
Bild: “Shut up, just shut up, shut up” vonMateus Lunardi Dutra. Lizenz: CC BY 2.0
Die Tatbestandsvoraussetzungen des 15 III HGB
1. Die abstrakt eintragungspflichtige Tatsache
15 III HGB erfasst nicht nur Tatsachen, die konkret zur Eintragung angemeldet wurden: Erfasst werden auch solche Tatsachen, die abstrakt betrachtet, d. h. bei einer Unterstellung ihrer Richtigkeit, eintragungspflichtig wären.[Canaris, § 5 Rn. 51-54]
Hierfür gibt es folgenden Beispiele:
- Die konkret eintragungspflichtige Tatsache: Kaufmann K erteilt seinem Mitarbeiter M Prokura. Dies ist eine konkret eintragungspflichtige Tatsache, weil die Prokura von K tatsächlich erteilt wurde.
- Die abstrakt eintragungspflichtige Tatsache: Kaufmann K erteilt seinem Mitarbeiter M keine Prokura. Im Handelsregister wird dennoch fälschlicherweise eingetragen, dass K dem M Prokura erteilt habe. Weil die Prokura bekanntgemacht worden ist, vertrauen Dritte auf ihr Bestehen, sodass § 15 III HGB auch hier seine Anwendung findet.
- Keine abstrakt einzutragende Tatsache ist bspw. die Handlungsvollmacht, weil diese weder eintragungspflichtig noch eintragungsfähig ist, und daher nicht ins Handelsregister eingetragen werden kann.
2. Die unrichtige Bekanntmachung
Der Begriff unrichtige Bekanntmachung bedeutet, dass der Inhalt der Bekanntmachung nicht mit der wirklichen Rechtslage übereinstimmen darf. 15 III HGB erfasst also folgende Fälle:
- Die richtige Eintragung und falsche Bekanntmachung
- Die fehlende Eintragung und falsche Bekanntmachung
- Die falsche Eintragung und falsche Bekanntmachung
Nach herrschender Meinung erfasst §15 III HGB also sämtliche Fälle einer unrichtigen Bekanntmachung, unabhängig davon ob die Eintragung richtig oder falsch ist. [Koch in: Großkommentar HGB, §15 Rn. 103]
Ist allerdings nur die Eintragung unrichtig, etwa weil die Bekanntmachung noch nicht erfolgt ist, greift § 15 III HGB nicht ein. Für eine analoge Anwendbarkeit fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke sowie am entgegenstehenden Gesetzgeberwillen. In Betracht kommt hier lediglich eine Rechtsscheinshaftung.
3. Die Gutgläubigkeit des Dritten
Der Dritte muss in Bezug auf die Unrichtigkeit der Eintragung gutgläubig sein – fahrlässige Unkenntnis schadet nicht. Es wird wie bei § 15 I HGB auch bei § 15 III HGB das abstrakte Vertrauen geschützt. Es kommt also nicht darauf an, ob der Dritte tatsächlich ins Handelsregister geschaut hat.
4. Handeln im Geschäfts- oder Prozessverkehr
Es besteht nur ein Schutz, wenn im Geschäfts- oder Prozessverkehr gehandelt wird.
5. Das Veranlasserprinzip
Fraglich ist allerdings, ob §15 III HGB auch dann eingreift, wenn der Betroffene die unrichtige Bekanntmachung in keiner Weise veranlasst hat. Dem Wortlaut der Norm lässt sich kein solches Erfordernis entnehmen, was zu dem befremdlichen Ergebnis führen könnte, dass auch eine vollkommen unbeteiligte Person über §15 III HGB haften könnte.
Es wird daher in der Literatur und zum Teil in der Rechtsprechung vorgeschlagen – entgegen der Gesetzesbegründung -, das sogenannte Veranlasserprinzip anzuwenden. Hiernach soll § 15 III HGB nur zulasten von Personen wirken, die die unrichtige Bekanntmachung zumindest mittelbar zurechenbar veranlasst haben.
Eine Stütze findet diese Ansicht zudem im Wortlaut des § 15 III HGB: Danach muss nur derjenige die falsch bekanntgemachte Tatsache gegen sich gelten lassen, „in dessen Angelegenheiten“ sie eingetragen war. Ein völlig Unbeteiligter hat aber keine Angelegenheiten, die der Eintragungspflicht unterliegen. [Canaris, § 5 Rn. 51Ff; OLG Brandenburg JuS 2013,360,361]
Die Gegenmeinung wendet den Wortlaut des § 15 III HGB streng an und bejaht allein aufgrund des Rechtsscheins der unrichtigen Bekanntmachung auch die Haftung eines Unbeteiligten. Dieser habe die Möglichkeit über § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG, Regress zu nehmen beim jeweiligen Bundesland des für die falsche Eintragung verantwortlichen Registergerichts. [Brox/Henssler, Rn. 144]
Die Rechtsfolge des 15 III HGB
Der Dritte kann sich auf die falsch bekanntgemachte Tatsache gegenüber demjenigen berufen, in dessen Angelegenheiten sie eingetragen wurde. Da die Vorschrift nur zugunsten des Dritten wirkt, hat er – wie auch beim § 15 I HGB – ein Wahlrecht, ob er sich auf die bekanntgemachte Tatsache oder auf die wahre Rechtslage berufen möchte.
Ungeschriebene und gewohnheitsrechtlich anerkannte Ergänzungssätze zu § 15 III HGB
Gewohnheitsrechtlich anerkannt sind einige Fälle, in denen die Voraussetzungen des § 15 III HGB zwar nicht vorliegen, der Rechtsverkehr aber aufgrund des im Handelsregister gesetzten Rechtsscheins trotzdem geschützt werden muss. Es lassen sich folgende Fälle bilden:
- Die Tatsache ist unrichtig eingetragen, aber die Bekanntmachung der Tatsache fehlt.
- Die Tatsache ist unrichtig eingetragen, aber die Bekanntmachung der Tatsache ist richtig.
- Die Tatsache ist eingetragen bzw. bekanntgemacht. Es handelt sich aber um eine Tatsache, die weder eintragungspflichtig noch eintragungsfähig ist.
In diesen Fällen kommt eine gewohnheitsrechtliche Haftung in Betracht (d.h. keine direkte Anwendung des § 15 III) in Betracht. Diese Haftung erfordert jedoch zusätzlich die tatsächliche Kenntnis des Dritten im Bezug auf den gesetzten Rechtsschein und ein darf basierendes (kausales) Handeln des Dritten.
Es werden bei diesen Fällen gewohnheitsrechtlich und zu § 15 III HGB subsidär zwei ungeschriebene Ergänzungssätze angewandt, die zu einer positiven Publizitätswirkung des Handelsregistereintrages führen:
Erster Ergänzungssatz: Die falsche Eintragung ist selbst veranlasst
Wer eine ihn betreffende unrichtige Eintragung im Handelsregister veranlasst, muss sich daran von einem gutgläubigen Dritten festhalten lassen, der sein Verhalten nach der Eintragung richtet.
Zweiter Ergänzungssatz: Die falsche Eintragung ist zwar nicht selbst veranlasst, aber schuldhaft nicht beseitigt
Selbst wenn der Betroffene die unrichtige Eintragung nicht veranlasst hat, muss er sich von einem gutgläubigen Dritten, der sein Verhalten nach der Eintragung richtet, daran festhalten lassen, wenn er die Eintragung schuldhaft nicht beseitigt hat.
Die beiden ungeschriebenen Ergänzungssätze erfordern im Gegensatz zu § 15 I, III HGB ein konkretes schutzwürdiges Vertrauen – der erzeugte Rechtsschein muss ursächlich für das Handeln des Dritten sein.
Ferner ist die Anwendung der Ergänzungssätze bei positiver Kenntnis und fahrlässiger Unkenntnis des Dritten von der wahren Rechtslage ausgeschlossen: Die beiden Ergänzungssätze wirken nur zugunsten Dritter. [Brox/Henssler, § 6 Rn.100]
Quellen
Brox, Hans/Henssler, Martin: Handelsrecht; 21. Auflage, München, 2011
Canaris, Claus-Wilhelm: Handelsrecht; 24. Aufllage, München, 2006
Staub, Hermann: Kommentar zum Handelsgesetzbuch; Bd. 1 §§1-47b, 5. Auflage, Berlin, 2009
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2 Gedanken zu „§ 15 III HGB – der positive Verkehrsschutz“
Widerspruch im Artikel:
„Ist allerdings nur die Eintragung unrichtig, etwa weil die Bekanntmachung noch nicht erfolgt ist, greift § 15 III HGB nicht ein.“
Später dann unter ungeschriebenen gewohnheitsrechtlich anerkannten Anwendungsfällen:
„Die Tatsache ist unrichtig eingetragen, aber die Bekanntmachung der Tatsache fehlt.“
Über eine kurze Klarstellung – am liebsten via Mail, wäre ich sehr dankbar.
Viele Grüße
F.L.
Lieber F.L. Wir haben den Artikel zum besseren Verständnis entsprechend angepasst. Im unteren Teil geht es um eine gewohnheitsrechtliche, an § 15 III HGB angelehnte Haftung, aber nicht um eine direkte Anwendung des § 15 III HGB.
Freundliche Grüße,M
Maria Jähne von Lecturio.