Nicht nur das Zubereiten von Schlangensuppe birgt Gefahren. Immer mehr Menschen sind kreuz und quer auf dem Planeten unterwegs und entdecken die entlegensten Winkel. Lebende Mitbringsel fürs heimische Terrarium sind nicht selten. Obwohl Schlangenbisse in Deutschland eine quantitativ untergeordnete Rolle spielen, sind sie mehr als ein exotisches Thema geworden und gehören zum medizinischen Allgemeinwissen.
Inhaltsverzeichnis

Schlangenbisse in Deutschland
Hierzulande werden Sie nur selten Wanderer oder Waldspaziergänger mit Schlangenbissen zu behandeln haben. Die Ringelnatter ist absolut ungiftig. Die Kreuzotter und die sehr seltene Aspisviper sind zwar Giftschlangen, beide beißen allerdings selten Menschen. Außerdem ist der Biss nicht zwangsläufig mit der Freisetzung von Gift verbunden.
Schlangen beißen aus zwei Gründen:
- Verteidigungsbiss: Dieser trockene Biss dient der Abwehr von Feinden. Er ist schmerzhaft und erfolgt in der Regel ohne Giftfreisetzung. Dies sollte sicherheitshalber klinisch kontrolliert werden.
- Jagdbiss: Dieser Biss erfolgt gegenüber einem (vermeintlichen) Beutetier und geht immer mit einer Injektion von Gift einher. Nur ein Drittel der menschlichen Opfer klagt über Schmerzen. Das Gift hat drei Aufgaben: Lähmung des Opfers, Tötung des Beutetieres und Beginn der Verdauung.
Heimische Schlangen erkennen den Menschen als Feind und fliehen lieber statt zu beißen. Sollte sich die Schlange dennoch irren: Eine einzelne Kreuzotter kommt mit einem Biss nur auf 10 bis 18 ml Giftserum. Es bräuchte etwa 40 bis 75 ml, um einen erwachsenen Menschen zu töten. Für Kinder, alte Menschen oder Erkrankte kann diese Menge jedoch bereits gefährlich werden.
So gab es nach 1959 lange keine dokumentierten Todesfälle mehr in Deutschland. Erst im Jahr 2004 starb eine 82-jährige Frau auf Rügen an den Folgen eines Kreuzotterbisses. Pro Jahr gibt es 100 bis 200 meist unproblematische Bissverletzungen. Wahrscheinlicher, als auf dem Waldspaziergang gebissen zu werden, ist ein Biss bei Zoo-Personal oder Privathaltern exotischer Schlangen.
Giftige Mischungen
Jede Schlange stellt ihre Giftmixtur individuell zusammen. Meist enthält das Sekret Proteine und Polypeptide, die enzymatische und toxische Funktionen erfüllen.
Substanzen im Schlangensekret
Hämatoxine | Schädigung der Blutzellen Hämolyse |
Hämorrhagine | Schädigung der Gefäßwände Blutungen |
Kardiotoxine | Greifen die Membran der Herzmuskelzellen an |
Neurotoxine | Schädigung von Nervenzellen Beeinträchtigung neuronaler Funktionen |
Myotoxine | Auflösung des Muskelgewebes (Rhabdomyolyse) |
Hydrolasen | Spalten hydrolytisch Biomoleküle (z.B. Peptide, Glycoside) |
Aminosäureoxidasen | Verändern die Struktur der körpereigenen Aminosäuren z.T. Freisetzung von Wasserstoffperoxid |
Neurotoxische Abläufe
Während die einheimischen Vipern eher Gerinnungsgifte absetzen, injizieren Giftnattern primär Neurotoxine. Diese wirken sofort, töten aber äußerst selten vor ein bis zwei Stunden Einwirkzeit.
Meist gelangen die Gifte nicht über die Blut-Hirn-Schranke hinweg ins Gehirn, sodass die neurotoxischen Effekte peripherer Natur sind. Zunächst kommt es dabei zu Parästhesien in Bissnähe. Nach und nach werden verschiedene Muskeln gelähmt. Dies geschieht oftmals in folgender Chronologie:
- starre Augen (Lähmung der Augenmuskulatur)
- eingeschränkte Mimik (Lähmung der Gesichtsmuskulatur)
- eingeschränkte Artikulation (Lähmung der Schädel-/Zungenmuskulatur)
- Augenlidschwere
- allgemeine Muskelschwäche
- Atemlähmung
Die neurophysiologischen Prozesse sind unterschiedlich und nicht komplett untersucht worden. Häufig imitieren die Gifte körpereigene Transmitter oder blockieren Nervenzellrezeptoren. Folgende Schlangengifte sind hinsichtlich ihrer Wirksamkeit verstanden worden:
- Dendrotoxin: Steigerung der Transmitterfreisetzung an präsynaptischen Membranen
- Phospholipase A2: Senken der Transmitterfreisetzung an präsynaptischen Membranen
- Alpha-Bungarotoxin: Blockade der Erregungsübertragung an der postsynaptischen Membran/muskulären Endplatte
Bisse erkennen und handeln
Nicht immer lassen sich zwei Bissmarken als Beweis identifizieren. Da die Gifte schnell zu lokalen Ödemen führen können, sind die Bisse oft überlagert. Die Symptome des Bisses sind unterschiedlich und auch in Bezug auf das zeitliche Erscheinen äußerst variabel.
Wichtige Intoxikationszeichen sind:
- Rötung, Verfärbung und Schwellung der Bissstelle
- Übelkeit, Erbrechen
- Diarrhoe, Koliken
- Schwitzen
- Blutdruckabfall
- Atemnot, Bronchospasmus
- Herzbeschwerden
- Lähmungserscheinungen
- dermatologische Reaktionen
Hat die Schlange durch Kleidung hindurch gebissen, lässt sich anhand der Giftreste im Stoff ein „venom identification kit“ anwenden, um die genaue Art zu bestimmen und ein spezielles Antiserum zu verabreichen.
Kategorisierung von Schlangenbissen
Die Schwere der Vergiftung nach einem Schlangenbiss lässt sich einer Studie von Audebert et al. (1992) zufolge in vier Grade einteilen:
Vergiftungsgrad |
Merkmal | Toxine in Urin, Blut oder Serum? |
0 (keine Vergiftung) |
|
keine Toxine |
1 (minimale Vergiftung) |
|
keine Toxine |
2 (mäßige Vergiftung) |
|
Toxine nachweisbar |
3 (schwere vergiftung) |
|
Toxine nachweisbar |
Doch in weniger als 50 % der Fälle hat die Schlange beim Biss überhaupt Gift injiziert. Das macht einen giftlosen Biss nicht ungefährlich: Auch der sogenannte „snakefright“ (dt. Schlangenschreck) kann Leben kosten.
Herzrhythmusstörungen (Palpitationen), Schwitzen uns Hyperventilation sind vergleichsweise harmlose Folgen. Erfolgt keine Beruhigung, sind Myokardinfarkte möglich. Auch anaphylaktische Schocks sind nicht direkte Folge des Gifts, können aber sekundär auftreten und tödlich sein.
Nach der Stabilisierung des Herz-Kreislauf-Systems sollte die gebissene Extremität ruhig und unterhalb des Herzens gelagert werden. Bewegungen sind zu vermeiden. Stellt sich die Frage, ob einem Krankenwagen entgegengelaufen werden kann, sollte dies immer verneint werden. Jede Kreislaufaktivität verteilt das Gift weiter im ganzen Körper.
Manipulationen an der Bissmarke sind kontraproduktiv und führen statistisch häufiger zu Nekrosen. Heutzutage wird weder eine Extremität abgebunden, noch gestaut, mit Eis gekühlt oder ausgesaugt. Lediglich leichte Kühlungen sind angebracht. Ob Kompressionsverbände nützlich sind oder nicht, darüber entscheidet die Art des Giftes.
Menschen sterben selten sofort nach dem Biss. Erste Maßnahmen sollten nicht überstürzt vorgenommen werden. Allerdings darf auch die Entwarnung nicht zu schnell erfolgen. Reaktionen sind noch bis zu zwei Wochen nach Biss möglich. Wie bei jedem Tierbiss ist an eine Tetanusvorsorge zu denken.
Schlangenfreie Zone
Nur 600 der 3000 Schlangenarten weltweit sind giftig. Wer mit Giftschlangen partout nichts zu tun haben will, hat immer noch die Möglichkeit auszuwandern. Empfehlenswert sind Madagaskar, Neuseeland, Hawaii, Irland und Island. Diese Inseln gelten nach wie vor als giftschlangenfreie Zonen.
Quellen
Geier et al. (2009): Giftschlangenbisse – eine globale Herausforderung. Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie. Januar 2009
Rücker et al. (2000): Schlangenbisse – Epidemiologie, Pathophysiologie und Therapie. Notfall & Rettungsmedizin 2000-3
Audebert et al. (1992): Envenoming by viper bites in France – Clinical gradation and biological quantification by ELISA. Toxicon Vol. 30
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Ein Gedanke zu „Giftschlangen – Toxine mit Biss!“
Ich hatte mal zwei Bisse am Unterschenkel mit einwöchiger sehr starker Rötung ohne Abklingen während der Zeit.
Ist das ein Schlangenbiss? Am Boden spürte ich etwas Weiches beim Auftreten, das immer im Juli. Kann auch als ein Biss vorkommen.