
Bild: “ ” von Carmella Fernando. Lizenz: CC BY 2.0
Inhaltsverzeichnis
- I. Allgemeines zur Falsche Verdächtigung, § 164 StGB
- II. Schema: Falsche Verdächtigung, § 164 Abs. 1 StGB
- III. Voraussetzungen der falschen Verdächtigung (§ 164 StGB) anhand eines Beispielsfalls
- IV. Strafmaß der falschen Verdächtigung, § 164 StGB
- V. § 164 Abs. 2 StGB – Auffangtatbestand
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I. Allgemeines zur Falsche Verdächtigung, § 164 StGB
Die falsche Verdächtigung ist Teil des § 164 StGB.
(1) Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen, […].
§ 164 StGB umfasst Tatbestände, unter welchen der Angeklagte gegenüber einer Behörde einen Dritten verdächtigt, eine strafrelevante Tat begangen zu haben.
Grundlegend werden von der Vorschrift der falschen Verdächtigung nach § 164 Abs. 1 StGB zwei Rechtsgüter geschützt. Zum einen die Funktionsfähigkeit der innerstaatlichen Rechtspflege vor Beeinträchtigungen dadurch, dass Behörden durch falsche Verdächtigungen zu nutzlosen Ermittlungs- oder sonstigen Maßnahmen veranlasst werden. Zum anderen schützt § 164 Abs. 1 StGB auch den Einzelnen davor Opfer ungerechtfertigter staatlicher Maßnahmen zu werden.
Zudem umfasst die falsche Verdächtigung nur den ersten Absatz des § 164 StGB.
II. Schema: Falsche Verdächtigung, § 164 Abs. 1 StGB
- I. Tatbestand
- 1. Objektiver Tatbestand
- a) Täuschungshandlung: Verdächtigung
- b) in Bezug auf einen anderen
- c) Objektive Unrichtigkeit
- d) Richtiger Adressat
- 2. Subjektiver Tatbestand
- a) Vorsatz
- b) Kenntnis der Unrichtigkeit (wider besseres Wissen)
- c) Absicht, ein behördliches Verfahren oder eine andere behördliche Maßnahme herbeizuführen oder fortdauern zu lassen
- II. Rechtswidrigkeit
- III. Schuld
III. Voraussetzungen der falschen Verdächtigung (§ 164 StGB) anhand eines Beispielsfalls
„Z befindet sich mit Nachbar N im Streit. Als dieser zu Fuß von einer Party nach Hause kommt, wittert er seine Chance, ihm eins auszuwischen. Er ruft bei der Polizei an und behauptet N sei gerade sternhagelvoll mit dem Auto von einer Party nach Hause gefahren und habe sich ihm gegenüber gebrüstet, dass er nach einer ganzen Flasche Wodka, die er innerhalb von 2 Stunden alleine getrunken habe, noch Auto fahren könne, auch wenn der ein oder andere Fußgänger auf dem Nachhauseweg habe ausweichen müssen.“
Um diese Frage zu beantworten gilt es, die Rechtsvorschrift genauer in Augenschein zu nehmen.
1. Objektiver Tatbestand des § 164 StGB
a) Täuschungshandlung: Verdächtigung
Beispielsfall: „N ruft den Verdacht bezüglich der Gefährdung des Straßenverkehrs, bzw. subsidiär auf Trunkenheit im Verkehr hervor. Eine Verdächtigung liegt daher vor. Die verdächtigten Taten würden auch den Straftatbestand des § 315c StGB, bzw. § 316 StGB erfüllen, sie sind somit rechtswidrig.“
b) In Bezug auf einen anderen
Im Sinne der falschen Verdächtigung muss der benannte Verdächtigte sich zudem vom eigentlichen Täter unterscheiden und einwandfrei identifizierbar sein. Selbstbeschuldigungen sowie Anzeigen gegen Unbekannt fallen deshalb nicht unter § 164 Abs. 1 StGB.
Beispielsfall: „Z verdächtigt seinen Nachbar N. Hierbei handelt es sich auch um einen anderen iSd. § 164 Abs. 1 StGB.“
c) Objektive Unrichtigkeit
Unerlässlich für eine Verurteilung gemäß § 164 Abs. 1 StGB ist die objektive, tatsächliche Unwahrheit der hervorgebrachten Verdächtigung.
Hervorgebrachte Übertreibungen, die lediglich das Strafmaß betreffen, den Deliktscharakter jedoch nicht ändern, sind deshalb nicht erfasst.
Beispielsfall: „N kommt zu Fuß von einer Party nach Hause. Die Behauptung N sei sternhagelvoll mit dem Auto gefahren, ist demnach in ihrem Kern falsch und folglich objektiv Unrichtig.“
d) Richtiger Adressat
Ferner muss die Verdächtigung gegenüber einer Behörde, eines zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtes, militärischer Vorgesetzter oder der Öffentlichkeit geschehen. Dabei ist auch das Weiterleiten einer Verdächtigung durch Dritte denkbar.
Beispielsfall: „Die Polizei ist als Behörde auch richtiger Adressat des § 164 Abs. 1 StGB.“
2. Subjektiver Tatbestand des § 164 StGB
Der subjektive Tatbestand der falschen Verdächtigung nach § 164 Abs. 1 StGB ist etwas komplexer als bei einem „normalen“ Delikt. Er verlangt, dass der Täter Wider besseres Wissen und mit der Absicht verdächtigt, ein Ermittlungsverfahren herbeizuführen oder fortdauern zu lassen.
Die dem Wortlaut nach geforderte Absicht, ein behördliches Verfahren herbeizuführen deutet dagegen darauf hin, dass hier mehr als sicheres Wissen gefordert ist. Die wohl überwiegende Meinung lässt aber auch hier das sichere Wissen genügen.
Beispielsfall: „Hier hatte Z selbst gesehen, dass N zu Fuß und nicht mit dem Auto unterwegs war und konnte deshalb ausschließen, dass N betrunken mit seinem Auto fuhr. Darüberhinaus hatte er auch die Absicht den unliebsamen N mit einem Ermittlungsverfahren zu schaden, das er als logische Konsequenz seines Handelns voraussehen konnte. Somit sind alle Kriterien, die für eine Verurteilung wegen falscher Verdächtigung unerlässlich sind, in unserem Beispielsfall erfüllt.“
MERKE: Die frei erfundene Geschichte des Z über die angebliche Brüstung mit der Alkoholfahrt würde alleine übrigens nicht ausreichen, um eine falsche Verdächtigung anzunehmen, wenn Z tatsächlich von einer derartigen Straftat ausgehen würde.
IV. Strafmaß der falschen Verdächtigung, § 164 StGB
Im Falle einer falschen Verdächtigung (§ 164 StGB) sieht das Gesetz einen Freiheitsentzug von bis zu fünf Jahren oder eine entsprechende Geldstrafe vor. Hat der Täter die Verdächtigung gegen einen Dritten in der Absicht hervorgebracht, von der eigenen Tat abzulenken, kann sich das Strafmaß sogar deutlich erhöhen: In einem solchen Fall ist ein Freiheitsentzug von bis zu zehn Jahren denkbar.
V. § 164 Abs. 2 StGB – Auffangtatbestand
Unter dem zweiten Absatz des § 164 StGB werden alle Delikte gefasst, die unter Absatz 1 nicht berücksichtigt sind und dennoch als falsche Verdächtigung gezählt werden können.
Damit muss nicht, wie unter Absatz 1 des § 164 StGB, das Anzeigen einer konkreten Straftat gemeint sein. Es kann auch Fälle, in denen beispielsweise aufgrund falscher Tatsachen eine Entziehung des elterlichen Sorgerechts herbeigeführt werden soll, umfassen.
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7 Gedanken zu „Falsche Verdächtigung, § 164 Abs. 1 StGB“
Folgender (sicherlich etwas eigensinniger) Beispielsfall:
A fährt mit dem Fahrzeug von B und wird bei durch ein Polizeifahrzeug herausgezogen. A erhält einen Bußgeldbescheid. Ein Polizist war dabei sehr stark betrunken und das am frühen Vormittag (Daten wurden dabei noch fehlerhaft erfasst). Es wurde ein analoges Videoband bezeichnet, dass aber dann ein Digitalvideo war, wie sich herausstellte. A bestritt im Widerspruchsverfahren zu dem genannten Zeitpunkt nicht gefahren zu sein.
Es stellte sich im OWiG Verfahren nach Widerspruch heraus, dass die Messung nicht stattfinden durfte (Geschwindigkeitsbeschränkung wurde behördlich aufgehoben).
Mess- und Eichprotokolle, sowie die Zulassung die dem Gericht im OWiG Verfahren vorgelegt wurden behaupteten, dass das geeichte Messgerät in einem BMW Farbe Blau eingebaut gewesen sei. Tatsächlich hatte der BMW (der mit gesperrten Kennzeichen fuhr und dessen TÜV gerade ablief=anderes TÜV Jahr, wie vor Gericht behauptet) die Farbe Blau. Es gibt davon Fotos. A stellte Strafanzeige gegen die Beamten. Das OWiG Verfahren wurde eingestellt. Das Strafverfahren gegen die Beamten auch.
Nach etwa 1 Jahr erhält A einen Strafbefehl über 3600 Euro. A hatte weder Kenntnis von einem Strafverfahren, noch wurde er jemals polizeilich vernommen. Als Beweismittel wurde eine Videoaufzeichnung und ein „digitales Lichtbild“ bezeichnet. Eine Richterin, die A nie gesehen hat behauptet, dass genau er die Aussage getroffen hätte, dass er nicht zum Zeitpunkt gefahren sei, diese Tatsache sei Widerlegt. die Strafanzeige wegen Rechtsbeugung gegen die Polizeibeamten sei der Straftatbestand „Falsche Verdächtigungen §164 Abs. 1 StGB“.
Wie erklärt ging man weder im OWiG Verfahren auf die falschen Urkunden, noch darauf ein, wer der Fahrer tatsächlich war. Weder der Staatsanwalt, die Richterin, noch ein Polizist traten mir entgegen und hätten zur Feststellung kommen können, dass A tatsächlich zum genau definierten Zeitpunkt gefahren ist.
Ist der Straftatbestand der falschen Verdächtigungen §164 Abs. 1 StGB tatsächlich verwirklicht?
Wie verhält es sich in folgendem Fall: A betreibt mehrere Blogs, zum Teil anonym, auf denen immer wieder verschiedene Menschen, mit Nennung des vollständigen Namens und teilweise der Anschrift, des Arbeitgebers, verleumdet werden. In einem solchen Fall wurde B nun mit Nennung von Namen, Adresse und Arbeitgeber, wahrheitswidrig als Alkoholiker dargestellt. Daraufhin zeigte er A an. Das Strafverfahren wurde gemäss § 154 Absatz 1 eingestellt.
Monate später erhält B eine Vorladung als Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren wegen falscher Verdächtigung bei der Polizei zu erscheinen.
Das Problem ist, dass die Verleumdungen gegen ihn auf einem anonymen Blog erschienen und es somit schwer ist, nachzuweisen, dass der Artikel von A geschrieben wurde.
Was ist in einem solchen Fall zu tun?
Der Sachverhalt enthält zu wenige Angaben, um eine ausführliche Lösung erarbeiten zu können, allerdings dürfte grob Folgendes gelten:
Da B sich sicher sicher war, dass A der Urheber der über ihn veröffentlichten Informationen ist, muss eine Strafbarkeit nach § 164 StGB wohl verneint werden. So kann ein Ausschluss der Strafbarkeit entweder auf Ebene des objektiven Tatbestandes (Fehlen der „objektiven Unwahrheit“, vgl. oben) erfolgen, oder auf der Ebene des subjektiven Tatbestandes wegen Fehlen des entsprechenden Vorsatzes (vgl. oben Voraussetzungen an den „subjektiven Tatbestandes“).
Da der von Ihnen dargestellte Sachverhalt nahe legt, dass sich die „objektive Unwahrheit“ nicht eindeutig beweisen lässt, würde ich die Strafbarkeit „in dubio pro reo“ bereits hier ausschließen.
Mit freundlichen Grüßen,
Désirée Linsmeier
Beispiel hakt. §315c StGB ist nicht erfüllt.
Aus dem Kurz-SV geht keinerlei konkrete Gefährdung hervor.
Also keine Straftat.
Das Fahren mit zu hoher Geschwindigkeit ist lediglich eine Ordnungswidrigkeit gem. §41 StVO.
Korrigieren sie mich, wenn ich mich irre.
Das Beispiel hakt m.E. Bei der schlichten Geschwindigkeitsüberschreitung um 55km/h (wie im Beispiel angegeben) handelt es sich um eine reine OWi und mithin eben gerade nicht um eine rechtswidrige Tat iSd § 11 I Nr. 5 StGB.
Dann bleibt aber nur Raum für den Tatbestand des § 164 Abs. 2 StGB und Absatz1 ist nicht erfüllt.
m.E. ist § 315c StGB – Gefährdung des Straßenverkehrs erfüllt und somit STRAFTAT …
Hallo Herr Wipfler,
vielen Dank für Ihren Kommentar, wir prüfen das und antworten so schnell wie möglich.
Viele Grüße,
Maria von Lecturio.