Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gewährleistet, dass in allen EU-Mitgliedsländern das EU-Recht auf gleiche Weise angewendet wird. Es wird dafür gesorgt, dass Länder und EU-Institutionen das EU-Recht einhalten. Im Folgenden finden Sie die 5 wichtigsten Urteile des EuGH, um in Klausuren glänzen zu können.
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EuGH

Bild: “The EU Flag and Castor and Pollux” von bob. Lizenz: CC BY 2.0


1. Urteil: Dassonville ( C 8-47, Slg. 174, 837)

Sachverhalt

Hier ging es um ein Strafverfahren gegen zwei belgische Händler, die einen in Frankreich frei verkäuflichen „Scotch Whiskey“ zwar ordnungsgemäß erworben, aber unter Verletzung belgischer Rechtsvorschriften in ihr Heimatland eingeführt haben sollen. Nach nationalem Recht war eine amtliche Bescheinigung des Herkunftlandes notwendig, die Marke berechtigt zu führen. Für „Scotch Whiskey“ bedurfte es demnach einer Bescheinigung der britischen Behörden, die Kläger legten nur eine solche französischer Behörden vor.

Entscheidung

In Art. 34 AEUV (Ex. Art. 28 EGV, in der Fassung v. 1957) ist die Warenverkehrsfreiheit geschützt. Danach sind alle mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung verboten. Der EuGH stellte die heute als Dassonville-Formel geltenden Grundsatz auf:

Jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, ist als Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung anzusehen.

Durch die spätere Keck-Rechtssprechung (C-267/91, Slg. 1993, S. I-6097) wurde die Dassonville-Formel dahingehend richtig gestellt, dass staatliche Beschränkungen im Sinne von „Verkaufsmodalitäten“, also Arbeitszeitregelungen, Öffnungszeiten usw. von vornherein keine „Maßnahmen gleicher Wirkung“. sind

2. Urteil: Cassis de Dijon (C 509/09, Slg. 1979, 649)

Sachverhalt

Das Unternehmen Rewe/Köln wurde durch die Bundesmonopolverwaltung der Verkauf des französischen Likörs „Cassis de Dijon“ mit Hinweis auf die deutschen Gesetze verboten, da „Cassis de Dijon“ mit einem Alkoholgehalt von 15 bis 20 % unter den vom Branntweinmonopolgesetz vorgeschriebenen Mindestgehalt liegt. Der Lebensmittelkonzern wollte das Getränk unter Hinweis auf das Verbot von Einfuhrbeschränkungen gemäß Art. 28 EGV (heute: Art. 34 AEUV) dennoch als „Likör“ verkaufen und klagte.

Entscheidung

Ein Produkt, das in einem Mitgliedstaat nach den dortigen Gesetzen rechtmäßig hergestellt und in den Verkehr gebracht worden ist, darf grundsätzlich wegen der Warenverkehrsfreiheit aus Art. 34 AEUV in allen anderen Mitgliedstaaten frei verkauft werden (Ursprungslandprinzip oder Prinzip der gegenseitigen Anerkennung). Der EuGH stellte fest, dass sich Hemmnisse, die sich für den Binnenmarkt der Gemeinschaft daraus ergeben, dass ein nationaler Gesetzgeber „zwingenenden Erfordernissen“, wie der steuerlichen Kontrolle, dem Gesundheits-/Verbraucherschutz oder der Lauterkeit des Handelsverkehrs Ausdruck verleiht, grundsätzlich hingenommen werden müssen. Ein vorgeschriebener „Mindestweingeistgehalt“ erfüllt jedoch kein solches zwingendes Allgemeininteresse

Damit wurde die „Dassonville-Formel“ weiter konkretisiert: auch Maßnahmen die nicht notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen des Allgemeinwohls gerecht zu werden, sind ein unzulässiger Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit aus Art. 34 AEUV.

3. Urteil: Van Gend & Loos (C-26/62, SLG 1963, 1, 25)

Sachverhalt

Die niederländische Transportfirma van Gend & Loos führte eine Chemikalie, Formaldehyd, aus der Bundesrepublik Deutschland in die Niederlande aus. Hierauf erhob die niederländische Finanzverwaltung im Jahre 1960 8 % Einfuhrzoll, entgegen der zu In-Kraftreten des EWG-Vertrags von 1958 geltenden 5%.

Kann sich van Gend & Loos als juristische Person eines EU-Mitgliedstaats vor einem nationalen Gericht auf die Verletzung von Art. 30 AEUV (Ex-Art. 12 EGV, in der Fassung v. 1957) berufen, der die Erhebung von Einfuhr- oder Ausfuhrzölle verbietet?

Entscheidung

Die Mitgliedstaaten haben ihre Souveränitätsrechte zu Gunsten der Verträge eingeschränkt. Die Rechtssubjekte dieser neuen Völkerrechtsordnung sind damit neben den Staaten die Bürger. Sie müssen in dieser Stellung unmittelbar die Geltung von Unionsrecht vor nationalen Gerichten beanspruchen dürfen. Dies galt in dem vorliegenden Fall, für die eindeutige Unterlassungspflicht Zölle zu erheben. Diese Rechtsprechung gilt damit jedenfalls für die ebenso negativ formulierten Grundfreiheiten, jedoch daneben auch für Handlungspflichten, die eine natürliche oder juristische Person begünstigen können.

Argumentation

Ziel der EU ist die Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarktes, ein solcher funktioniert nicht ohne Einbindung des Einzelnen.

4. Urteil: Costa/E.N.E.L. (6/64, SLG 1964, 1251)

Sachverhalt

Durch das Gesetz vom 6. Dezember 1962 hat Italien ein (rechtmäßiges) Gesetz zur Verstaatlichung des Stroms an die juristische Person E.N.E.L. veranlasst. Der dadurch in seinem Betrieb betroffene Rechtsanwalt Costa beglich seine Stromrechnung nicht und beantragte bei dem zuständigen Gericht, es möge im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens prüfen, ob er als Stromverbraucher und Betroffener durch die staatliche Maßnahme in seinen Grundfreiheiten verletzt ist. Greift Unionsrecht überhaupt, wenn der Staat nach seinen Verfahrensregeln rechtmäßig verfährt?

Entscheidung

Der EuGH erweitert seine Rechtsprechung aus der Rs. Van Gend & Loos: Der EG-Vertrag habe eine neue, eigenständige Rechtsordnung geschaffen, die durch die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten aufgenommen worden ist und von ihren Gerichten anzuwenden sei. Demnach können Sie keine Maßnahmen erlassen, die der Unionsrechtsordnung zuwider laufen. Im Klartext entschied der EuGH damit den Anwendungsvorrang von Unionsrecht vor nationalem Recht.

Argumentation

Die Verpflichtungen aus den Verträgen wären keine mehr, sondern nur noch eventuelle, wenn sie durch spätere Gesetzgebungsakte der Mitgliedstaaten in Frage gestellt werden könnten.

5. Urteil: Francovich (C-6/90 und C-9/90, Slg. 1991, 5357)

Sachverhalt

Die EG-Richtlinie 80/987 verpflichtete die Mitgliedstaaten im Rahmen eines Garantiesystems Rücklagen für den Insolvenzfall des Arbeitgebers zu bilden. Italien setzte diese Richtlinie nicht rechtzeitig um. Daraufhin verklagte der Italiener Francovich, dessen Arbeitgeber in Konkurs gefallen war, den italienischen Staat auf Zahlung derjenigen Summe, die bei fristgemäßer Umsetzung der Richtlinie gesichert gewesen wäre.

Entscheidung

Der EuGH entschied, dass Mitgliedstaaten einem Amtshaftungsanspruch ausgesetzt sind, der dem Einzelnen durch Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht, etwa bei Nichtumsetzung einer Norm, entsteht. Es sei Sache des Mitgliedstaats, die Folgen des verursachten Schadens im Rahmen des „nationalen Haftungsrechts zu beheben“ (was für die Anwendung der § 839 BGB i.V.m. § 34 GG spricht, umstr. ob Haftung direkt aus Richtlinie abgeleitet werden kann). Die im Schadensersatzrecht der einzelnen Mitgliedstaaten festgelegten Voraussetzungen müssen jedenfalls folgendes enthalten:

  • Die verletzte Rechtsnorm bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen
  • Der Verstoß ist hinreichend qualifiziert (Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht muss offenkundig und erheblich sein)
  • Die Nichtumsetzung muss kausal für einen Schaden sein

Argumentation

Die Schadensersatzpflicht folgt aus Art. 4 III EUV (effet utile), wonach die Staaten geeignete Maßnahmen zur Durchsetzung des Unionsrecht erlassen – folglich auch die rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes zu beheben haben.



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