Lexikon

Elektrotherapie

Definition Elektrotherapie

Elektrotherapie Die Verwendung von Elektrizität zu Heilzwecken ist ein Teilgebiet der physikalischen Therapie und lässt sich in 2 große Gruppen einteilen: die Niederfrequenztherapie und die Hochfrequenztherapie. Als Elektrotherapie im engeren Sinn kann nur die Niederfrequenztherapie bezeichnet werden, bei der der menschliche Körper selbst direkt zu Heilzwecken in einen elektrischen Stromkreis eingefügt wird, wodurch seine Organe zu aktiver Tätigkeit angeregt werden. Die Anwendung konstanter Gleichströme bei der Galvanisation hat folgende Auswirkungen: starke, stundenlang andauernde Gefäßerweiterung und damit Steigerung der Durchblutung, Erholung der Erregbarkeit der Bewegungsnerven und des Muskeltonus und nicht zuletzt Schmerzstillung. Um Reizwirkungen zu vermeiden, muss die Stromstärke langsam gesteigert (»Einschleichen«) und bei Beendigung der Sitzung langsam vermindert (»Ausschleichen«) werden. Eine Behandlung dauert 10-40 Minuten. Anwendungsgebiete: Neuralgie, Nervenentzündungen, Arthrosen, Muskelschmerzen, schlaffe Lähmungen, Durchblutungsstörungen.

Elektrische Bäder ermöglichen die Durchströmung des ganzen Körpers oder größerer Teile desselben. Bei den »Zellenbädern« werden Elektroden in Teilbadewannen aus Porzellan oder Holz eingetaucht; dabei stellt das warme Wasser einen idealen Kontakt zwischen Körper und Elektrode her. Eine besondere Form des elektrischen Vollbades ist das Stangerbad, bei dem bewegliche Elektroden je nach Bedarf in die Wanne eingesetzt werden können; außerdem wird dem Badewasser ein gerbstoffhaltiger Baumrindenextrakt zugesetzt (der Erfinder Stanger war ein Ulmer Gerbermeister).

Bei der lontophorese, die man zur Behandlung oberflächlicher Reizzustände wie z. B. des Tennisellenbogens heranzieht, wird das Frottiertuch mit einem flüssigen Medikament durchtränkt oder die Haut mit einer entsprechenden Salbe bestrichen. Als Folge der Ionenwanderung im elektrischen Feld dringen Medikamente durch die Haut in den Körper ein.

Die Faradisation wird mit einem zerhackten Gleichstrom oder einem niederfrequenten Wechselstrom ausgeführt. Diese Reizströme dienen dazu, aktive Muskelzuckungen hervorzurufen. Anwendungen: schlaffe und krampfartige Muskellähmungen; Schließmuskelschwäche von Harnblase und Mastdarm; Muskelschwäche durch Untätigkeit; chronische Verstopfung.

Eine besondere Stromform bilden die so genannten diadynamischen Ströme: Reizströme mit Impuls- und Gleichstromanteilen. Sie wirken stark schmerzlindernd und werden vor allem in der Sportmedizin bei Verstauchungen, Quetschungen, Blutergüssen, Hexenschuss, Schiefhals, Neuralgien und Durchblutungsstörungen angewendet.

Bei der kaum noch angewandten Elektrokrampftherapie wird durch den Schädel des Patienten kurzzeitig ein Wechselstrom geleitet, der einen künstlichen epileptischen Anfall auslöst. Die Methode wurde früher zur Behandlung von Geisteskranken verordnet.

Bei der Hochfrequenztherapie wird im Inneren des Körpers Wärme erzeugt, wodurch es zu einer örtlichen Mehrdurchblutung und Stoffwechselsteigerung kommt; eine spezifische elektrische Wirkung wie bei der Niederfrequenztherapie ist nicht nachzuweisen. Die klassische Diathermie (»Wärmedurchdringung«), die mit Wellenlängen von 600-300 m und einer Frequenz von 80000 bis I Million Hertz (Hz = Zahl der elektromagnetischen Schwingungen pro Sekunde) arbeitete, ist heute durch die Kurzwellentherapie verdrängt worden, bei der mit höherfrequenten Strömen gearbeitet wird. Die Anwendungsgebiete reichen von Erkrankungen und Verletzungen des Bewegungsapparates (Muskeln, Gelenke), der Nerven und der Haut bis zu Krankheiten der Blutgefäße, vieler innerer Organe sowie von Hals, Nase, Ohren und Augen. Die Dezimeterwelle (Ultrakurzwelle) mit einer Wellenlänge von 69 cm und einer Frequenz von 433 Millionen Hertz und die Mikrowelle (12.4 cm Wellenlänge und Frequenz von 2400 Millionen Hertz) werden in ähnlichen Fällen wie die Kurzwellen angewendet. Ihr Vorteil liegt vor allem in der Schonung des Fettgewebes sowie in der bequemen Anwendbarkeit.

Die Elektrochirurgie (Hochfrequenzchirurgie) bedient sich hochfrequenter Wechselströme geringer Spannung zur Durchtrennung von Gewebe (elektrisches Schneiden) oder zur Verkochung umschriebener Gewebsbezirke (Elektrokoagulation). Die Vorteile der Methode liegen in Blutstillung, Keimvernichtung und der fehlenden Verschleppung von Geschwulstzellen.