Schadensersatz: Mehrkosten des Deckungskaufs als Verzögerungsschaden

Schadensersatz: Mehrkosten des Deckungskaufs als Verzögerungsschaden

Die Frage, ob die Mehrkosten des eigenen Deckungskaufs als Verzögerungsschaden ersatzfähig sind, beschäftigte vor einigen Jahren den BGH (Urteil vom 3. 7. 2013 – VIII ZR 169/12). Dieser Artikel erklärt dir die Entscheidung des BGH und den komplexen Meinungsstand zu der umstrittenen Frage der Ersatzfähigkeit des Deckungskaufs als Verzögerungsschaden nach §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB oder als Schadenersatz statt der Leistung nach § 280 Abs. 1, 3, 281 BGB kurz und kompakt.
Ersatzfähigkeit des Deckungskaufs als Verzögerungsschaden
Lecturio Redaktion

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04.01.2024

Inhalt

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I. Sachverhalt (vgl. NJW 2013, 2959 ff.)

K (Spediteur) und B (Verkäufer von Kraftstoffen) schlossen einen Kaufvertrag über die Lieferung von 2 Mio. Liter Biodiesel zu einem Preis von 66 €/100 l. Als Lieferungszeitraum wurde der 16.04.2008 bis 30.09.2008 bestimmt. Im April und Mai erfolgte eine Lieferung von 355.495 l Biodiesel an K. Am 04.06.2008 teilte die B der K mit, dass ihre Lieferantin wegen Insolvenz die Belieferung mit Biodiesel eingestellt habe und B nun deswegen die Lieferung an die K einstellen müsse. Die B könne Biodiesel daher nur noch zu Tagespreisen erwerben. B war nicht mehr bereit, K zu beliefern.

K deckte sich daher im Zeitraum vom 29.05.2008 bis zum 30.09.2008 mit Diesellieferungen anderer Lieferanten ein. Wegen gestiegenem Biodieselpreis entstanden Mehrkosten in Höhe von 475.085,58 €. K begehrt Ersatz wegen nicht rechtzeitiger Erfüllung des Kaufvertrags seitens der B und der aus dem Deckungskauf resultierenden Mehrkosten.

Hinweis: B wurde im Vorprozess verurteilt, an K die ausstehenden Lieferungen (1655.505 l Biodiesel) Zug-um-Zug gegen Zahlung von 1.582.789,90 € vorzunehmen. Dies geschah auch.

II. Kurz-Analyse des BGH

K hat B im Vorprozess auf Erfüllung des Kaufvertrags erfolgreich in Anspruch genommen. Daher kann es in dieser Entscheidung nur um die Frage gehen, ob die Mehrkosten des eigenen Deckungskaufs neben der Erfüllung als Verzögerungsschaden ersetzbar sind. (NJW 2013, 2959)

III. Meinungsstand im Schriftentum

Es wird vertreten, die Kosten des Deckungskaufs seien als Verzögerungsschaden einzuordnen, wenn der Käufer das Deckungsgeschäft vor Erlöschen des Erfüllungsgeschäfts tätige. Schadenersatz statt der Leistung umfasse lediglich den Schaden, der durch das endgültige Ausbleiben der Leistung verursacht wurde. Demnach ergibt sich, dass die Mehrkosten des Deckungsgeschäfts nicht automatisch neben den Erfüllungsanspruch treten können.

Eine andere Ansicht legt dar, ein Deckungskauf sei, solange der Käufer noch Erfüllung verlangen könne, nicht als Verzögerungsschaden zu berücksichtigen. Eine Verlagerung der Folgen des Deckungskaufs auf den Schuldner liefe dem Regelwerk der §§ 280 ff. BGB entgegen. Sinn sei es, die Gläubiger- und Schuldnerinteressen in Ausgleich zu bringen.

Folglich sei anzunehmen, dass der Verursachungsbeitrag des Gläubigers mittels vorzeitiger Tätigung des Deckungskaufs den Verursachungsbeitrag des Schuldners durch die Verzögerung derart überwiege, dass gem. § 254 BGB ein Schadenersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB gänzlich ausscheide.

Wiederum andere Stimmen vertreten die Ansicht, der Schaden beruhe nicht unmittelbar auf der Verzögerung. Vielmehr trete mittels Deckungskauf eine Handlung des Geschädigten dazwischen, wodurch der Verzögerungsschaden verursacht werde. Dies sei ein Fall psychisch vermittelter Kausalität. Kausalität sei lediglich dann zu bejahen, wenn sich der Geschädigte gerechtfertigter Weise dazu bewogen gefühlt hat, ein abschließendes Deckungsgeschäft vorzunehmen.

Dies liege vor, wenn die Voraussetzungen des Anspruchs auf Schadenersatz statt der Leistung zum Zeitpunkt der Tätigung des Deckungskaufs gegeben seien und die Nachfristsetzung bereits erfolglos abgelaufen sei.

Die herrschende Meinung sieht die Mehrkosten eines Deckungskaufs nur dann als Schaden statt der Leistung ersatzfähig, wenn die Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB vorliegen.

Mithin verlange der Käufer durch Geltendmachung der Kosten des Deckungskaufs den Schaden wegen Ausbleibens der geschuldeten Leistung, nicht hingegen den Begleitschaden wegen Verzögerung der Leistung.

Der Deckungskauf ist eine endgültige Ersetzung der einst vereinbarten Leistung. Daher könne nur ein Schaden statt der Leistung vorliegen. Durch den Deckungskauf stelle der Gläubiger den Zustand her, der bestünde, wenn der Schuldner ordnungsgemäß geleistet hätte.

IV. Entscheidung des BGH

Der Senat folgt der herrschenden Meinung. Daher scheidet die Geltendmachung der Mehrkosten des Deckungskaufs durch den Käufer als Verzögerungsschaden gem. §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB aus. Die Kosten des Deckungskaufs stehen als Schaden anstelle der Leistung. Dieser Schadensersatz unterliegt den Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB. Eine Geltendmachung neben der Vertragserfüllung kann nicht beansprucht werden.

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Simon Veiser

Simon Veiser beschäftigt sich seit 2010 nicht nur theoretisch mit IT Service Management und ITIL, sondern auch als leidenschaftlicher Berater und Trainer. In unterschiedlichsten Projekten definierte, implementierte und optimierte er erfolgreiche IT Service Management Systeme. Dabei unterstützte er das organisatorische Change Management als zentralen Erfolgsfaktor in IT-Projekten. Simon Veiser ist ausgebildeter Trainer (CompTIA CTT+) und absolvierte die Zertifizierungen zum ITIL v3 Expert und ITIL 4 Managing Professional.

Dr. Frank Stummer

Dr. Frank Stummer ist Gründer und CEO der Digital Forensics GmbH und seit vielen Jahren insbesondere im Bereich der forensischen Netzwerkverkehrsanalyse tätig. Er ist Mitgründer mehrerer Unternehmen im Hochtechnologiebereich, u.a. der ipoque GmbH und der Adyton Systems AG, die beide von einem Konzern akquiriert wurden, sowie der Rhebo GmbH, einem Unternehmen für IT-Sicherheit und Netzwerküberwachung im Bereich Industrie 4.0 und IoT. Zuvor arbeitete er als Unternehmensberater für internationale Großkonzerne. Frank Stummer studierte Betriebswirtschaft an der TU Bergakademie Freiberg und promovierte am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.

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Sobair Barak hat einen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert und hat sich anschließend an der Harvard Business School weitergebildet. Heute ist er in einer Management-Position tätig und hat bereits diverse berufliche Auszeichnungen erhalten. Es ist seine persönliche Mission, in seinen Kursen besonders praxisrelevantes Wissen zu vermitteln, welches im täglichen Arbeits- und Geschäftsalltag von Nutzen ist.

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Wolfgang A. Erharter ist Managementtrainer, Organisationsberater, Musiker und Buchautor. Er begleitet seit über 15 Jahren Unternehmen, Führungskräfte und Start-ups. Daneben hält er Vorträge auf Kongressen und Vorlesungen in MBA-Programmen. 2012 ist sein Buch „Kreativität gibt es nicht“ erschienen, in dem er mit gängigen Mythen aufräumt und seine „Logik des Schaffens“ darlegt. Seine Vorträge gestaltet er musikalisch mit seiner Geige.

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Holger Wöltje ist Diplom-Ingenieur (BA) für Informationstechnik und mehrfacher Bestseller-Autor. Seit 1996 hat er über 15.800 Anwendern in Seminaren und Work-shops geholfen, die moderne Technik produktiver einzusetzen. Seit 2001 ist Holger Wöltje selbstständiger Berater und Vortragsredner. Er unterstützt die Mitarbeiter von mittelständischen Firmen und Fortune-Global-500- sowie DAX-30-Unternehmen dabei, ihren Arbeitsstil zu optimieren und zeigt Outlook-, OneNote- und SharePoint-Nutzern, wie sie ihre Termine, Aufgaben und E-Mails in den Griff bekommen, alle wichtigen Infos immer elektronisch parat haben, im Team effektiv zusammenarbeiten, mit moderner Technik produktiver arbeiten und mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen.

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Frank Eilers ist Keynote Speaker zu den Zukunftsthemen Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Er betreibt seit mehreren Jahren den Podcast „Arbeitsphilosophen“ und übersetzt komplexe Zukunftsthemen für ein breites Publikum. Als ehemaliger Stand-up Comedian bringt Eilers eine ordentliche Portion Humor und Lockerheit mit. 2017 wurde er für seine Arbeit mit dem Coaching Award ausgezeichnet.

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Yasmin Kardi ist zertifizierter Scrum Master, Product Owner und Agile Coach und berät neben ihrer Rolle als Product Owner Teams und das höhere Management zu den Themen agile Methoden, Design Thinking, OKR, Scrum, hybrides Projektmanagement und Change Management.. Zu ihrer Kernkompetenz gehört es u.a. internationale Projekte auszusteuern, die sich vor allem auf Produkt-, Business Model Innovation und dem Aufbau von Sales-Strategien fokussieren.

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Leon Chaudhari ist ein gefragter Marketingexperte, Inhaber mehrerer Unternehmen im Kreativ- und E-Learning-Bereich und Trainer für Marketingagenturen, KMUs und Personal Brands. Er unterstützt seine Kunden vor allem in den Bereichen digitales Marketing, Unternehmensgründung, Kundenakquise, Automatisierung und Chat Bot Programmierung. Seit nun bereits sechs Jahren unterrichtet er online und gründete im Jahr 2017 die „MyTeachingHero“ Akademie.

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Als akkreditierter Trainer für PRINCE2® und weitere international anerkannte Methoden im Projekt- und Portfoliomanagement gibt Andreas Ellenberger seit Jahren sein Methodenwissen mit viel Bezug zur praktischen Umsetzung weiter. In seinen Präsenztrainings geht er konkret auf die Situation der Teilnehmer ein und erarbeitet gemeinsam Lösungsansätze für die eigene Praxis auf Basis der Theorie, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Da ihm dies am Herzen liegt, steht er für Telefoncoachings und Prüfungen einzelner Unterlagen bzgl. der Anwendung gern zur Verfügung.

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Zach Davis ist studierter Betriebswirt und Experte für Zeitintelligenz und Zukunftsfähigkeit. Als Unternehmens-Coach hat er einen tiefen Einblick in über 80 verschiedene Branchen erhalten. Er wurde 2011 als Vortragsredner des Jahres ausgezeichnet und ist bis heute als Speaker gefragt. Außerdem ist Zach Davis Autor von acht Büchern und Gründer des Trainingsinstituts Peoplebuilding.

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Alexander Plath

Alexander Plath ist seit über 30 Jahren im Verkauf und Vertrieb aktiv und hat in dieser Zeit alle Stationen vom Verkäufer bis zum Direktor Vertrieb Ausland und Mediensprecher eines multinationalen Unternehmens durchlaufen. Seit mehr als 20 Jahren coacht er Führungskräfte und Verkäufer*innen und ist ein gefragter Trainer und Referent im In- und Ausland, der vor allem mit hoher Praxisnähe, Humor und Begeisterung überzeugt.