Grundsätzlich wird die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Zivilgerichte kraft des Gesetzes in den §§ 23 ff., 74 ff. GVG sowie in den §§ 13 ff. ZPO bestimmt. Abweichend davon besteht gleichwohl auch die Möglichkeit, dass die Parteien individuell einen Gerichtsstand vereinbaren. In folgendem Beitrag wird näher auf dieses Thema eingegangen.
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das sind zwei hunde im streit

Bild: “Heated Argument /口角” von Ding Yuin Shan. Lizenz: CC BY 2.0


I. Allgemeines zur Gerichtsstandvereinbarung

Die Gerichtsstandvereinbarung ist eine Vereinbarung zweier Parteien darüber, welches Gericht bei Streitigkeiten, die sich zwischen ihnen ergeben, zuständig ist. Sie wird auch Prorogation genannt. Geregelt ist sie in den §§ 38, 40 ZPO. Welche Rechtsnatur die Prorogation hat, ist nicht ganz unumstritten. Letztlich ist dieser Streit vor allem akademischer Natur und kann in der Klausur dahinstehen, da auch für das Zustandekommen und die Wirksamkeit des Prozessvertrages die Regelungen des BGB gelten. Nachfolgend werden zur Vollständigkeit beide Standpunkte aufgeführt:

  • Prozessvertrag:  Teilweise wird angenommen, bei solch einer Vereinbarung handele es sich um einen sogenannten Prozessvertrag. Dies ist ein Vertrag, der von den Parteien in Hinblick auf einen (zukünftigen) Rechtsstreit abgeschlossen wird und der auf diesen Rechtsstreit einwirkt.
  • BGB- Vertrag: Nach anderer Auffassung handelt es sich bei der Gerichtsstandvereinbarung um einen „normalen“ BGB-Vertrag. Dies nimmt auch der BGH zumindest dann an, wenn die Vereinbarung schon vor einem konkreten Rechtsstreit abgeschlossen wurde.

Die Reichweite der Prorogation umfasst prinzipiell auch die sachliche Gerichtszuständigkeit. Dies gilt jedoch nur, solange die funktionale Zuständigkeit eines Gerichts gewahrt bleibt. So kann beispielsweise kein Gerichtsstand zum BGH begründet werden, da der BGH kraft seiner Funktion kein erstinstanzliches Gericht ist.

II. Voraussetzungen einer zulässigen Gerichtsstandvereinbarung

1. „Prorogationsfähiger“ Personenkreis

§ 38 Abs. 1 ZPO legt fest, dass eine Gerichtsstandvereinbarung nur möglich ist,

[…] wenn die Vertragsparteien Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind. […]

Andere Personen als die in § 38 Abs. 1 ZPO aufgezählten können gem. § 38 Abs. 3 ZPO nur durch ausdrücklichen und schriftlichen Vertrag nach dem Entstehen der Streitigkeit prorogieren.

Das Entstehen der Streitigkeit im Sinne des § 38 Abs. 3, Nr.1 ZPO erfordert dabei keinen anhängigen Rechtsstreit. Vielmehr genügt es, wenn die Parteien bezüglich eines zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisses unterschiedliche Ansichten geäußert haben, wenn dieses Rechtsverhältnis zwischen ihnen also streitig ist.

2. Vorliegen eines bestimmten Rechtsverhältnisses, § 40 Abs. 1 ZPO

Weiterhin muss sich die Vereinbarung auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis beziehen, wie sich im Umkehrschluss aus § 40 Abs. 1 ZPO ergibt. Ein Rechtsverhältnis ist dann bestimmt, wenn es von anderen Rechtsverhältnissen abgrenzbar ist.

 3. Keine Unzulässigkeit nach § 40 Abs. 2 ZPO

Schließlich darf die Vereinbarung nicht wegen der in § 40 Abs. 2 ZPO genannten Gründe unzulässig sein.

Nach § 40 Abs. 2, S. 1, Nr.1 ZPO ist die Prorogation dann unzulässig, wenn das Amtsgericht ohne Rücksicht auf den Streitwert für den Rechtsstreit zuständig ist. Eine solche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 23 Nr.2, 23a Abs. 1, S. 1 Nr.1 GVG.

Nach § 40 Abs. 2, S. 1, Nr.2 ZPO ist die Prorogation ferner dann unzulässig, wenn für den Rechtsstreit ein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist. Solche ausschließliche Gerichtsstände finden sich etwa in §§ 24, 29a, 32a ZPO.

III. Gerichtsstandvereinbarung unzulässig – was nun?

Ist die Gerichtsvereinbarung unzulässig, so richtet sich die (örtliche und sachliche) Gerichtszutsändigkeit erst einmal nach dem Gesetz. Wurde bereits Klage eingereicht, so liegt eine Klageeinreichung bei einem unzulässigen Gericht vor. In solch einem Fall kann § 39 ZPO weiterhelfen: Demnach wird das eigentlich unzuständige Gericht infolge rügelosen Verhandelns zum zuständigen Gericht.

Diese Wirkung des § 39 ZPO tritt dabei unabhängig vom Willen und von der Kenntnis der Parteien ein (sofern nicht § 40 Abs. 2, S. 2 ZPO einschlägig ist, der den § 39 ZPO ausschließt).



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