Kein Täter-Opfer-Ausgleich bei vorsätzlichem Eingriff in den Straßenverkehr [BGHSt 60, 84]

Kein Täter-Opfer-Ausgleich bei vorsätzlichem Eingriff in den Straßenverkehr [BGHSt 60, 84]

Am 04.12.2014 entschied der BGH, dass eine Strafmilderung durch einen Täter-Opfer-Ausgleich bei einer Verurteilung wegen vorsätzlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nach § 315b StGB nicht möglich sei (BGHSt 60, 84).
Täter-Opfer-Ausgleich
Lecturio Redaktion

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04.01.2024

Inhalt

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I. Der Sachverhalt

Der Angeklagte hatte sich in der Nacht vom 27.04.2012 eine wilde Verfolgungsjagd mit der Polizei geliefert, dabei mehrere Fahrzeuge beschädigt und eine Polizistin verletzt. Zudem besaß der Angeklagte keinen Führerschein. Das LG Coburg hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315b StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 224 StGB)Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB), fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB)unerlaubtem Entfernen vom Unfallort in zwei tateinheitlichen Fällen (§ 142 StGB), vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG) und Sachbeschädigung (§ 303 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und zudem eine Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis von zwei Jahren verhängt.

Die Verteidiger des Angeklagten hatten das Urteil des LG Coburg mit der Begründung angegriffen, es läge ein Fall des „Täter-Opfer-Ausgleichs“ vor, weil der Anklagte der verletzten Polizeibeamtin das zuvor anerkannte Schmerzensgeld im Gerichtssaal übergeben und sich für sein Tun entschuldigt hatte. Dies habe das Landgericht nicht berücksichtigt. Die Strafe hätte dann niedriger ausfallen müssen. Der Angeklagte wehrte sich deshalb gegen das Urteil mit einer Revision zum BGH.

II. Allgemeines zum Täter-Opfer-Ausgleich

Der sog. Täter-Opfer-Ausgleich ist eine Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktschlichtung. Geregelt ist er in § 46a StGB, sowie in den § 155a, 155b StPO. § 46a StGB ermöglicht es dem Gericht, bei ernsthaften Bemühungen des Täters die Strafe zu mildern oder sogar ganz zu erlassen:

so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

Es handelt sich einerseits um eine materielle Schadenswiedergutmachung, darüber hinaus aber auch um einen ideellen Ausgleich von begangenem und erlittenem Unrecht. Voraussetzung für eines Täter-Opfer-Ausgleich ist die freiwillige Bereitschaft auf Seiten des Täters und des Opfers, an der außergerichtlichen Konfliktbewältigung mitzuwirken.

III. Die Entscheidung des BGH [BGHSt 60, 84]

Der BGH hat die Revision des Angeklagten als unbegründet verworfen.

Nach Auffassung des 4. Strafsenats ist eine Strafmilderung wegen eines „Täter-Opfer-Ausgleichs“ zu Recht nicht erfolgt. Ein „Täter-Opfer-Ausgleich“ nach § 46a Nr. 1 StGB sei auf § 315b StGB (vorsätzlichen Eingriff in den Straßenverkehr) nicht anwendbar.
Dies ergibt sich nach Ansicht der Richter aus dem unterschiedlichen Wortlaut von § 46a Nr. 1 und Nr. 2 StGB. Denn im Gegensatz zu § 46a Nr. 2 StGB (der den materiellen Schadensausgleich betrifft), dient § 46a Nr. 1 StGB vorrangig dem Ausgleich immaterieller Folgen einer Straftat. Damit § 46a Nr.1 StGB Anwendung findet, bedarf es eines kommunikativen Prozesses zwischen Täter und Opfer, der auf einen umfassenden, Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen angelegt ist. Die Bemühungen des Täters müssen dabei Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein. Das Opfer muss weiterhin die Bemühungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptieren. Aus dem Wortlaut sowie der Zweckbestimmung der Norm ergebe sich deshalb nach Ansicht des BGH eine Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 46a Nr.1 StGB, wonach die Norm auf sog. „opferlose“ Delikte nicht angewendet werden könne.

Aus eben diesem Grund ist nach Ansicht des BGH in der Folge eine Anwendung des Täter-Opfer-Ausgleichs auf § 315b StGB (gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr) ausgeschlossen.

Denn Schutzzweck der Norm ist nicht der Schutz einzelner Verkehrsteilnehmer, sondern vielmehr der Schutz der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs. Es handele sich damit um ein sog. „opferloses“ Delikt, so dass auch ein „Täter-Opfer-Ausgleich“ mangels Anwendbarkeit des § 46a Nr.1 StGB nicht erfolgen kann.

IV. Fazit

Die Auslegung des § 46a Nr. 1 StGB anhand Wortlaut, Systematik und Sinn & Zweck erfolgt geradezu schulbuchmäßig, weshalb sich die Lektüre dieses Urteils durchaus lohnt.

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Simon Veiser

Simon Veiser beschäftigt sich seit 2010 nicht nur theoretisch mit IT Service Management und ITIL, sondern auch als leidenschaftlicher Berater und Trainer. In unterschiedlichsten Projekten definierte, implementierte und optimierte er erfolgreiche IT Service Management Systeme. Dabei unterstützte er das organisatorische Change Management als zentralen Erfolgsfaktor in IT-Projekten. Simon Veiser ist ausgebildeter Trainer (CompTIA CTT+) und absolvierte die Zertifizierungen zum ITIL v3 Expert und ITIL 4 Managing Professional.

Dr. Frank Stummer

Dr. Frank Stummer ist Gründer und CEO der Digital Forensics GmbH und seit vielen Jahren insbesondere im Bereich der forensischen Netzwerkverkehrsanalyse tätig. Er ist Mitgründer mehrerer Unternehmen im Hochtechnologiebereich, u.a. der ipoque GmbH und der Adyton Systems AG, die beide von einem Konzern akquiriert wurden, sowie der Rhebo GmbH, einem Unternehmen für IT-Sicherheit und Netzwerküberwachung im Bereich Industrie 4.0 und IoT. Zuvor arbeitete er als Unternehmensberater für internationale Großkonzerne. Frank Stummer studierte Betriebswirtschaft an der TU Bergakademie Freiberg und promovierte am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.

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Sobair Barak hat einen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert und hat sich anschließend an der Harvard Business School weitergebildet. Heute ist er in einer Management-Position tätig und hat bereits diverse berufliche Auszeichnungen erhalten. Es ist seine persönliche Mission, in seinen Kursen besonders praxisrelevantes Wissen zu vermitteln, welches im täglichen Arbeits- und Geschäftsalltag von Nutzen ist.

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Wolfgang A. Erharter ist Managementtrainer, Organisationsberater, Musiker und Buchautor. Er begleitet seit über 15 Jahren Unternehmen, Führungskräfte und Start-ups. Daneben hält er Vorträge auf Kongressen und Vorlesungen in MBA-Programmen. 2012 ist sein Buch „Kreativität gibt es nicht“ erschienen, in dem er mit gängigen Mythen aufräumt und seine „Logik des Schaffens“ darlegt. Seine Vorträge gestaltet er musikalisch mit seiner Geige.

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Holger Wöltje ist Diplom-Ingenieur (BA) für Informationstechnik und mehrfacher Bestseller-Autor. Seit 1996 hat er über 15.800 Anwendern in Seminaren und Work-shops geholfen, die moderne Technik produktiver einzusetzen. Seit 2001 ist Holger Wöltje selbstständiger Berater und Vortragsredner. Er unterstützt die Mitarbeiter von mittelständischen Firmen und Fortune-Global-500- sowie DAX-30-Unternehmen dabei, ihren Arbeitsstil zu optimieren und zeigt Outlook-, OneNote- und SharePoint-Nutzern, wie sie ihre Termine, Aufgaben und E-Mails in den Griff bekommen, alle wichtigen Infos immer elektronisch parat haben, im Team effektiv zusammenarbeiten, mit moderner Technik produktiver arbeiten und mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen.

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Frank Eilers ist Keynote Speaker zu den Zukunftsthemen Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Er betreibt seit mehreren Jahren den Podcast „Arbeitsphilosophen“ und übersetzt komplexe Zukunftsthemen für ein breites Publikum. Als ehemaliger Stand-up Comedian bringt Eilers eine ordentliche Portion Humor und Lockerheit mit. 2017 wurde er für seine Arbeit mit dem Coaching Award ausgezeichnet.

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Yasmin Kardi ist zertifizierter Scrum Master, Product Owner und Agile Coach und berät neben ihrer Rolle als Product Owner Teams und das höhere Management zu den Themen agile Methoden, Design Thinking, OKR, Scrum, hybrides Projektmanagement und Change Management.. Zu ihrer Kernkompetenz gehört es u.a. internationale Projekte auszusteuern, die sich vor allem auf Produkt-, Business Model Innovation und dem Aufbau von Sales-Strategien fokussieren.

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Leon Chaudhari ist ein gefragter Marketingexperte, Inhaber mehrerer Unternehmen im Kreativ- und E-Learning-Bereich und Trainer für Marketingagenturen, KMUs und Personal Brands. Er unterstützt seine Kunden vor allem in den Bereichen digitales Marketing, Unternehmensgründung, Kundenakquise, Automatisierung und Chat Bot Programmierung. Seit nun bereits sechs Jahren unterrichtet er online und gründete im Jahr 2017 die „MyTeachingHero“ Akademie.

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Als akkreditierter Trainer für PRINCE2® und weitere international anerkannte Methoden im Projekt- und Portfoliomanagement gibt Andreas Ellenberger seit Jahren sein Methodenwissen mit viel Bezug zur praktischen Umsetzung weiter. In seinen Präsenztrainings geht er konkret auf die Situation der Teilnehmer ein und erarbeitet gemeinsam Lösungsansätze für die eigene Praxis auf Basis der Theorie, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Da ihm dies am Herzen liegt, steht er für Telefoncoachings und Prüfungen einzelner Unterlagen bzgl. der Anwendung gern zur Verfügung.

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Alexander Plath ist seit über 30 Jahren im Verkauf und Vertrieb aktiv und hat in dieser Zeit alle Stationen vom Verkäufer bis zum Direktor Vertrieb Ausland und Mediensprecher eines multinationalen Unternehmens durchlaufen. Seit mehr als 20 Jahren coacht er Führungskräfte und Verkäufer*innen und ist ein gefragter Trainer und Referent im In- und Ausland, der vor allem mit hoher Praxisnähe, Humor und Begeisterung überzeugt.