Die Abmahnung sollte im Rahmen der arbeitsrechtlichen Examensvorbereitung nicht außer Acht gelassen werden. So ist wichtig zu wissen, was der Begriff der Abmahnung umfasst, welche Funktionen die Abmahnung besitzt und welche Wirksamkeitsvoraussetzungen erforderlich sind. Lies hier mehr über die Abmahnung, um das Examen bestmöglich abzuschließen. 
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Bild: “It is high time / Fünf vor Zwölf” von Christian Schnettelker. Lizenz: CC BY 2.0


Beispiel: Ein Ar­beit­neh­mer über­zieht sei­ne Pau­sen hin und wie­der oh­ne Ent­schul­di­gung um ei­ne Vier­tel­stun­de. Dies stellt zwar einen arbeitsvertraglichen Pflicht­ver­s­toß dar, reicht aber nicht für ei­ne Kündi­gung aus. Hat der Arbeit­ge­ber die­ses Fehl­ver­hal­ten je­doch ab­ge­mahnt, d.h. dem Ar­beit­neh­mer we­gen des Über­zie­hens von Pau­sen die gel­be Kar­te ge­zeigt, darf er im Fal­le ei­nes er­neu­ten, nach der Ab­mah­nung be­gan­ge­nen Ar­beits­zeit­ver­s­toßes (unent­schul­dig­te Ver­spätung, un­ent­schul­dig­tes Pau­senüber­zie­hen) kündi­gen. Denn dann ist auf­grund der be­reits er­teil­ten Ab­mah­nung nicht zu er­war­ten, dass ei­ne wei­te­re Ab­mah­nung ei­ne Ver­hal­tensände­rung be­wirkt, und dem Ar­beit­ge­ber ist ei­ne sol­che wei­te­re Ab­mah­nung auch nicht zu­zu­mu­ten.

I. Der Begriff der Abmahnung

Die Abmahnung im deutschen Arbeitsrecht gilt als milderes Mittel vor dem Ausspruch einer Kündigung.

Grundsätzlich sind sowohl eine verhaltensbedingte fristgerechte Kündigung wie auch eine fristlose Kündigung erst nach dem Ausspruch einer Abmahnung zulässig. Jedoch gefährdet nicht je­de Vor­hal­tung oder drin­gen­de Ermah­nung seitens des Ar­beit­ge­bers das Ar­beits­verhält­nis. Rechtlich relevant wird eine Be­an­stan­dung nur dann, wenn ei­ne Ab­mah­nung im Rechts­sin­ne vor­liegt.

Aufgrund des sog. Prognoseprinzips sowie des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kann eine einmalige Verfehlung seitens des Arbeitnehmers nur in Ausnahmefällen eine sofortige Kündigung legitimieren. Eine Abmahnung ist immer dann von Nöten, wenn die Prognose besteht, dass sich der Arbeitnehmer aufgrund der Abmahnung in Zukunft vertragsgemäß verhalten wird. Somit kommt der Abmahnung im Arbeitsrecht in erster Linie eine Warnfunktion zu, die den Arbeitnehmer zu ordnungsgemäßem Vertragsverhalten ermahnen soll.

Demgegenüber ist eine Abmahnung bei schweren Pflichtverletzungen, deren Rechtswidrigkeit für den Arbeitgeber ohne weiteres zu Tage tritt und bei denen eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist, nicht (mehr) erforderlich.

Sofern sich ein Arbeitgeber für den Ausspruch einer Abmahnung entscheidet, so liegt hierin zugleich konkludent der Verzicht auf eine Kündigung. Erst im Wiederholungsfall tritt dann die Kündigung an die Stelle der Abmahnung.

II. Funktionen der Abmahnung

1. Rüge- und Hinweisfunktion

Im Sinne einer Rüge- und Hinweisfunktion weist der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit einer Abmahnung auf dessen Vertragspflichten aus dem Arbeitsvertrag bzw. deren Verletzung hin.

Um den Arbeitnehmer über die Abmahnung sozusagen an die Hand zu nehmen und ihn zu einem vertragsgerechten Verhalten zu leiten, soll dessen Fehlverhalten klar bezeichnet werden. Zudem soll dieser erkennen können, was er in Zukunft an seinem Verhalten ändern soll. Mithin ist eine genaue Beschreibung des beanstandeten Sachverhaltes/Verhalten erforderlich.

Rein pauschalisierte Erklärungen, wie der Arbeitnehmer hätte nicht gut gearbeitet, sind jedoch nicht ausreichend.

2. Warnfunktion

Mittels der Warnfunktion wird der Arbeitnehmer durch seinen Arbeitgeber angehalten, sich in Zukunft vertragsgemäß im Sinne des Arbeitsvertrages zu verhalten. Für den Fall einer neuerlichen Pflichtverletzung steht die Kündigung des Arbeitnehmers im Raum.

Für eine Kündigung ist jedoch dann erforderlich, dass der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten in vergleichbarer Weise verletzt.

Grundsätzlich besteht auch keine mengenmäßige Begrenzung bzgl. der Zahl an Abmahnungen, die vor dem endgültigen Ausspruch einer Kündigung ergehen können/sollen. In manchen Fällen genügt bereits eine Abmahnung, um den Arbeitnehmer wieder auf den rechten Weg zu bringen, in anderen Fällen – gerade bei kleineren und leichten Verstößen gegen den Arbeitsvertrag – kann auch eine Vielzahl an Abmahnungen gegenüber dem Arbeitnehmer erfolgen.

Jedoch kann die Wirkung der Abmahnung dann entfallen, wenn es dieser an der notwendigen Ernstlichkeit fehlt und der Arbeitgeber im Falle ständiger, immer wieder kehrender Pflichtverletzung stets nur mit einer Kündigung droht, ohne diese im Ernstfall auch umzusetzen.

3. Dokumentationsfunktion

Ferner kann der Arbeitgeber über die Dokumentationsfunktion mit der Abmahnung den Nachweis erbringen, dass er den Arbeitnehmer mit der Androhung rechtlicher Konsequenzen zur Erbringung pflichtgemäßer Arbeit aufgefordert hat. Eine Schriftform ist hierbei nicht erforderlich, erleichtert jedoch bei Streitigkeiten um das Arbeitsverhältnis den erforderlichen Nachweis. Somit gilt § 623 BGB nur für die Kündigung selbst. Damit ist auch ei­ne münd­lich aus­ge­spro­che­ne Ab­mah­nung wirk­sam.

III. Wirksamkeitsvoraussetzungen der Abmahnung

Da­mit über­haupt ei­ne Ab­mah­nung vor­liegt, sind noch fol­gen­de Vor­aus­set­zun­gen er­for­der­lich:

  1. Ar­beit­ge­ber muss das ab­ge­mahn­te Ver­hal­ten möglichst ge­nau be­schrei­ben, d.h. er muss Da­tum und Uhr­zeit des Ver­trags­ver­s­toßes nen­nen. Pau­scha­le Hin­wei­se auf „häufi­ges Zu­spätkom­men“ oder „man­gel­haf­te Arbeitsleistungen“ stellen kei­ne Ab­mah­nun­g dar.
  2. Ar­beit­ge­ber muss das ab­ge­mahn­te Ver­hal­ten deut­lich als Ver­trags­ver­s­toß rügen und den Arbeitnehmer da­zu auf­for­dern, die­ses Ver­hal­ten in Zu­kunft zu un­ter­las­sen.
  3. Ar­beit­ge­ber muss klar ma­chen, dass der Ar­beit­neh­mer im Wie­der­ho­lungs­fall mit ei­ner Kündi­gung rech­nen muss.

Ferner setzt die Abmahnung nach herrschender Ansicht kein Verschulden des Arbeitnehmers voraus. Auch muss der Arbeitnehmer vor einer Abmahnung grundsätzlich nicht angehört werden (außer tarifliche Vorgaben sehen dies vor).

Zudem muss der Arbeitnehmer von dem Inhalt der Abmahnung tatsächlich Kenntnis erlangen. Dies ist nicht bereits durch den Zugang der Erklärung beim Arbeitnehmer gegeben.

Des Weiteren kann eine Abmahnung auch durch Mitarbeiter erfolgen, die ihrer Aufgabenstellung nach dazu berechtigt sind, Anweisungen zur Art und Weise, sowie zum Ort und zur Zeit der auszuführenden Tätigkeit zu geben.

Zuletzt ist der Ausspruch einer Abmahnung nicht an eine Ausschlussfrist gebunden (wie sie z.B. bei § 626 Abs. 2 BGB für die fristlose Kündigung besteht). Hier hängt der Verlust der Abmahnwirkung vielmehr von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab.

IV. Unterschied zwischen Ab­mah­nung und Er­mah­nung

Viele Ar­beit­ge­ber spre­chen oft an­stel­le ei­ner Ab­mah­nung eher eine bloße Er­mah­nung aus. Für den be­trof­fe­nen Arbeit­neh­mer stellt sich dann die Fra­ge, ob er viel­leicht trotz der we­ni­ger schlimm klin­gen­den Be­zeich­nung der Rüge ei­ne „ech­te“ Abmahnung er­hal­ten hat oder nicht.

Bei die­ser Fra­ge – Ab­mah­nung oder bloße Er­ma­hnung – kommt es nicht auf die Be­zeich­nung der vom Ar­beit­ge­ber er­ho­be­nen Vorwürfe an, son­dern al­lein auf die Fra­ge, ob die obigen Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Ab­mah­nung ge­ge­ben sind. Ist das der Fall, liegt ei­ne Ab­mah­nung vor, egal wie sie von den Parteien be­zeich­net wird.

V. Abmahnung durch den Arbeitnehmer?

Grundsätzlich werden Ab­mah­nun­gen durch den Ar­beit­ge­ber aus­ge­spro­chen, doch kann auch der Arbeitnehmer zum Ausspruch ei­ner Ab­mah­nung be­rech­tigt sein, sofern der Ar­beit­ge­ber ge­gen sei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Pflichten ver­s­toßen hat. Vor­aus­set­zung ist hierbei ein kon­kre­ter Ver­trags­ver­s­toß des je­weils an­de­ren Vertragspartners, der durch die Ab­mah­nung be­an­stan­det wird.

VI. Abmahnung auch vor ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung?

Fraglich erscheint, ob eine Abmahnung auch vor ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung zu erfolgen hat. Grundsätzlich ist dies zu bejahen. Nach der ak­tu­el­len Recht­spre­chung der Ar­beits­ge­rich­te müssen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer in den al­ler­meis­ten Fällen auch vor Aus­spruch einer außerordentlichen Kündigung zuvor eine Ab­mah­nung er­tei­len.

So be­tont das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) in sei­ner neue­ren Recht­spre­chung, dass auch er­heb­li­che Pflichtverstöße wie z.B. ei­ne kri­mi­nel­le Hand­lung des Ar­beit­neh­mers kein aus­rei­chen­der Grund für ei­ne außeror­dent­li­che fristlose Kündigung sind, wenn der an­ge­rich­te­te Scha­den ge­ring ist (Ba­ga­tell­dieb­stahl, Bagatell­be­trug), wenn das Arbeitsverhält­nis zu­vor lan­ge Zeit oh­ne Be­an­stan­dun­gen durch­geführt wur­de und wenn der Pflicht­ver­s­toß ein einma­li­ger Aus­rut­scher war. In sol­chen Fällen muss der Ar­beit­ge­ber so­gar ei­nen Dieb­stahl oder ei­nen Be­trug abmah­nen, kann somit aus die­sem Grund nicht kündi­gen.

VII. Entfernungsanspruch

Ferner steht dem Arbeitnehmer bei rechtswidrig erfolgter Abmahnung ein Entfernungsanspruch aus der Personalakte über §§ 12, 862, 1004 BGB analog in Verbindung mit § 242 BGB gegenüber dem Arbeitgeber zu.

Typische Fälle einer unberechtigten Abmahnung:

  • Inhaltlich unrichtige oder nicht zu beweisende Tatsachenbehauptungen,
  • Unzutreffende rechtliche Bewertung des Verhaltens,
  • Inhaltliche Unbestimmtheit,
  • Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

Fraglich erscheint hier, ob eine Abmahnung allein durch Zeitablauf ihre Wirkung verlieren bzw. überflüssig werden kann. Hierzu lässt sich sagen, dass im Rahmen der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung immer eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen ist, so dass sich eine zeitliche Fristsetzung bereits erübrigt hat. Grundsätzlich soll nämlich gerade die Art der Verfehlung des Arbeitnehmers sowie dessen Verhalten im Vordergrund stehen bzw. die Reaktion des Arbeitgebers auf diese Verhaltensweisen.

In der Praxis erfolgt eine Löschung einer Abmahnung aus der Personalakte in der Regel nach zwei bis drei Jahren, sofern sich der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum vertragsgemäß verhalten hat.

IIV. Abmahnung im Kündigungsschutzverfahren

Des Weiteren erscheint fraglich, welche Wirkung der Abmahnung im Kündigungsschutzprozess zukommt. Denn, oftmals wird das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Abmahnung erst im Lauf des Prozesses überprüft.

Relevant ist, dass nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts (BAG) für die kündigungsrechtliche Wirksamkeit einer Abmahnung vor allem entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer dieser entnehmen konnte, dass der Arbeitgeber eine Wiederholung des angemahnten Verhaltens nicht billigen, sondern bei erneutem Fehlverhalten eine Kündigung aussprechen werde.

 



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