
I. Sachverhalt
Es ist ein wechselhafter Samstag im Frühjahr und Anton Aufrichtig (A) hat von einer Kunstversteigerung am anderen Ende der Stadt gelesen. „Eine Versteigerung, das ist doch mal etwas Neues!“, denkt A, zieht seine liebste knallgelbe Regenjacke an und fährt los. Bei der Kunstversteigerung angekommen nimmt er zunächst nicht Platz. Er möchte das Treiben erst einmal beobachten. Eine Auktionsfläche ist jedoch nicht gekennzeichnet, auch Stehende bieten mit.
Seinen Blick kurz Richtung Ausgang gerichtet sieht er seinen alten Schulkameraden Cornelius Cool (C) den Raum betreten. A war schon immer ein großer Fan von C und winkt ihm heftig zu. Im gleichen Moment zählt der Auktionator „zum Ersten, zum Zweiten“, sieht As Hand in der Luft wedeln und sagt: „7.000 € von dem Herrn in der gelben Regenjacke, wer bietet mehr?“. Keiner überbietet A und so wird ihm der Zuschlag in Höhe von 7.000 € erteilt. Total verärgert möchtet er wissen, ob er zur Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 7.000 € verpflichtet ist. Der Anblick des Bildes würde ihn verstören, er findet es total hässlich.
II. Kaufvertrag, § 433 BGB
Eine Zahlungspflicht könnte sich aus § 433 Abs. 1 BGB ergeben. Damit dies der Fall ist, müsste zunächst ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen sein. Ein Kaufvertrag kommt durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen, Angebot und Annahme genannt, zustande (gem. §§ 145 ff. BGB). Es fragt sich, ob Anton Aufrichtig (A) eine entsprechende Willenserklärung abgegeben hat, die auf den Abschluss eines Kaufvertrages gerichtet war. Schließlich wollte er lediglich seinem alten Schulkameraden zuwinken.
Willenserklärungen bestehen aus einem objektiven (äußeren) und einem subjektiven (inneren) Tatbestand.
1. Der objektive Tatbestand einer Willenserklärung
Der äußere Tatbestand einer Willenserklärung liegt vor, wenn sich das Verhalten des A für einen objektiven Beobachter als eine Äußerung mit Rechtsfolgewillen erkennen lässt. Allgemein bekannt gilt das Heben der Hand innerhalb einer Versteigerung als Abgabe eines höheren Gebots. Daher durfte ein objektiver Beobachter (also irgendjemand im Raum) das Handheben des A als eine Äußerung für einen entsprechenden Rechtsfolgewillen erkennen. Ein äußerer Tatbestand der Willenserklärung des A liegt somit vor.
2. Der subjektive Tatbestand einer Willenserklärung
Hingegen ist auch der innere Tatbestand ausschlaggebend. Dieser wird in drei Teile gegliedert: Handlungswille, Erklärungsbewusstsein und Geschäftswille.
a. Handlungswille
Der Handlungswille ist ein unabdingbarer Bestandteil einer Willenserklärung. Fehlt er, so wäre die Willenserklärung nichtig. Das ist einer Analogie aus § 105 Abs. 2 BGB zu entnehmen, wonach eine im Zustand der Bewusstlosigkeit oder einer vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit abgegebene Willenserklärung nichtig ist.
Bei der Auktion war A aber bei klarem Verstand und hat seinem Schulfreund zugewunken, um ihn zu grüßen. Der Handlungswille ist also gegeben.
b. Erklärungsbewusstsein
A müsste aber auch ein sog. Erklärungsbewusstsein inne gehabt haben.
A muss also ein Bewusstsein haben etwas rechtlich Erhebliches zu erklären. Jedoch wollte A aber nur C zuwinken und gerade nichts rechtlich Erhebliches bewirken. Welche Folgen hat also das fehlende Erklärungsbewusstsein in unserem Fall?
aa. Willenstheorie
Einer Ansicht nach, der sog. Willenstheorie, ist ein Erklärungsbewusstsein stets notwendiger Bestandteil einer Willenserklärung. Sobald es fehlt, wird in Analogie zu § 118 BGB Nichtigkeit angenommen. Wenn es danach ginge, hat A keine Willenserklärung abgegeben. Ein Vertrag über das Bild wäre nicht zustande gekommen und er könnte sich glücklich schätzen, dass er nicht die 7.000 € zahlen müsste.
Nicht außer Acht zu lassen ist aber, dass A in analoger Anwendung des § 122 BGB zum Ersatz des Vertrauensschadens verpflichtet sein könnte.
bb. Erklärungstheorie
Auf der anderen Seite steht die Erklärungstheorie. Sie geht vom Vertrauensschutz aus, weswegen grundsätzlich dem Erklärenden (A) sein Verhalten als eine Willenserklärung zugerechnet wird. Insbesondere soll dies bei fehlendem Erklärungsbewusstsein gelten, denn die Erklärung wurde von A und nicht vom Auktionator abgegeben. Sobald A also einen Auktionsraum betritt, soll ihm ein „Erklärungsrisiko“ angerechnet werden. Vorausgesetzt, dass A bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen können, dass sein Verhalten als eine Willenserklärung aufzufassen ist. Dies entspricht einem Verantwortungsprinzip, auch bekannt als „Erklärungsfahrlässigkeit“. Folglich wäre das Erklärungsbewusstsein kein notwendiger Bestandteil einer Willenserklärung.
cc. Zwischenergebnis
Weil A wusste, wo er hingeht und was er vor hat, ist der Erklärungstheorie zu folgen. Sie trägt das Prinzip des Vertrauensschutzes und lässt zugleich Ausnahmen bei fehlender Schutzwürdigkeit des Erklärungsempfängers zu. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass ein ohne Erklärungsbewusstsein zustande gekommenes Rechtsgeschäft für den Erklärenden günstig ist. Danach könnte A nach der Erklärungstheorie das Geschäft gelten lassen, was die Willenstheorie nicht bietet.
Der arme A: er muss sich die abgegebene Erklärung zurechnen lassen. Schließlich hätte er wissen müssen, dass sein aktives Handheben und Winken als Abgabe eines höheren Gebots gedeutet wird. Von einer Arglist des Auktionators ist nicht auszugehen, dafür liegen keine Anhaltspunkte vor. Er konnte auch nicht wissen, dass A keinen Erklärungswillen besaß.
III. Ergebnis
Anton Aufrichtig hat im Ergebnis eine wirksame Willenserklärung abgegeben. Sie ist auf die Ersteigerung des Bildes und somit auf Abschluss eines Kaufvertrages gerichtet. Er ist zur Zahlung in Höhe von 7.000 € verpflichtet.
Der Fall wäre jedoch anders zu beurteilen, wenn A ortsfremd ist und nur durch Zufall den Raum der Auktion betreten hat.
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