
Bild: “Husband & Wife Walk… to divorce court” von Keoni Cabral. Lizenz: (CC BY 2.0)
Ehegatten-Innengesellschaft
Beispiel
E und F sind Eheleute und haben unter beidseitigem finanziellen Aufwand und Arbeitseinsatz eine Immobilie erworben und/oder ausgebaut. Aus steuerlichen Gründen steht die Immobilie im Alleineigentum des E. Nach der Vorstellung von E und F soll die Immobilie jedoch beiden Ehegatten gehören, die das Gebäude wirtschaftlich nutzen wollen. Nach ihrer Vorstellung soll diese gemeinsame Nutzung auch nach einer Beendigung der Ehe fortgesetzt werden. Zudem haben E und F Gütertrennung vereinbart. Kann F im Falle der Scheidung Vermögen aus der Immobilie fordern?
Problem
E schuldet im Fall der Gütertrennung keinen Zugewinnausgleich gem. §§ 1378 I, 1372, 1384 BGB.
Lösung
Der BGH erkennt die Möglichkeit einer Ehegatten-Innengesellschaft an. Im Fall der Scheidung haben die Gatten unter bestimmten Voraussetzung gem. §§ 730 I, 738 BGB die gemeinsam geschaffenen Vermögenswerte auseinanderzusetzen. Die zwei Voraussetzungen dafür sind:
- Die gemeinsame Zweckverfolgung: Die Zweckverfolgung gem. § 705 ist konkludent möglich. Da sich die Gatten jedoch gem. §§ 1353 I 2, 1360 S. 1 ohnehin die rechtliche Verpflichtung zur gegenseitigen finanziellen Unterstützung auferlegt haben, müssen die Leistungen einen über den typischen Rahmen einer ehelichen Lebensgemeinschaft hinausgehenden Zweck darstellen (BGH NJW 1999, 2962, 2964), um von einem Gesellschaftszweck auszugehen.
Indizien: Beträchtliche Kapitalinvestitionen, Renovierungsarbeiten in größerem Umfang, Vermietung und Verwaltung der Immobilie (BGH NJW 1999, 2962, 2964).
Verneinend: gelegentliche Aushilfsarbeiten (FamRZ 1987, 907). - Weitgehend gleichberechtigte Stellung der Ehegatten und beiderseitige Beiträge von größerem Gewicht.
Im Beispiel soll nach der Scheidung das Haus nach Vorstellung der F, wenn sie Arbeits- oder Finanzleistungen größeren Umfangs tätigt, gemeinsam bewohnt werden bzw. ihr neben E gehören und „nicht nur für die Dauer der Lebensgemeinschaft gemeinsam genutzt werden“ (BGH NJW 2012, 3374). Damit gehen die Leistungen über den typischen Rahmen einer Ehe hinaus. Dass die Immobilie im Eigentum des E stand, verleiht ihm im Gesellschaftssinne keine überlegene Stellung gegenüber F, sie waren gleichberechtigt.
§§ 730 I, 738 finden daher im Fall der Scheidung zugunsten der F Anwendung. Dabei ist konkret zu ermitteln, welche Wertsteigerung das Objekt durch Fs Beteiligung erfahren hat; der Halbteilungsgrundsatz gem. § 722 I findet subsidiär Anwendung (BGH WM 2000, 522, 523).
Hinweis: Der Anspruch steht nach Ansicht des BGH nicht in Konkurrenz zum Zugewinnausgleich. Die Stichtage der Berechnung können sich daher mit Eheschließung oder -scheidung decken, müssen es aber nicht.
Kritik aus der Literatur, die in der Klausur unbedingt angesprochen werden sollte: Es wird aus Billigkeitserwägungen vom Ergebnis eines nicht vorhandenen Zugewinnausgleichs gedacht. Der Lösungsansatz ist fingiert und damit auch meist die Willenserklärungen gem. § 705 I BGB zu einem gegenseitigen Vertrag (Gernhuber/Coester-Waltjen § 20 Rn. 26 ff.). Zudem bilden § 1363 ff. eine abschließende Sonderregelung (so auch BGHZ 82, 227); ist der Zuggewinnausgleich parteilich ausgeschlossen, ist dies die notwendige gesetzliche Konsequenz.
Ehebedingte Zuwendungen
Von einer Innengesellschaft zu unterscheiden sind ehebedingte Zuwendungen.
Beispiel
F hat abweichend vom oben genannten Beispiel halbtags im Betrieb des E gearbeitet und außerdem die Kinder während Es Arbeitszeit betreut.
Lösung
Auch unterhalb der Schwelle eines gemeinsamen Vermögensprojekts sind Leistungen, die dem Erhalt der Ehe dienen sollen (vergleichbar einer Schenkung), rückforderbar.
Nichteheliche Lebensgemeinschaft
Grundsätzlich können oben genannte Ausgleichsansprüche auch bei Zuwendungen in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft (neLG) bestehen.
- 730 I, 738 BGB: Während bei einer Ehe eine rechtliche Bindung kraft Gesetzes entsteht, haben die Partner in einer neLG keine über die Ausgestaltung ihrer Gemeinschaft hinausgehenden rechtlichen Vorstellungen (BGHZ 177, 193). Daher wird die Annahme einer Innengesellschaft meist am konkludenten Rechtsbindungswillen scheitern.
- 313 I, III BGB: Nach früher herrschender Meinung war wegen Fehlen dieses Rechtsbindungswillens eine gemeinsame Geschäftsgrundlage verneint worden. Der XII. Zivilsenat, und ihm folgend das Schrifttum, nehmen nun einen Kooperationsvertrag eigener Art an, soweit der gemeinschaftsbezogenen Zuwendung die Vorstellung oder Erwartung zugrunde lag, die Lebensgemeinschaft werde Bestand haben (BGHZ 177 a.a.O, MünchKommBGB-Wellenhofer nach § 1302, Rn. 73). Dies ist der Fall, wenn der Arbeits- und Finanzeinsatz deutlich über das Tagtägliche hinausgeht.
- 812 I 2 Alt. 2 BGB: Es muss eine Zweckvereinbarung stattgefunden haben. Der Partner muss die Leistung als stillschweigende Erwartung des anderen Teils positiv gekannt haben oder die Leistung ohne zu widersprechen angenommen haben. Die Leistung muss auch hier deutlich über das tatgtägliche Bedürfnis hinausgehen.
Resümee
Sowohl in der neLG als auch in der Ehe ist zu prüfen, ob sich die Leistung noch im Rahmen des Verhältnismäßigen, des durch die Beziehung bedingt „Normalen“, bewegt. In der neLG und in der Ehe kann sich herausstellen, dass der gemeinsame Zweck gem. § 812 I 2 Alt. 2 verfehlt wurde oder die Geschäftsgrundlage § 313 I, III entfällt, zusätzlich kommt die Annahme einer Innengesellschaft in Frage.
Quellen
Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 5. Auflage, 2006.
Wellenhofer, Familienrecht, 2. Auflage, 2011.
Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 6. Auflage, München 2013. (zit. MünchKommBGB- Bearbeiter).
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