§ 28 VwVfG ist eine zentrale Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes und ist Voraussetzung in fast alle Klagen und Anträgen. Die Anhörung gem. § 28 VwVfG verpflichtet die Behörde, einem Beteiligten, in dessen Rechte durch den Erlass eines Verwaltungsaktes eingegriffen werden soll, zuvor die Möglichkeit der Äußerung zu eröffnen. Dieser Beitrag enthält alle wichtigen Informationen in Bezug auf die Anhörungspflicht und den Anhörungsverzicht.


I. Allgemeines zu § 28 VwVfG

Die vorherige Beteiligung iSd. § 28 Abs. 1 VwVfG ist Ausdruck des fairen Verfahrens und ermöglicht den Verfahrensbeteiligten die Wahrung ihrer Interessen. Darüber hinaus schützt sie vor überraschenden Entscheidungen.

Von der Anhörungspflicht gem. § 28 Abs. 1 VwVfG sind verschiedene Ausnahmen in Absatz 2 des § 28 VwVfG vorgesehen.

II. Anhörungspflicht, § 28 Abs. 1 VwVfG

Absatz 1 des § 28 VwVfG lautet:

Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

Einem Beteiligten ist vor Erlass eines Verwaltungsaktes, der in seine Rechte eingreift, somit Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

Die Anhörung (§ 28 VwVfG) kann mündlich und somit auch telefonisch erfolgen. Ein ausdrücklicher Hinweis, dass der Beteiligte sich äußern kann, ist jedoch nicht erforderlich. Es genügt, wenn der Beteiligte erkennen kann, dass er Gelegenheit zur Äußerung hat. Zudem ist dem Beteiligten auch keine Frist für seine Äußerung zu setzten. Es muss jedoch aus der Anhörung ersichtlich werden, dass ein Verwaltungsakt, zu dem Thema zu welchem angehört wird, erlassen werden soll. Reines Nachfragen wird davon nicht erfasst.

Bsp.: Ein bis zum Hals mit durchaus auch „rechts“ und „gewaltbereit“ vermittelnden Tattoos wird dazu angehört, weshalb er diese Tattowierungen hat, nicht jedoch, dass er gegebenenfalls aus seiner Beamtenposition entlassen werden soll.

In der Regel ist die Behörde für die Anhörung zuständig, welche auch für die Sachentscheidung zuständig ist.

III. Anhörungsverzicht, § 28 Abs. 2 VwVfG

Absatz 2 des § 28 VwVfG:

Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn […]

  • Nr. 1: Notwendigkeit einer sofortigen Entscheidung
    Ein Absehen der Anhörung (§ 28 Abs. 1 VwVfG) kann gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG aufgrund der Notwendigkeit einer sofortigen Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder weil es im öffentlichen Interesse notwendig erscheint, erfolgen.
  • Nr. 2: Fristwahrung
    § 28 Abs. 2 Nr. 2 erlaubt das Absehen der Anhörung (§ 28 Abs. 1 VwVfG) wenn durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt werden würde.
  • Nr. 3: Keine Abweichung vom Antrag
    Wenn von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll, kann ebenfalls von der Anhörung (§ 28 Abs. 1 VwVfG) abgesehen werden.
  • Nr. 4: Allgemeinverfügung, Massenverfahren, automatisierte Verfahren
    Wenn die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will, kann von der Anhörung (§ 28 Abs. 1 VwVfG) ebenfalls abgesehen werden.
  • Nr. 5: Verwaltungsvollstreckung
    Schließlich kann von der Anhörung (§ 28 Abs. 1 VwVfG) bei Maßnahmen die in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen, abgesehen werden, weil der Erfolg durch den „Ankündigungseffekt“ einer Anhörung unterlaufen werden könnte.

Unabhängig vom Anhörungsverzichtsgrund iRd. § 28 Abs. 2 VwVfG sind die Ermessenserwägungen, mit denen der Verzicht der Anhörung begründet wird, aktenkundig zu machen und im Verwaltungsakt nach § 39 VwVfG zu begründen.

IV. Zwingendes öffentliches Interesse, § 28 Abs. 3 VwVfG

Absatz 3 des § 28 VwVfG:

Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.

Dieses Verbot gem. § 28 Abs. 3 VwVfG setzt voraus, dass besonders hochstehende und schützenswerte Interessen das Unterbleiben der Anhörung (§ 28 Abs. 1 VwVfG) zwingend gebieten.

Beispiele: drohende erhebliche Nachteile für das Wohl des Bundes oder eines Landes, Terrorgefahren, Sicherheits- oder Geheimhaltungsinteressen oder eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.

V. Rechtsfolgen einer Verletzung der Anhörungspflicht, § 28 VwVfG

Da § 28 VwVfG nicht verlangt, dass der Beteiligte von der Gelegenheit zur Äußerung Gebrauch macht, ist bei dessen Unterlassung, § 28 VwVfG nicht verletzt.

Bei fehlender ordnungsgemäßer Anhörung ist der Verwaltungsakt zwar rechtswidrig, aber nicht nichtig. Seine Aufhebung kommt wegen § 46 VwVfG nur in Betracht, wenn sich das Fehlen der Anhörung auf das Ergebnis ausgewirkt hat.



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