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Bild: “ohne Angabe” von Sven Dichte. Lizenz: CC0 1.0
Inhaltsverzeichnis
- I. Die Abgabe einer Willenserklärung
- II. Der Zugang einer Willenserklärung
- III. Risiken auf beiden Seiten
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§ 130 BGB ist enscheidend für das Ob und Wie der Wirksamkeit einer Willenserklärung. Das Gesetz unterscheidet hierbei zwischen der Abgabe und dem Zugang der Willenserklärung.
I. Die Abgabe einer Willenserklärung
Es muss zwischen empfangsbedürftigen Willenserklärungen und nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen unterschieden werden:
- Willenserklärungen sind empfangsbedürftig, wenn sie im Verhältnis zu einer anderen Person eine unmittelbare Rechtsfolge auslösen. Für ihre Wirksamkeit müssen sie dem Empfänger gem. § 130 Abs. 1 BGB zugehen.
- Nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen erlangen bereits durch ihre bloße Abgabe Wirksamkeit, sie müssen als nicht demjenigen zugehen, den letztlich die Folgen der Willenserklärung treffen.
1. empfangsbedürftige Willenserklärungen
Im Falle der empfangsbedürftigen Willenserklärung ist neben der Abgabe in Richtung des Empfänger erforderlich, dass der Erklärende bei Zugrundelegung normaler Verhältnisse damit rechnen durfte, dass die Willenserklärung dem Empfänger zugegangen ist.
Eine nicht verkörperte, also mündliche, Willenserklärung ist abgegeben, wenn der Erklärende die Worte in Richtung auf den Empfänger ausspricht, sodass dieser sie hören kann. Dies gilt auch für telefonische Erklärungen, vgl. § 147 Abs. 1 S. 2 BGB.
Bei verkörperten Erklärungen gilt: Eine schriftliche Willenserklärung ist dann abgegeben, wenn der Erklärende die Verfügungsgewalt über diese Willenserklärung aufgibt, sie in Richtung auf den Empfänger auf den Weg bringt und nach den gegebenen Verhältnissen mit dem Zugang beim Empfänger gerechnet werden darf. Handelt es sich um ein Überreichen der verkörperten Willenserklärung unter Anwesenden, dann ist die Willenserklärung abgegeben, wenn der Erklärende sie freiwillig dem Empfänger überreicht.
2. nicht empfangsbedürftige Willenserklärung
Eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung ist abgegeben, sobald sich der Erklärende der Erklärung entäußert hat. Regelmäßig ist eine solche Willenserklärung bereits mit Abgabe wirksam.
3. abhandengekommene Willenserklärung
Problematisch ist die abhandengekommene Willenserklärung.
In diesen Fällen hat der Erklärende nach ganz herrschender Meinung keine Willenserklärung abgegeben, da die Willenserklärung ohne seinen Willen seinen Machtbereich verlassen hat [BGH NJW 1975, 2101 (2102 f.)]. Die Willenserklärung ist also ohne Anfechtung nichtig. Der Erklärungsgegner kann aber gem. § 122 BGB analog Schadensersatz (negatives Interesse) verlangen, weil der Absender sich zurechnen lassen muss, den Rechtsschein gesetzt zu haben, eine Willenserklärung abgegeben zu haben.

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II. Der Zugang einer Willenserklärung
Gesetzlich geregelt ist nur der Zugang verkörperter Erklärungen unter Abwesenden, §§ 130, 131 BGB. Hiernach wird eine verkörperte empfangsbedürftige Willenserklärung unter Abwesenden dann wirksam, wenn sie dem Empfänger zugeht, also derart in dessen Machtbereich gelangt, dass unter normalen Umständen mit seiner Kenntnisnahme zu rechnen ist.
Die Willenserklärung wird gem. § 130 Abs. 1 S. 2 BGB nicht wirksam, wenn ihm bereits vorher oder spätestens zeitgleich ein Widerruf zugeht. Willenserklärungen an Geschäftsunfähige werden gem. § 131 Abs. 1 BGB erst mit Zugang bei dessen gesetzlichem Vertreter wirksam. Gleiches gilt nach § 131 Abs. 2 BGB, wenn die Willenserklärung an einen beschränkt Geschäftsfähigen gerichtet ist, außer sie ist lediglich rechtlich vorteilhaft.
1. Zeitpunkt des Zugangs
Für den Zeitpunkt des Zugangs kommt es auf den Zeitpunkt an, zu dem unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist. Es kommt insbesondere nicht darauf an, ob und wann der Empfänger die Willenserklärung tatsächlich gelesen hat, denn ansonsten könnte der Empfänger selbst über den Zeitpunkt des Zugangs entscheiden. Eine Kenntnisnahme unter normalen Umständen kann durch den Einwurf in den Briefkasten zur üblichen Uhrzeit angenommen werden. Wird der Brief dagegen erst um 1 Uhr nachts eingeworfen, geht die Willenserklärung erst am nächsten Werktag zu. Subjektive Umstände des Empfängers, wie Urlaub oder Krankheit, sind unerheblich für den Zugang.
Spezieller ist das Einschreiben, dieses geht in Abwesenheit des Empfängers nicht schon mit der Benachrichtigung der Hinterlegung bei der Post zu, sondern erst wenn der Empfänger das Einschreiben auch abholt, da er vorher noch keine Möglichkeit der Kenntnisnahme hat.
2. Zugangshindernisse
Dazu gehören bspw. die Verweigerung der Annahme, überfülle Briefkästen oder E-Mail-Postfächer, aber auch fehlende Briefkästen.
Grundsätzlich hat der Empfänger, der mit dem Eingang von Erklärungen rechnet, dafür Sorge zu treffen, dass diese ihn auch erreichen. Allerdings ist auch der Erklärende verpflichtet, nach Kenntnisnahme des Nicht-Zugangs schnellstmöglich einen weiteren Zustellversuch zu unternehmen, um den Zugang zu bewirken. Ein dann erfolgreicher, aber ggf. verfristeter Zugang ist nach § 242 BGB als fristgerecht anzusehen.
III. Risiken auf beiden Seiten
Der Gesetzgeber hat also das Risiko, dass eine verkörperte Willenserklärung dem Empfänger nicht oder nur verspätet zugeht, zwischen Absender und Empfänger aufgeteilt. Der Absender trägt das Risiko des Zugangs bis zu dem Zeitpunkt, zu dem mit einer Kenntnisnahme unter normalen Umständen zu rechnen ist; der Empfänger hingegen trägt das Risiko, dass er aus Gründen, die in seiner Person liegen, gar nicht oder nur verspätet die Willenserklärung tatsächlich zur Kenntnis nimmt. Entscheidend ist die abstrakte Möglichkeit der Kenntnisnahme unter normalen Umständen.
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2 Gedanken zu „Die Abgabe und der Zugang von Willenserklärungen, §§ 130 ff. BGB“
Sehr geehrte Redaktion,
soeben las ich Ihren Artikel „BGB AT: Abgabe und Zugang von Willenserklärungen“. Dort ist mir, meines Erachtens, ein Fehler in der Formulierung bezüglich der Abgabe einer verkörperten Erklärung unter Abwesenden aufgefallen
Zitat: „(…) Soll hingegen die Erklärung gegenüber einem Abwesenden abgegeben werden, muss die Erklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangen, dass er unter normalen Umständen die Möglichkeit hat, von ihr Kenntnis zu nehmen.“
Bei der Abgabe einer verkörperten Erklärung kommt es nicht, wie beim Zugang, darauf an, ob die Erklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangt. Sie muss nur so auf den Weg gebracht werden, dass zu erwarten ist, dass sie unter [..} zugeht und dann ist der Zeitpunkt der Abgabe schon beim „Absenden“. Das tatsächliche Erreichen des Machtbereichs des Empfängers ist hier irrelevant. Daher ist diese Formulierung so nicht korrekt.
Des Weiteren ist mir ein Tippfehler im letzten Satz unter der Überschrift „Zeitpunkt des Zugangs“ aufgefallen.
Zitat: „(…) sondern erst wenn der Empfänger das Einschreiben auch abholz, da er vorher noch keine Möglichkeit der Kenntnisnahme hat.“
Dort müsste es abholt heißen und nicht „abholz“.
Keineswegs möchte ich mit diesem Kommentar Ihre Arbeit in Misskredit bringen. Ich schätze Ihre Arbeit sehr und hier geht es schließlich um klare und wichtige Sachverhalte. Doch manchmal übersieht man Fehler in seinen eigenen Schriftstücken sehr schnell, die ein Außenstehender leichter findet.
Lieber Leser.
Vielen Dank für die Hinweise. Ich habe den Beitrag entsprechend abgeändert.
Wir sind für entsprechende Korrekturhinweise und Anregungen immer offen und dankbar und fühlen uns dadurch keinesfalls angegriffen.
Mit freundlichen Grüßen,
Désirée Linsmeier