erfüllungsgehilfe allerdings eine tatsächliche Leistung erbringt. Eine Person kann auch beides sein, je nachdem, welche Aufgabe sie erfüllt. Nur selten ist es der Fall, dass das schuldhafte Verhalten des Erfüllungsgehilfen gerade in der Abgabe einer Willenserklärung zu sehen ist. [Hirsch, § 20 Rn. 446 f.]
Verrichtungsgehilfe
Die wohl wichtigste Abgrenzungsfrage ist die zwischen Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB) und Verrichtungsgehilfe (§ 831 BGB). Beide ähneln sich auf den ersten Blick sehr.
Abzugrenzen sind die beiden Gehilfenformen anhand der Person des Geschädigten. Der Geschädigte steht bei § 831 BGB nämlich (noch) nicht in einer schuldrechtlichen Beziehung zum Schuldner. Bei § 831 BGB steht der Gläubiger schlechter, da der Geschäftsführer sich exkulpieren kann, indem er nachweist, dass er den Verrichtungsgehilfen ordnungsgemäß ausgesucht hat. Dies ist bei § 278 BGB nicht möglich. [Hirsch, § 20 Rn. 449]
Schreiben Sie einen Kommentar