Im 2. Staatsexamen sowie in mündlichen Prüfungen und Zusatzfragen zur Strafrechtsklausur sind die Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote ein beliebtes Prüfungsthema. Hier lässt sich einerseits das Wissen des Prüflings abfragen, andererseits kann die Fähigkeit zur sauberen juristischen Argumentation überprüft werden. Damit in der Prüfung alles reibungslos klappt, können Sie hier Ihr Wissen auffrischen
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Evidence

Bild: “Who’s been using my phone?” von Chris Isherwood. Lizenz: CC BY-SA 2.0


Allgemeines

Grundsätzlich dient das Strafverfahren der Erforschung der materiellen Wahrheit. Der Richter soll nach dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 261 der StPO sein Urteil nach einer umfassenden Beweiswürdigung fällen. Dieses Dogma gilt allerdings nicht absolut. Denn die Grundrechte des Beschuldigten müssen bei der Aufklärung von Straftaten beachtet werden. Die umfassende Beweiswürdigung muss daher ggf. hinter die Beachtung der Grundrechte des Beschuldigten zurücktreten.


Beweiserhebungsverbote und Beweisverwertungsverbote

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I. Beweiserhebungsverbote

Definition: Durch Beweiserhebungsverbote soll verhindert werden, dass Beweise durch den Einsatz bestimmter verbotener Beweismittel oder Methoden erlangt werden.

Ein Beweis darf also nicht erhoben werden. So sind die in § 136a StPO genannten Beweismethoden verboten. Zu diesen zählen unter anderem Misshandlung, Ermüdung, körperlichen Eingriff, Verabreichung von Mitteln, Quälerei, Täuschung und Hypnose. Sie sind nicht abschließend.


Verbotene Vernehmungsmethoden, § 136a StPO

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Das Beweiserhebungsverbot kann sich aber auch auf die Beweisthemen beziehen. So ist z.B. die Aufklärung von Staatsschutzgeheimnissen gem. §§ 93 StGB, § 54 StPO verboten. Auch die Beweismittel können im Einzelfall unzulässig sein. So dürfen Aussagen zeugnisverweigerungsberechtigter Personen (§ 52 StPO), die von dem Weigerungsrecht Gebrauch machen, nicht erhoben werden.

Daraus ergeben sich folgende Beweiserhebungsverbote:

  • Beweismittelverbote (z.B. Schweigerecht, ZVR)
  • Beweisthemenverbote (z.B. getilgte Vorstrafen, Amtsverschwiegenheit)
  • Beweismethodenverbote (z.B. § 136 a StPO)

II. Beweisverwertungsverbote

Definition: Die Beweisverwertungsverbote regeln, dass bestimmte Ergebnisse bei der freien richterlichen Beweiswürdigung des Richters nicht berücksichtigt werden dürfen.

Sie stehen ausdrücklich im Gesetz oder sind ungeschrieben. Man unterscheidet selbstständige und unselbstständige Beweisverwertungsverbote.

1. Unselbständige Beweisverwertungsverbote

Sofern schon die Beweiserhebung unzulässig war, hat dies die umfassende Unzulässigkeit der Verwertung des so erlangten Beweismittels zur Folge. Dies darf auch nicht durch ein Rückgriff auf andere Beweismittel umgangen werden! Sofern die Aussage des Beschuldigten unter Verstoß gegen § 136a Abs. 2 StPO (z.B. nach Ermüdung) erlangt wurde, darf auch nicht der verhörende Polizeibeamte als Zeuge vom Hörensagen vernommen werden, da es ein absolutes Verwertungsverbot ist. Das Beweisverwertungsverbot selbst ist in § 136a Abs. 3 StPO geregelt.


gesetzliche Beweisverwertungsverbote

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a) Die Rechtskreistheorie

Falls das Gesetz nicht ausdrücklich regelt, dass aus einem Beweiserhebungsverbot ein Beweisverwertungsverbot folgt, muss dies durch Auslegung der Norm ermittelt werden.

Definition: Nach der vom Bundesgerichtshof (BGH) entwickelten Rechtskreistheorie ist danach zu fragen, ob das missachtete Beweisverwertungsverbot den Rechtskreis des Angeklagten schützt.

Sofern die Auslegung ergibt, dass die Norm den Rechtskreis des Angeklagten schützt, muss anschließend eine Abwägung vorgenommen werden.

Beispiel: Eine Missachtung der Regeln über die Belehrung von Zeugen über ihre Auskunftsverweigerungsrechte nach § 55 Abs. 2 StPO führt nach Ansicht des BGH nicht zu einem Beweisverwertungsverbot, da diese Norm nicht den Rechtskreis des Beschuldigten schützt.

b) Abwägungslehre

Definition: Schützt die Norm den Rechtskreis des Beschuldigten, muss nach der Abwägungslehre des BGH eine Abwägung zwischen den Rechten des Angeklagten und dem Strafverfolgungsinteresse des Staats durchgeführt werden.

Die Abwägung entscheidet über die Annahme eines Beweisverwertungsverbots. Kriterien bei dieser Abwägung sind die Intensität des Verstoßes gegen das Beweiserhebungsverbot, eine eventuelle Vorsätzlichkeit des Verstoßes, die Schwere der Tat und die Funktionsfähigkeit der Strafverfolgung.

c) Hypothese der rechtmäßigen Alternativerlangung

Definition: Selbst wenn es zu einem Beweisverwertungsverbot kommt, kann der Beweis nach der vom BGH entwickelten Hypothese der rechtmäßigen Alternativerlangung eventuell noch verwertbar sein.

Danach kann die Verwertung ausnahmsweise stattfinden, wenn der Beweis auch durch eine alternativ mögliche rechtmäßige Beweiserhebung hätte gewonnen können. Beweiserhebungsfehler sind dann aber zugunsten des Beschuldigten bei der Strafzumessung zu berücksichtigen.

2. Selbständige Beweisverwertungsverbote

Bei den selbstständigen Beweisverwertungsverboten gibt es kein vorheriges Beweiserhebungsverbot. Vielmehr werden diese direkt aus dem Grundgesetz abgeleitet. Im Gegensatz zu den unselbstständigen Beweisverwertungsverboten ist die Beweiserhebung rechtmäßig und dennoch verstößt die Beweisverwertung gegen das Grundgesetz. Ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot kann sich unter anderem aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG ergeben.
Dies kann z.B. bei der Beweisverwertung eines Tagebuchs des Beschuldigten eine Rolle spielen.


Beweisverwertung eines Tagebuchs

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Fazit

Die Beweiserhebung- und Beweisverwertungsverbote gelten spätestens im 2. Staatsexamen als Dauerbrenner. Daher sollten Problemkonstellationen rund um diese Themen bei Examenskandidaten gut sitzen. Und gute Kenntnisse der StPO werden von Prüfern meist wohlwollend honoriert.

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