
Bild: “ ” von Michael Pollak. Lizenz: CC BY 2.0
Eine verzerrte Abbildung der Wirklichkeit
Forschung und die damit verbundene Veröffentlichung von Studien in Fachzeitschriften ist in den letzten Jahrzehnten zu einem hoch kontrollierten Feld geworden. Begonnen mit der Beurteilung durch eine Ethikkommission, über statistische Anforderungen an die Studien bis hin zur strengen Begutachtung der Arbeiten durch Reviewer, alles wird reglementiert. Doch so überwacht Forschung mittlerweile ist – für ein Problem gibt es bisher keinerlei Kontrolle.
Forschung ist ein harter Konkurrenzkampf. Das Überleben von Forschungsprojekten und Instituten wird durch Veröffentlichungen in wichtigen Wissenschaftsmagazinen gesichert, den Fachjournalen. „Veröffentlichen oder Untergehen“, so lautet die Devise. Je höher der Einfluss des Journals auf die Wissenschaftswelt ist, desto höher der sogenannte Impact Factor und damit die wissenschaftliche Wertigkeit.
Forscher zielen auf einen hohen Impact Factor, weshalb bevorzugt Studien mit positiven und signifikanten Ergebnissen publiziert werden. Studien mit negativen oder nicht signifikanten Ergebnissen, werden oft garnicht erst veröffentlicht (sogenanntes Schubladenproblem) oder landen in Journalen mit niedrigem Impact Factor und finden kaum Beachtung.
Dadurch kann ein falscher Eindruck über den Forschungsgegenstand, beispielsweise eine Therapie, entstehen. Dieses Phänomen nennt man den Publikationsbias, also eine statistisch verzerrte Darstellung der Datenlage.
Warum der Publikationsbias gefährlich werden kann
Abgesehen davon, dass es keine gute wissenschaftliche Praxis ist, birgt dieses Phänomen ungeahnte Gefahren. Gerade Medizin ist sehr wirtschaftlich geprägt. Pharmafirmen wollen ihr Medikament vermarkten und es als Therapie etablieren. Viele Pharmafirmen leiten die Studien zur Wirksamkeit eines Medikaments selbst und sortieren Studien, die die Wirksamkeit des Medikaments nicht unterstützen, vorher aus.
So entsteht der Eindruck, das entsprechende Medikament habe eine gute Wirksamkeit. Dass möglicherweise 9 von 10 Studien oder Tests keine Wirkung zeigen, wird verschwiegen.
Studien, die von der Industrie finanziert werden, kommen vier mal häufiger zu einem schmeichelhaften Ergebnis, als Studien von unabhängigen Einrichtungen.
So kann es sehr gut passieren, dass ein neuer Gerinnungshemmer, der zuvor als wirksam angepriesen wurde, erst durch vermehrte Blutungskomplikationen im Gebrauch auffällig wird. Er ist also weniger verlässlich und wirksam, als durch die zuvor publizierte Datenlage angenommen. So werden Risiken erst in der medizinischen Praxis erkannt – später, als es nötig und möglich gewesen wäre.
Initiativen gegen den Publikationsbias
Immer wieder gab es Initiativen von Forschern und Gutachtern selbst, eine allgemeingültige Registrierung aller durchgeführten Studien einzuführen und die bestehenden Veröffentlichungsstrukturen umzukrempeln. Eine Initiative, die sich vor allem für die Veröffentlichung von klinischen Studien einsetzt, ist das Projekt ‚All Trials‘. Das ist eine Kooperation verschiedener seriöser Wissenschaftsorganisationen.
Ben Goldacre, britischer Arzt und Mitbegründer von ‚All Trials‘, bezeichnet den Publikationsbias als den ‚Krebs der evidenzbasierten Medizin‘, und fordert eine systematische und obligate Registrierung mit regelmäßiger Veröffentlichung der Ergebnisse. In einem Vortrag vergleicht er das derzeitige Vorgehen mit einem Trickbetrüger, der zwar genauso oft Zahl wie Kopf mit einer Münze wirft, aber die Ergebnisse mit der Zahl oben verheimlicht.
Auf diese Weise sieht es für den Betrachter so aus, als würde er öfter Kopf werfen. Dies sei eine Täuschung, die unbedingt aufgedeckt werden müsse. Auf der Internetseite der Organisation finden Sie mehr Informationen sowie eine Petition, mit der Sie sich leicht engagieren und das Problem bekannter machen können.
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