Familienrecht: Die Ehegatteninnengesellschaft

Familienrecht: Die Ehegatteninnengesellschaft

Ein Phänomen, das dir in der Klausur begegnen kann, ist die Ehegatteninnengesellschaft. Es erlaubt eine Auseinandersetzung nach §§ 730, 738 BGB, wenn das Ehegattenrecht keine billige Lösung liefert.
ehegatteninnengesellschaft
Lecturio Redaktion

·

31.01.2024

Inhalt

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I. Ehegatten-Innengesellschaft

1. Beispiel

E und F sind Eheleute und haben unter beidseitigem finanziellen Aufwand und Arbeitseinsatz eine Immobilie erworben und/oder ausgebaut. Aus steuerlichen Gründen steht die Immobilie im Alleineigentum des E. Nach der Vorstellung von E und F soll die Immobilie jedoch beiden Ehegatten gehören, die das Gebäude wirtschaftlich nutzen wollen. Nach ihrer Vorstellung soll diese gemeinsame Nutzung auch nach einer Beendigung der Ehe fortgesetzt werden.  Zudem haben E und F Gütertrennung vereinbart. Kann F im Falle der Scheidung Vermögen aus der Immobilie fordern?

2. Problem

E schuldet im Fall der Gütertrennung keinen Zugewinnausgleich gem. §§ 1378 Abs. 1, 1372, 1384 BGB.

3. Lösung

Der BGH erkennt die Möglichkeit einer  Ehegatten-Innengesellschaft an.

Im Fall der Scheidung haben die Gatten unter bestimmten Voraussetzung gem. §§ 730 Abs. 1, 738  BGB die gemeinsam geschaffenen Vermögenswerte auseinanderzusetzen.

Die zwei Voraussetzungen dafür sind:

  1. Die gemeinsame Zweckverfolgung: Die Zweckverfolgung gem. § 705 BGB ist konkludent möglich. Da sich die Gatten jedoch gem. §§ 1353 Abs. 1 S.  2, 1360 S. 1  BGB ohnehin die rechtliche Verpflichtung zur gegenseitigen finanziellen Unterstützung auferlegt haben, müssen die Leistungen einen über den typischen Rahmen einer ehelichen Lebensgemeinschaft hinausgehenden Zweck darstellen, um von einem Gesellschaftszweck auszugehen.
    Indizien: Beträchtliche Kapitalinvestitionen, Renovierungsarbeiten in größerem Umfang, Vermietung und Verwaltung der Immobilie.
    Verneinend: gelegentliche Aushilfsarbeiten.
  2. Weitgehend gleichberechtigte Stellung der Ehegatten und beiderseitige Beiträge von größerem Gewicht.

Im Beispiel soll nach der Scheidung das Haus nach Vorstellung der F,wenn sie Arbeits- oder Finanzleistungen größeren Umfangs tätigt, gemeinsam bewohnt werden bzw. ihr neben E gehören und „nicht nur für die Dauer der Lebensgemeinschaft gemeinsam genutzt werden“. Damit gehen die Leistungen über den typischen Rahmen einer Ehe hinaus. Dass die Immobilie im Eigentum des E stand, verleiht ihm im Gesellschaftssinne keine überlegene Stellung gegenüber F, sie waren gleichberechtigt.

§§ 730 Abs. 1, 738 BGB finden daher im Fall der Scheidung zugunsten der F Anwendung. Dabei ist konkret zu ermitteln, welche Wertsteigerung das Objekt durch Fs Beteiligung erfahren hat; der Halbteilungsgrundsatz gem. § 722 Abs. 1 BGB findet subsidiär Anwendung

Hinweis: Der Anspruch steht nach Ansicht des BGH nicht in Konkurrenz zum Zugewinnausgleich. Die Stichtage der Berechnung können sich daher mit Eheschließung oder -scheidung decken, müssen es aber nicht.

Kritik aus der Literatur, die in der Klausur unbedingt angesprochen werden sollte: Es wird aus Billigkeitserwägungen vom Ergebnis eines nicht vorhandenen Zugewinnausgleichs gedacht. Der Lösungsansatz ist fingiert und damit auch meist die Willenserklärungen gem. § 705 Abs. 1 BGB zu einem gegenseitigen Vertrag. Zudem bilden die § 1363 ff. BGB eine abschließende Sonderregelung; ist der Zuggewinnausgleich parteilich ausgeschlossen, ist dies die notwendige gesetzliche Konsequenz.

II. Ehebedingte Zuwendungen

Von einer Innengesellschaft zu unterscheiden sind ehebedingte Zuwendungen.

1. Beispiel

F hat abweichend vom oben genannten Beispiel halbtags im Betrieb des E gearbeitet und außerdem die Kinder während Es Arbeitszeit betreut.

2. Lösung

Auch unterhalb der Schwelle eines gemeinsamen Vermögensprojekts sind Leistungen, die dem Erhalt der Ehedienen sollen (vergleichbar einer Schenkung), rückforderbar.

Achtung: Auf ehebedingte Zuwendung findet nicht das Schenkungsrecht analog § 516 ff. BGB Anwendung! Der BGH verfährt über den Wegfall der Geschäftsgrundlage gem. § 313  Abs. 1, 3 BGB und über § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB, den Zweckfortfall. Hinsichtlich der Frage des § 313 Abs. 1, 3 BGB ob dem Leistenden das Festhalten am Vertrag zumutbar ist, spielen die Umstände des Einzelfalls eine Rolle, insbesondere die Höhe des geleisteten Betrags (zu den Voraussetzungen sogleich).

III. Nichteheliche Lebensgemeinschaft

Grundsätzlich können oben genannte Ausgleichsansprüche auch bei Zuwendungen in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft bestehen.

  • §§ 730 Abs. 1, 738 BGB: Während bei einer Ehe eine rechtliche Bindung kraft Gesetzesentsteht, haben die Partner in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft keine über die Ausgestaltung ihrer Gemeinschaft hinausgehenden rechtlichen Vorstellungen. Daher wird die Annahme einer Innengesellschaft meist am konkludenten Rechtsbindungswillen scheitern.
  • §§ 313 Abs. 1, 3 BGB: Nach früher herrschender Meinung war wegen Fehlen dieses Rechtsbindungswillens eine gemeinsame Geschäftsgrundlage verneint worden. Der XII. Zivilsenat, und ihm folgend das Schrifttum, nehmen nun einen Kooperationsvertrag eigener Art an, soweit der gemeinschaftsbezogenen Zuwendung die Vorstellung oder Erwartung zugrunde lag, die Lebensgemeinschaft werde Bestand haben. Dies ist der Fall, wenn der Arbeits- und Finanzeinsatz deutlichüber das Tagtäglichehinausgeht.
  • 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB: Es muss eine Zweckvereinbarung stattgefunden haben. Der Partner muss die Leistung als stillschweigende Erwartung des anderen Teils positiv gekannt haben oder die Leistung ohne zu widersprechen angenommen haben. Die Leistung muss auch hier deutlich über das tagtägliche Bedürfnishinausgehen.

IV. Resümee

Sowohl in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft als auch in der Ehe ist zu prüfen, ob sich die Leistung noch im Rahmen des Verhältnismäßigen, des durch die Beziehung bedingt „Normalen“, bewegt. In der nichtehelichen Lebensgemeinschaft und in der Ehe kann sich herausstellen, dass der gemeinsame Zweck gem. § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB  verfehlt wurde oder die Geschäftsgrundlage § 313 Abs. 1, 3 BGB entfällt, zusätzlich kommt die Annahme einer Innengesellschaft in Frage.

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Simon Veiser beschäftigt sich seit 2010 nicht nur theoretisch mit IT Service Management und ITIL, sondern auch als leidenschaftlicher Berater und Trainer. In unterschiedlichsten Projekten definierte, implementierte und optimierte er erfolgreiche IT Service Management Systeme. Dabei unterstützte er das organisatorische Change Management als zentralen Erfolgsfaktor in IT-Projekten. Simon Veiser ist ausgebildeter Trainer (CompTIA CTT+) und absolvierte die Zertifizierungen zum ITIL v3 Expert und ITIL 4 Managing Professional.

Dr. Frank Stummer

Dr. Frank Stummer ist Gründer und CEO der Digital Forensics GmbH und seit vielen Jahren insbesondere im Bereich der forensischen Netzwerkverkehrsanalyse tätig. Er ist Mitgründer mehrerer Unternehmen im Hochtechnologiebereich, u.a. der ipoque GmbH und der Adyton Systems AG, die beide von einem Konzern akquiriert wurden, sowie der Rhebo GmbH, einem Unternehmen für IT-Sicherheit und Netzwerküberwachung im Bereich Industrie 4.0 und IoT. Zuvor arbeitete er als Unternehmensberater für internationale Großkonzerne. Frank Stummer studierte Betriebswirtschaft an der TU Bergakademie Freiberg und promovierte am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.

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Sobair Barak hat einen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert und hat sich anschließend an der Harvard Business School weitergebildet. Heute ist er in einer Management-Position tätig und hat bereits diverse berufliche Auszeichnungen erhalten. Es ist seine persönliche Mission, in seinen Kursen besonders praxisrelevantes Wissen zu vermitteln, welches im täglichen Arbeits- und Geschäftsalltag von Nutzen ist.

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Wolfgang A. Erharter ist Managementtrainer, Organisationsberater, Musiker und Buchautor. Er begleitet seit über 15 Jahren Unternehmen, Führungskräfte und Start-ups. Daneben hält er Vorträge auf Kongressen und Vorlesungen in MBA-Programmen. 2012 ist sein Buch „Kreativität gibt es nicht“ erschienen, in dem er mit gängigen Mythen aufräumt und seine „Logik des Schaffens“ darlegt. Seine Vorträge gestaltet er musikalisch mit seiner Geige.

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Holger Wöltje ist Diplom-Ingenieur (BA) für Informationstechnik und mehrfacher Bestseller-Autor. Seit 1996 hat er über 15.800 Anwendern in Seminaren und Work-shops geholfen, die moderne Technik produktiver einzusetzen. Seit 2001 ist Holger Wöltje selbstständiger Berater und Vortragsredner. Er unterstützt die Mitarbeiter von mittelständischen Firmen und Fortune-Global-500- sowie DAX-30-Unternehmen dabei, ihren Arbeitsstil zu optimieren und zeigt Outlook-, OneNote- und SharePoint-Nutzern, wie sie ihre Termine, Aufgaben und E-Mails in den Griff bekommen, alle wichtigen Infos immer elektronisch parat haben, im Team effektiv zusammenarbeiten, mit moderner Technik produktiver arbeiten und mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen.

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Frank Eilers ist Keynote Speaker zu den Zukunftsthemen Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Er betreibt seit mehreren Jahren den Podcast „Arbeitsphilosophen“ und übersetzt komplexe Zukunftsthemen für ein breites Publikum. Als ehemaliger Stand-up Comedian bringt Eilers eine ordentliche Portion Humor und Lockerheit mit. 2017 wurde er für seine Arbeit mit dem Coaching Award ausgezeichnet.

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Alexander Plath

Alexander Plath ist seit über 30 Jahren im Verkauf und Vertrieb aktiv und hat in dieser Zeit alle Stationen vom Verkäufer bis zum Direktor Vertrieb Ausland und Mediensprecher eines multinationalen Unternehmens durchlaufen. Seit mehr als 20 Jahren coacht er Führungskräfte und Verkäufer*innen und ist ein gefragter Trainer und Referent im In- und Ausland, der vor allem mit hoher Praxisnähe, Humor und Begeisterung überzeugt.